EU-Kommission will Energiepreise in den Griff bekommen

Instrumentarium aus Maßnahmen zur Bewältigung der Ausnahmesituation und ihrer Auswirkungen vorgestellt

Die Kommission hat am 13.10.2021 eine Mitteilung zu den Energiepreisen an das EU-Parlament, den Europäischen Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen verabschiedet, um den weltweiten Anstieg der Energiepreise zu bewältigen, der den Winter über anhalten dürfte, und den Menschen und Unternehmen in Europa zu helfen. Die Mitteilung umfasst ein „Instrumentarium“, das die EU und ihre Mitgliedstaaten nutzen können, um den unmittelbaren Auswirkungen des derzeitigen Preisanstiegs zu begegnen und die Resilienz gegenüber künftigen Preisschocks zu verstärken. Der VKU reagierte positiv.

Nicht nur Gas wird teurer – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Zu den kurzfristigen nationalen Maßnahmen gehören Notfall-Einkommensunterstützung für Haushalte, Beihilfen für Unternehmen und gezielte Steuersenkungen. Die Kommission wird auch Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz unterstützen, mögliche Maßnahmen im Bereich der Energiespeicherung und der Beschaffung von Gasreserven prüfen und die derzeitige Gestaltung des Strommarkts bewerten.

Bei der Vorstellung des Instrumentariums sagte die für Energie zuständige Kommissarin Kadri Simson: „Der weltweite Anstieg der Energiepreise gibt der EU Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Nun, da wir die Pandemie hinter uns lassen und unsere wirtschaftliche Erholung in Gang setzen, ist es wichtig, benachteiligte Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen und die europäischen Unternehmen zu unterstützen. Die Kommission steht den Mitgliedstaaten bei der Ergreifung von Sofortmaßnahmen zur Seite, um die Auswirkungen auf Haushalte und Unternehmen diesen Winter einzudämmen. Zugleich ermitteln wir weitere mittelfristige Maßnahmen, um sicherzustellen, dass unser Energiesystem resilienter und flexibler wird, damit es künftigen Schwankungen während des Übergangs standhalten kann. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. In den letzten zwanzig Jahren hat der Energiebinnenmarkt uns gute Dienste geleistet. Doch wir müssen sicher gehen, dass er dies auch weiterhin tun wird, wenn wir den europäischen Grünen Deal umsetzen, an unserer Energieunabhängigkeit arbeiten und unsere Klimaziele erfüllen.“

Instrumentarium kurz- und mittelfristiger Maßnahmen

Die derzeitige Preisspitze erfordert eine rasche und koordinierte Reaktion. Der bestehende Rechtsrahmen ermöglicht es der EU und ihren Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um die unmittelbaren Auswirkungen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Unternehmen zu bewältigen.

Dabei sollten gezielte Maßnahmen Priorität haben, mit denen die Auswirkungen des Preisanstiegs auf gefährdete Verbraucherinnen und Verbraucher und kleine Unternehmen rasch abgemildert werden können. Diese Maßnahmen sollten im Frühjahr, wenn eine Stabilisierung der Lage erwartet wird, leicht angepasst werden können. Unser langfristiger Übergang zu saubereren Energiequellen und die entsprechenden Investitionen sollten nicht beeinträchtigt werden.

Sofortmaßnahmen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Unternehmen:

  • Einkommensunterstützung im Notfall für von Energiearmut betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher, z. B. durch Gutscheine oder teilweise Begleichung von Energierechnungen, was mit Einnahmen aus dem EU-EHS unterstützt werden könnte;
  • Genehmigung von Zahlungsaufschüben für Energierechnungen;
  • Vorkehrungen zum Schutz vor Stromabschaltungen und anderen Netztrennungen;
  • Einführung vorübergehender, gezielter Senkungen der Steuersätze für schutzbedürftige Haushalte;
  • Hilfen für Unternehmen oder Industriezweige im Einklang mit dem EU-Beihilferecht;
  • Intensivierung der internationalen Kontakte im Energiebereich, um die Transparenz, Liquidität und Flexibilität der internationalen Märkte zu gewährleisten;
  • Untersuchung möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen auf dem Energiemarkt und Ersuchen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) um eine weitere Verstärkung der Überwachung der Entwicklungen auf dem CO2-Markt;
  • Förderung der Erweiterung des Marktes für Verträge über den Bezug von erneuerbarem Strom und Unterstützung dieser Verträge durch flankierende Maßnahmen.

Der Übergang zu sauberer Energie ist die beste Absicherung gegen künftige Preisschocks und muss beschleunigt werden. Die EU wird weiterhin ein effizientes Energiesystem mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien entwickeln. Obwohl erschwinglichere erneuerbare Energien bei der Versorgung des Stromnetzes und der Preisgestaltung eine immer größere Rolle spielen, sind andere Energiequellen, einschließlich Gas, bei hoher Nachfrage weiterhin erforderlich. Bei der derzeitigen Marktgestaltung wird der Gesamtpreis für Strom weiterhin über den Gaspreis festgelegt, wenn Gas eingesetzt wird, da für sämtliche Erzeuger bei der Einspeisung desselben Produkts, nämlich von Strom, in das Netz derselbe Preis gilt. Es besteht ein allgemeiner Konsens darüber, dass das derzeitige Grenzkostenmodell nach wie vor am effizientesten ist, doch weiterführende Analysen sind nötig. Durch die Krise wurde auch deutlich, wie wichtig die Speicherung für das Funktionieren des EU-Gasmarktes ist. Die EU verfügt derzeit über Speicherkapazitäten im Umfang von über 20 % ihres jährlichen Gasverbrauchs, doch nicht alle Mitgliedstaaten haben Speicheranlagen und ihre Nutzung und die Instandhaltungs-Verpflichtungen sind unterschiedlich.

Mittelfristige Maßnahmen für ein dekarbonisiertes und krisenfestes Energiesystem:

  • Mehr Investitionen in erneuerbare Energien, Gebäuderenovierungen und Energieeffizienz und Beschleunigung der Auktionen und Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien;
  • Ausbau der Energiespeicherkapazität, um den Anteil erneuerbarer Energien weiter zu steigern, auch in Bezug auf Batterien und Wasserstoff;
  • Auftrag an die europäischen Regulierungsstellen (ACER), die Vor- und Nachteile der derzeitigen Strommarktgestaltung zu untersuchen und der Kommission gegebenenfalls Empfehlungen vorzuschlagen;
  • Erwägung einer Überarbeitung der Verordnung über die Versorgungssicherheit, um für eine bessere Nutzung und Funktionsweise der Gasspeicherung in Europa zu sorgen;
  • Prüfung der möglichen Vorteile einer freiwilligen gemeinsamen Beschaffung von Gasvorräten durch die Mitgliedstaaten;
  • Einrichtung neuer grenzübergreifender regionaler Risikogruppen für Gas zur Risikoanalyse und zur Beratung der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gestaltung ihrer nationalen Präventions- und Notfallpläne;
  • Stärkung der Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher auf dem Energiemarkt durch die Möglichkeit, Lieferanten zu wählen und zu wechseln, Strom selbst zu erzeugen und sich Energiegemeinschaften anzuschließen.

Mit den im Instrumentarium dargelegten Maßnahmen wird dazu beigetragen, rasch auf die derzeitigen Energiepreisspitzen, die Folge einer weltweiten Ausnahmesituation sind, zu reagieren. Zudem leisten sie einen Beitrag zu einer erschwinglichen, gerechten und nachhaltigen Energiewende für Europa und höherer Energieunabhängigkeit. Durch Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz wird nicht nur die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen reduziert, sondern auch für erschwinglichere Energiegroßhandelspreise gesorgt, die gegenüber globalen Versorgungsengpässen widerstandsfähiger sind. Der Übergang zu sauberer Energie ist die beste Absicherung gegen solche Preisschocks in der Zukunft und muss, nicht zuletzt im Hinblick auf den Klimaschutz, beschleunigt werden.

Hintergrund

Die EU sieht sich derzeit – wie auch viele andere Weltregionen – drastisch steigenden Energiepreisen ausgesetzt. Ursache dafür ist hauptsächlich die weltweit gestiegene Nachfrage nach Energie, und insbesondere nach Gas, da die wirtschaftliche Erholung nach dem Höhepunkt der COVID-19-Pandemie in Gang kommt. Darüber hinaus ist im Jahr 2021 auch der europäische CO2-Preis stark angestiegen, wenn auch in geringerem Maße als die Gaspreise. Der Anstieg des Gaspreises hat eine neunmal stärkere Auswirkung auf den Strompreis als der Anstieg des CO2-Preises.

Die Kommission hat umfassende Konsultationen zu einer angemessenen Reaktion auf die derzeitige Lage durchgeführt, hat sich mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und den Ministerinnen und Ministern im Rat der Europäischen Union zu diesem Thema ausgetauscht und ist gleichzeitig mit der Industrie und internationalen Energielieferanten in Kontakt getreten. Mehrere Mitgliedstaaten haben bereits nationale Maßnahmen zur Eindämmung des Preisanstiegs angekündigt, andere erwarten jedoch Empfehlungen der Kommission zu möglichen Schritten. Einige internationale Partner haben bereits Pläne angekündigt, ihre Energielieferungen nach Europa aufzustocken.

Das heute vorgestellte Instrumentarium ermöglicht eine koordinierte Reaktion zum Schutz derjenigen, die am stärksten gefährdet sind. Es wurde sorgfältig so gestaltet, dass den kurzfristigen Erfordernissen – Senkung der Energiekosten für Haushalte und Unternehmen – entsprochen werden kann, ohne den Energiebinnenmarkt der EU oder den grünen Wandel mittelfristig zu beeinträchtigen.

Nächste Schritte

Kommissarin Simson wird die Mitteilung und das Instrumentarium am 14.10.2021 Mitgliedern des Europäischen Parlaments und am 26.10.2021 den Energieministerinnen und ?ministern vorstellen. Bei der anstehenden Tagung des Europäischen Rats am 21.-22. Oktober werden die europäischen Spitzenpolitikerinnen und ?politiker die Energiepreise dann diskutieren. Die Mitteilung ist der Beitrag der Kommission zu den fortlaufenden Gesprächen unter den politischen Entscheidungsträgerinnen und ?trägern der EU. Die Kommission wird ihren Austausch mit nationalen Behörden, der Industrie, Verbraucherverbänden und internationalen Partnern zu diesem wichtigen Thema fortsetzen und ist bereit, auf jegliche zusätzlichen Anfragen der Mitgliedstaaten zu reagieren.

VKU begrüßt EU-Vorschläge

Notwendig sind jetzt schnelle strukturelle Maßnahmen zur Preisentlastung – vor allem durch Senkung der EEG-Umlage. VKU-Chef Ingbert Liebing: „Der VKU begrüßt, dass die EU-Kommission mit ihren Vorschlägen den Mitgliedsstaaten eine Orientierung geben möchte, um den aktuell hohen Energiepreisen zu begegnen. Die kommunalen Unternehmen reagieren bereits vielfach genau in dieser Weise, etwa durch Beratung und angepasste Zahlungsmodalitäten. Entscheidend sind jetzt aber schnelle strukturelle Maßnahmen zur Preisentlastung: durch eine deutliche Absenkung der EEG-Umlage und mit einer Unterstützung einkommensschwacher Haushalte durch staatliche Hilfen.“

Viele von der Kommission empfohlene Maßnahmen würden von deutschen Stadtwerken bereits heute schon angewandt. So böten die kommunalen Unternehmen ihren Kunden umfangreiche Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zu Energiesparmaßnahmen oder dem Umstieg auf erneuerbare Energien an oder vereinbaren individuelle Zahlungsmöglichkeiten und Beratungsgespräche mit Kunden, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Gerade in der Corona-Pandemie hätten sich die Stadtwerke in Deutschland als verlässliche und kooperative Partner für Verbraucher und Unternehmenskunden bewährt.

„Dennoch, aus der Praxis wissen wir: Hilfe und soziale Abfederung für Menschen, die von Energiearmut betroffen sind, ist und bleibt Aufgabe der Sozialpolitik. So ist die Forderung nach höheren Heizkosten-Zuschüssen für Geringverdiener von der Bundesregierung ein richtiger Ansatz, der kurzfristig Belastungen abfedern kann. Andere Maßnahmen werden bereits in der deutschen Politik diskutiert: Damit nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher unter den hohen Energiepreisen leiden, mahnt der VKU schon seit längerem eine grundlegende Reform der Entgelte- und Umlagesystematik im Energiesektor an. Der erhebliche Anteil von bis zu 75 Prozent staatlich induzierter Preisbestandteile muss reduziert werden. Kern dieser Reform muss neben einer langfristig orientierten und an den Klimazielen ausgerichteten CO2-Bepreisung insbesondere eine deutliche Entlastung der Strompreise sein. Daher sollte mit den Einnahmen aus dem neuen nationalen Emissionshandel insbesondere die EEG-Umlage abgesenkt werden. Damit werden nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet, sondern die Strompreissenkung ist zugleich der Schlüssel für den Einsatz zahlreicher heute schon bekannter Sektorenkopplungstechnologien.“

Kurzfristig sollten die im Rahmen des Corona-Konjunkturpaket eingeplanten Bundeszuschüsse zum EEG vollständig bestehen bleiben und damit kurzfristig eine möglichst umfangreiche Absenkung der EEG-Umlage ermöglicht werden. Zukünftig sollte sich das EEG aber prioritär aus dem Energie- und Klimafonds finanzieren.

Liebing abschließend: „Nicht zuletzt garantieren die Stadtwerke in Deutschland Ihren Kunden durch Ihre auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgelegte Erzeugungs- und Beschaffungsstrategie eine sichere Energie- und Wärmeversorgung, selbst in Zeiten turbulenter Preisentwicklungen. Gleiches gilt für Haushalte, deren bisherige Lieferanten nur auf kurzfristige Erfolge fokussiert waren und nun seine Kunden mit der Insolvenz oder einer kurzfristigen Kündigung konfrontiert, weswegen diese nun in die Grund- oder Ersatzversorgung wechseln müssen.“

->Quellen: