EU-Gas-Paket ist „Weihnachtsgeschenk für fossile Gasindustrie“

…statt Fahrplan für mehr Klimaschutz – EU-Mindesteffizienzstandards für Gebäude besser

Die EU-Kommission in Brüssel scheitere offenbar mit ihrem Plan, den Green Deal mit neuen Regelungen zur Gaswirtschaft umzusetzen: Statt die Gasinfrastruktur an die Klimaziele anzupassen, werde fossiles Gas weiter unterstützt – ein Erdgasausstieg bleibe Fehlanzeige, so die Deutsche Umwelthilfe (DUH) . Der BUND lobt dagegen die ebenfalls am 15.12.2021 veröffentlichten energetischen Mindesteffizienzstandards für Gebäude der EU, die Tempo in die Bewältigung von Klimakrise und Energiearmut bringen sollen.

Darüber hinaus wird der neue Wasserstoffmarkt falsch aufgebaut: Laut DUH sind Verschwendung von wertvollem Wasserstoff im Heizungssektor und unnötige Infrastruktur auf Verbraucherkosten zu befürchten – die DUH-Forderung: der Vorschlag der EU-Kommission muss von Parlament und Rat neu ausgerichtet werden.

Energetische Haussanierung Berlin – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Das für den 15.12.2021 von der EU-Kommission erwartete „Gaspaket“ steht im Widerspruch zu den EU-Klimazielen. Zu dieser Einschätzung kommt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nach Sichtung von Entwürfen der Gasmarktrichtlinie und der Netzzugangsverordnung. Weder ein Erdgasausstieg noch eine klimafreundliche Wasserstoffinfrastruktur finden sich im Vorschlag der Kommission. Statt klar auf erneuerbaren Wasserstoff zu setzen, soll der Markt für alle „kohlenstoffarmen Gase“ geöffnet werden, also auch für Wasserstoff auf Basis von fossilen Brennstoffen oder Atomstrom. Der nur begrenzt zur Verfügung stehende Wasserstoff droht zudem als Beimischung im Erdgasnetz zu verschwinden. Die DUH fordert, die Beimischung zu unterbinden und bedarfsabhängig reine Wasserstoffnetze aufzubauen, die vor allem Industriebetriebe mit grünem Wasserstoff versorgen.

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Das Gaspaket ist ein frühes Weihnachtsgeschenk an die Gasindustrie. Sie kann weiter ohne Enddatum ihr fossiles Gas verkaufen und diesem mit der Beimischung von Wasserstoff auch noch ein grünes Mäntelchen umhängen. Für den Klimaschutz bringt das fast nichts. Im Gegenteil: Es wird versäumt, eine separate und eher dezentrale Infrastruktur für rein grünen Wasserstoff aufzubauen, um zum Beispiel die Stahlindustrie klimafreundlicher zu machen. Stattdessen plant die Kommission, Wasserstoff zur Beheizung von Gebäuden zu verschwenden, obwohl es hier kostengünstigere Alternativen wie Wärmepumpen gibt. Geradezu paradox mutet es da an, dass die Haushaltskunden die Wasserstoffnetze auch noch bezahlen sollen, obwohl sie außer hohen Kosten nichts davon haben. Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten müssen das Paket nun grundsätzlich überarbeiten, damit es einen glaubhaften Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele leistet und Verbraucherinnen und Verbraucher vor unnötigen Kosten bewahrt.“

Die Gasnetzbetreiber sollen zudem laut Kommissions-Vorschlag selbst die Planung der Wasserstoffnetze übernehmen und die Kosten auf die Haushaltskunden umlegen können. Damit wird das alte Modell der Infrastrukturplanung durch die Industrie fortgeführt, obwohl sich das nicht bewährt hat. Denn in Europa wird viel mehr Erdgasinfrastruktur gebaut als zur Versorgungssicherheit gerechtfertigt wäre. Die DUH befürchtet hier weitere Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe. Stattdessen muss der Ausstieg aus Gasheizungen umgesetzt und in der Folge die entsprechende Gas-Verteil-Infrastruktur stillgelegt werden. Aus Sicht der DUH muss fossiles Gas im Wärmesektor schrittweise durch Technologien wie Wärmepumpen und Wärmenetze ersetzt werden. Entsprechende Bestimmungen sucht man in den Vorschlägen der Kommission aber vergeblich.

BUND: „Endlich mehr Tempo bei Gebäudemodernisierung – Versäumnis beim Gasausstieg“

Verena Graichen, stellvertretende Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zu den Vorschlägen der EU-Kommission zur Gebäude- und der Gasmarkt-Richtlinie, die als Teil des europäischen „Fit-for-55-Pakets“ eine Reduzierung der europaweiten CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gewährleisten sollen:

“Die EU will mit energetischen Mindesteffizienzstandards für Gebäude endlich Tempo in die Bewältigung von Klimakrise und Energiearmut bringen. Die Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene nun dafür stark machen, dass sie rechtskräftig werden. Bundesklimaminister Habeck ist gefordert, schon jetzt den Startschuss für eine ambitionierte Umsetzung in Deutschland zu geben. Denn es ist abzusehen, dass der Gebäudebereich erneut sein Sektorziel verfehlt.

Bei der Gasmarktrichtlinie hat es die EU-Kommission dagegen verpasst, ein fixes Enddatum für die Nutzung fossiler Energieträger vorzugeben. Auf europäischer Ebene muss die Infrastrukturplanung auf den vollständigen Ausstieg aus der fossilen Gasnutzung ausgerichtet werden. Ein zukunftsweisendes Gas-Paket darf Erdgas nicht einfach durch fossilen Wasserstoff ersetzen und diesen als ‚kohlenstoffarm‘ neu etikettieren. Nur erneuerbare Gase ermöglichen den Einstieg in die klimaneutrale Gasnutzung. Sie sollten deshalb nicht genauso behandelt werden wie kohlenstoffarme Gase, die konsequenterweise keine öffentliche Förderung erhalten dürfen.”

Hintergrund:

Eine allgemeine Beimischung von bis zu fünf Prozent Wasserstoff in den Gasnetzen ist energetisch ineffizient, teuer und klimapolitisch perspektivlos. Erneuerbare Wasserstoff ist ein knappes Gut, das gezielt und nicht in der Breite eingesetzt werden sollte. Die Bundesregierung muss als wichtige Stimme im Ministerrat dringend nachsteuern und die Einsatzbereiche für Wasserstoff stärker priorisieren. Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampelkoalition vorgenommen, einen Plan für ein Klimaneutralitätsnetz zu entwickeln. Dieser Vision muss sie auch auf EU-Ebene Geltung verschaffen und die Netzbetreiber auf die Einhaltung ambitionierte Klimaziele verpflichten.

Aus dem EU-Factsheet „Wir rüsten unsere Wohnungen und Gebäude für eine grünere Zukunft“

Zusammen mit den am 14. Juli vorgelegten Vorschlägen unterstützt die überarbeitete Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden die Entwicklung umweltfreundlicherer Energiesysteme auf der Grundlage erneuerbarer Energiequellen für unsere Häuser und öffentlichen Gebäude. Damit werden wir

  • Schadstoffemissionen verringern
  • Energie sparen
  • Energiearmut bekämpfen
  • Renovierungen erleichtern
  • die Lebensqualität steigern
  • Arbeitsplätze schaffen und das Wachstum ankurbeln

Auf Gebäude entfallen:

  • 40% des Energieverbrauchs
  • 36% der energiebezogenen Treibhausgasemissionen
  • 75% der Gebäude in der EU sind nicht energieeffizient
  • Voraussichtlich werden 85 bis 95%der Gebäude in der EU im Jahr 2050 noch bestehen

Wichtige Vorschläge Für Wohnungen Und Gebäude

Die überarbeitete Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden wird die Renovierung von Gebäuden erleichtern und die Renovierungsquote steigern, und so den Gebäudebestand in der EU modernisieren und dekarbonisieren. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Umsetzung der Initiative „Renovierungswelle“.

  • Mit der neuen Lastenteilungsverordnung werden Emissionssenkungsziele für bestimmte Sektoren, einschließlich Gebäude, festgelegt, die in allen Mitgliedstaaten bis 2030 erreicht werden sollen.
  • Die Überarbeitung der Energieeffizienzrichtlinie und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie zielt darauf ab, Gebäude noch energieeffizienter zu machen und die Nutzung erneuerbarer Energien in Gebäuden zu steigern.
  • Der Emissionshandel in Bezug auf Brennstoffe für Gebäude wird die Verringerung der Emissionen beschleunigen und Investitionen in erneuerbare Energien und in Energieeffizienz anregen.
  • Der neue Klima-Sozialfonds, der mit Einnahmen aus dem Emissionshandel für die Bereiche Straßenverkehr und Gebäude finanziert wird, soll den Bürgerinnen und Bürgern und insbesondere schutzbedürftigen Haushalten finanzielle Unterstützung für Renovierungen oder Investitionen in Heizsysteme bieten, um einen gerechten Übergang zu gewährleisten.

Förderung von Gebäuderenovierungen und Dekarbonisierung – überarbeitete Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden

Ab 2030 müssen alle neuen Gebäude emissionsfrei sein; neue öffentliche Gebäude müssen bereits 2027 emissionsfrei sein.

Die am schlechtesten abschneidenden 15 % des Gebäudebestands in der EU müssen bis 2030 so modernisiert werden, dass sie gemäß dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz statt der Einstufung G mindestens das Niveau F erreichen, wobei öffentliche und Nichtwohngebäude bis 2027 eine Vorreiterrolle einnehmen. Wohngebäude sollten so renoviert werden, dass sie bis 2030 statt der Einstufung G mindestens die Einstufung F und bis 2033 mindestens E erreichen.

Die Verpflichtung, dass ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegen muss, wird auf Gebäude, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, auf Gebäude, für die ein Mietvertrag verlängert wird, und auf alle öffentlichen Gebäude ausgeweitet.

Verpflichtung zum Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Wohn- und Geschäftsgebäuden und zur Förderung spezieller Parkplätze für Fahrräder.

Gebäude oder Gebäudeteile, die zum Verkauf oder zur Vermietung angeboten werden, müssen über einen Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz verfügen, und die Energieeffizienzklasse und der -indikator sollten in allen Anzeigen angegeben werden.

Die nationalen Gebäuderenovierungspläne werden vollständig in die nationalen Energie- und Klimapläne integriert, um die Vergleichbarkeit und die Nachverfolgung der Fortschritte zu gewährleisten – sie müssen Fahrpläne für den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in der Wärme- und Kälteversorgung bis spätestens 2040 enthalten.

Ein „Gebäuderenovierungspass“ wird den Verbrauchern Zugang zu Informationen ermöglichen und ihre Kosten senken, um ihre Planungen und eine schrittweise Renovierung hin zu einem emissionsfreien Niveau zu erleichtern.

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Renovierungserwägungen in die Vorschriften für öffentliche und private Finanzierungen aufzunehmen und geeignete Instrumente, insbesondere für einkommensschwache Haushalte, einzurichten.

Es wird eine Verfallsklausel für finanzielle Anreize zur Nutzung fossiler Brennstoffe in Gebäuden eingeführt: für die Installation von Heizkesseln, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sollte es ab 2027 keine finanziellen Anreize geben, und die Mitgliedstaaten bekommen die rechtliche Möglichkeit, die Nutzung fossiler Brennstoffe in Gebäuden zu verbieten.

Steigerung der Nutzung Erneuerbarer Energien und Verbesserung der Energieeffizienz in unseren Gebäuden

Die überarbeitete Erneuerbare-Energien-Richtlinie

  • Vereinfachung der Integration erneuerbarer Energien in die Netze (z. B. Entwicklung neuer Technik, Integration von Speicheranlagen und bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit)
  • Stärkere Anreize für die Elektrifizierung (z. B. Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge) und den Einsatz neuer Kraftstoffe (z. B. erneuerbarer Wasserstoff)
  • Förderung der Energieeffizienz und der Kreislaufwirtschaft (z. B. durch eine einfachere Nutzung von Abwärme)

Die verschärfte Energieeffizienzrichtlinie

  • Verpflichtung der Mitgliedstaaten, jährlich mindestens 3% der Gesamtfläche aller öffentlichen Gebäude zu renovieren
  • Festlegung einer neuen Zielvorgabe für die Mitgliedstaaten, den Energieverbrauch im öffentlichen Sektorjährlich um 1,7 % zu senken
  • Energieeffizienzmaßnahmen vorrangig für schutzbedürftige Verbraucher und von Energiearmut betroffene Haushalte
  • Weitere Schritte zur Stärkung der Position der Endkunden – grundlegende vertragliche Rechte in Bezug auf Heizung, Kühlung und Warmwasser
  • Einführung von Richtbeiträgen der Mitgliedstaaten zum EU-weiten Energieeffizienzziel•Einführung einer rechtlichen Anforderung, bei Planungs- und Investitionsentscheidungen die Energieeffizienz an die erste Stelle zu setzen

Strengere Energiesparziele bis 2030

  • Erhöhung der von den Mitgliedstaaten im Jahr 2020 in ihren nationalen Energie- und Klimaplänen zugesagten Ziele um 9%
  • 39% für den Primärenergieverbrauch –  36%für den Endenergieverbrauch
  • Festlegung eines neuen EU-Ziels von 40%für den Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix
  • Festlegung eines Richtwerts von 49% für erneuerbare Energien in Gebäude
  • Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien bei der Fernwärme- und -kälteerzeugung um jährlich 2,1 Prozentpunkte
  • Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien bei der Wärme- und Kälteerzeugung um jährlich 1,1 Prozentpunkte

Deneff: Modernisierungswelle starten

Laut der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. ist die novellierte EU-Gebäude-Energieeffizienz-Richtlinie (EPBD) der Startschuss für eine auch in Deutschland dringend notwendige Welle zur Modernisierung für die Gebäude mit den höchsten Energierechnungen. Sie ergänze damit den Ampel-Koalitionsvertrag um einen Kernbaustein zur Erreichung der Klimaziele. Um die Bürger von steigenden Gas- und CO2-Preisen zu entlasten, fordert die DENEFF die Bundesregierung auf, sich im Europäischen Rat für eine schnelle und ambitionierte Umsetzung einzusetzen. Im Koalitionsvertrag wird zur konkreten Zielerreichung im Gebäudebestand auf die genannte EU-Richtlinie verwiesen.

Nach Plänen der EU-Kommissionen müssten die Mitgliedstaaten verbindliche Standards setzen, nach denen die energetisch schlechtesten Gebäude bis 2030 bzw. 2033 ein moderat besseres Niveau erreichen müssen. In Deutschland beträfe dies voraussichtlich nur Bauten der Nachkriegsjahre, die bis heute nicht einmal teilmodernisiert wurden. Diese energetischen Mindeststandards lieferten den wesentlichen Beitrag zur notwendigen Einsparung von CO2, so die DENEFF. Ohne diese seien die Klimaziele im Gebäudesektor nicht zu erreichen.

Der Ansatz, mit der Modernisierungswelle zuerst dort anzusetzen, wo die Nutzer und Bewohner in den nächsten Jahren sonst am meisten unter stetig steigenden Energiekosten und CO2-Preisen leiden würden, sei auch sozialpolitisch geboten, so die DENEFF. Hierfür gebe es auch großen Rückhalt bei Mietern, Umweltschützern und Eigentümern, so der Verband. Die Mindeststandards könnten, wenn sie durch die im Koalitionsvertrag angekündigte bedarfsgerechte Ausgestaltung der Förderung begleitet werden, die schnelle, sozialverträgliche und wirtschaftliche Modernisierung der energetischen schlechtesten Gebäude ermöglichen.

Laut Berechnungen des Öko-Instituts könnten so bis 2030 mehr als 11 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das ist mehr als die Hälfte der aktuellen Klimaziellücke im Gebäudesektor bis 2030. Auch die großen Energiewende-Studien, wie die Klimapfade des BDI oder die dena-Leitstudie, setzen auf diese Maßnahme. Da die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag explizit angekündigt haben, die Gebäudeinitiativen der EU-Kommission zu unterstützen, zählt die DENEFF nun darauf, dass die neue Bundesregierung hierbei sowohl national als auch in den Verhandlungen im EU-Rat die Umsetzung der Maßnahme vorantreibt. Denn der Kommissionsentwurf müsse noch nachgebessert werden, um auch über 2033 hinaus mehr Planungssicherheit für Eigentümer und den Kapazitätsaufbau in Handwerk und Industrie zu bieten.

Henning Ellermann, Mitglied der Geschäftsleitung der DENEFF: „Wir freuen uns, dass die EU-Kommission jetzt gezielt die energetisch schlechtesten Gebäude mit den höchsten Heizrechnungen verbindlich anpacken möchte. Auch in Deutschland werden die Klimaziele im Gebäudesektor anders nicht erreicht werden können. Die hochgesteckten Klimaambitionen der Ampel sind ohne dieses Instrument nicht viel wert.“

->Quelle: