Selbst die Besten machen zu wenig Klimaschutz

Nur 24 von 197 Staaten erreichen Marke, aber nicht mehr

Weltweit könnte man nur 24 Länder als Vorreiter bezeichnen – das mindestens Nötige, ein jährlicher Rückgang der Emissionen um 4 Prozent, wurde bislang fast nirgendwo erreicht. Von den 197 Staaten, die sich im Klimaabkommen von Paris auf die Begrenzung der Erderhitzung verständigt haben, bekamen bisher nur 24 Länder eine „dauerhafte“ Senkung ihrer Treibhausgas-Emissionen hin, darunter 22 in Europa – so eine Medienmitteilung aus dem Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) vom 29.11.2021.

Klimaschutz-Demo 2019 – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Erfolge konzentrieren sich auf den Energiesektor – und selbst das Tempo der Besten, in der günstigsten Zeitspanne, ist gerade mal innerhalb dessen, was für die nächsten Jahrzehnte weltweit erforderlich ist – so die Kernergebnisse einer Untersuchung unter Führung des MCC, die am 26.11.2021 in Climate Policy veröffentlicht wurde.

Die empirische, nach Ländern und Sektoren vorgenommene Analyse sämtlicher Treibhausgas-Emissionen stützt sich auf die unter dem Dach der EU-Kommission gepflegte globale Datenbank EDGAR (Bilanz für alle Länder der Welt). Die aktuellsten Daten sind für 2018; und als dauerhaft definiert das Forschungsteam einen Emissionsrückgang, wenn ein Land den Höhepunkt sowohl bei CO2 als auch bei allen Treibhausgasen spätestens 2008 erreicht hat. „Die 24 Länder, die man gemäß dieser Abgrenzung als Vorreiter bezeichnen könnte, haben seit ihrem jeweiligen Peak ihren CO2-Jahresausstoß um insgesamt 3,2 Milliarden Tonnen reduziert“, berichtet William Lamb, Wissenschaftler in der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und Leitautor der Studie. Das entspricht 9 Prozent der globalen Emissionen von 2018. „Die globale Trendwende steht noch aus – wie sie zu bewerkstelligen ist, dafür geben die Struktur und die Limitationen dieser Teilerfolge wertvolle Hinweise.“

Die stärksten Rückgänge der CO2-Emissionen, jeweils seit dem Spitzenjahr, weist die Studie für die Ukraine aus (um 77 Prozent seit 1988), für Dänemark (um 56 Prozent seit 1996) und für Großbritannien (um 46 Prozent seit 1973). Geringer ist er in Deutschland (um 37 Prozent seit 1979) und in den USA (um 12 Prozent seit 2005). Insgesamt teilen sich die 24 Vorreiter in drei Gruppen: 6 Frühstarter mit einem Peak schon in den 1970er-Jahren, 6 Länder des früheren Ostblocks mit starken Emissionsrückgängen in den 1990er-Jahren und seither weiteren Fortschritten sowie 12 Spätstarter mit einem Peak erst in den 2000er-Jahren. Aus dem globalen Süden ist nur Jamaika vertreten, vor allem aufgrund von wirtschaftlichen Entwicklungen sowie Brennstoff-Einsparungen im Bereich seines global bedeutsamen Bauxit-Bergbaus.

Das Forschungsteam betrachtet in diesen vergleichsweise erfolgreichen Zeitspannen auch jedes einzelne Jahr und rechnet vor, wie oft die CO2-Emissionen binnen Jahresfrist um mindestens 4 Prozent gesunken sind. Das wäre als globales Tempo für die nächsten Jahrzehnte in etwa ausreichend, um die Erderhitzung wenigstens auf 2 Grad zu begrenzen. Dass diese Benchmark nur selten erreicht wurde, liegt daran, dass sich die auf nationaler Ebene konstatierten Klimawenden nie durch alle Sektoren zogen: Die 24 Vorreiter reduzierten ihre Emissionen vor allem bei der Erzeugung von Strom und Wärme, in geringerem Maße auch in der Industrie, doch in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft tat sich kaum etwas. Da der Energiesektor nicht zweimal dekarbonisiert werden kann, sind für anhaltende weitere Reduzierungen neue, umfassendere Klimamaßnahmen erforderlich, die mehrere Sektoren abdecken.

„Trotz aller Einschränkung gibt unser Befund auch Anlass zu einem gewissen Optimismus“, sagt Jan Minx, Arbeitsgruppenleiter am MCC und ein Co-Autor der Studie. „Die dauerhaften Rückgänge bei den Emissionen wurden über die gesamte Zeit betrachtet in Verbindung mit dauerhaftem Wirtschaftswachstum erreicht. Und sie zeigen ja, was schon möglich war bei der eher moderat ambitionierten Klimapolitik, die wir in der Vergangenheit hatten. Für die Zukunft machen zunehmender politische Druck, aber auch die schneller als erwartet sinkenden Kosten etwa von Solar- und Batterietechnik immerhin Hoffnung: dass in den kommenden Jahren schnellere und nachhaltigere Reduktionen möglich sind.“

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