Berlin hat 12 GW PV-Potenzial

EWG-Studie: Klimaneutrale Energieversorgung Berlins machbar

Das Land Berlin kann bis zum Ende der Dekade seinen Energiebedarf im Verkehr, Strom und Wärme komplett aus erneuerbaren Energien decken. Das wäre sogar kosteneffizienter als das jetzige Energiesystem. Das sind Ergebnisse einer Studie der Energy Watch Group (EWG), die von der Naturstrom Stiftung und der Haleakala Stiftung finanziert wurde.

Dächer ohne PV: Berlin vom Ernst-Reuter-Platz Richtung Südwesten – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Dächer der Hauptstadt bieten Platz für zwölf Gigawatt Photovoltaik. Doch ohne die Hilfe von Brandenburg wird die Hauptstadt den Energiebedarf von Strom, Verkehr und Wärme nicht eigenständig durch erneuerbare Energie decken können. Windkraft und Photoovltaik müssen auch im Umland Berlins massiv ausgebaut werden. Beim Thema Wasserstoffspeicher haben die Autoren der Studie Salzkavernen in Brandenburg in Betracht gezogen.

Als Teil der Bundesrepublik Deutschland, die das Klimaschutzabkommen von Paris völkerrechtlich verpflichtend unterzeichnet hat, sind die Länder Berlin und Brandenburg ebenfalls in der Pflicht, ihre Treibhausgasemissionen zu senken. Die bisherige Zeitplanung der Bundesregierung, aus der sich auch die notwendigen Länderziele ableiten, ist jedoch nicht ausreichend, um die vereinbarte Emissionsreduktion einzuhalten. Mit Beschluss von April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht die Unzulässigkeit des 2019 verabschiedeten Klimaschutzgesetzes der bisherigen Bundesregierung wegen der Unvereinbarkeit dessen Zeitplans für die Emissionsreduktion mit dem Pariser Klimaabkommen beanstandet. Der Beschluss wies damit auch indirekt auf die Notwendigkeit der Entwicklung einer schnelleren und anspruchsvolleren Klimapolitik in Bund und Ländern hin. So würde in dem bislang geplanten Zeitplan das vom Sachverständigenrat für Umweltfragen für Deutschland ausgewiesene Restbudget an CO2-Emissionen bis etwa zum Jahr 2030 aufgebraucht sein.

Die Einhaltung der 1,5 °C-Grenze erfordert schnellere Schritte als geplant und ein Ende aller Treibhausgasemissionen in Deutschland wie auch in Berlin und Brandenburg bis etwa 2030. Der Kern dieser Aufgabe besteht in der Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien in allen Energiesektoren. Herkömmliche Technologien im Bereich der fossilen und nuklearen Energien sind nach der Mehrheit aktueller Kostenrechnungen und auch der neuesten Veröffentlichungen der Internationalen Energieagentur teurer, energetisch ineffizient und auch im Ausbau zu langsam, um einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können.

Für Deutschland hat die Energy Watch Group (EWG) im Sommer ein erstes umfassendes Energie-Szenario veröffentlicht, das den Weg zu einem vollständigen Energieversorgungssystem mit 100% Erneuerbaren Energien bis 2030 aufzeigt. Für Berlin-Brandenburg liegen für den zur Verfügung stehenden Zeitraum bis 2030 bislang noch keine Untersuchungen vor, die ein auf 100% Erneuerbaren Energien basiertes Szenario für alle Sektoren aufzeigen, welches technoökonomisch umsetzbar wäre und die vollständige Bedarfsdeckung auch in winterlichen Dunkelflauten stundengenau gewährleistet.

Ergebnis der Berechnungen ist das vorliegende EWG-Szenario mit einem kostengünstigen Energiesystem, welches den Beitrag der Region Berlin-Brandenburg zum völkerrechtlich verbindlich vereinbarten Klimaziel ermöglicht, ohne von der Entwicklung des deutschen und europäischen Verbundnetzes abhängig bleiben zu müssen. Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung sind die Quantifizierung des erforderlichen Ausbaubedarfs an Erzeugungs-, Umwandlungs- und Energietransportkapazitäten für Ökostrom und grünen Wasserstoff, mit der eine vollständige Umstellung auf 100%Erneuerbare Energien in den nächsten zehn Jahren möglich ist.Die Studie zeigt für Berlin-Brandenburg auf, mit welchem Zielsystem an Erzeugungs-, Sektorenkopplungs- und Speichertechnologien die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien in allen Energiesektoren – Strom, Wärme, Mobilität, industrieller Energieverbrauch – mit Bedarfsdeckung zu jeder Stunde klimaschutzökonomisch und zeitnah bis 2030 gelingen kann.

Zentrale Ergebnisse der Studie: Auf der Erzeugungsseite sind Photovoltaikanlagen auf Gebäuden sowohl in Berlin von heute 0,1 GW auf 11,9 GW, wie auch in Brandenburg von 1,1 GW auf 27 GW auszubauen. Die bereits weit entwickelten Windenergieanlagen in Brandenburg werden von heute knapp 9 GW um rund 3 GW auf 12 GW weiter ausgebaut, um die vollständige Umstellung aller Energiesektoren in der Region Berlin-Brandenburg zu ermöglichen. Damit bleibt der Windkraftausbau in der Größenordnung der aktuellen Ausbaupläne der Brandenburger Landesregierung. Die Ausbauvolumina von Geothermie um 0,7 GW und Bioenergie auf 3,3 GW erscheinen vergleichsweise gering, sind aber dennoch erheblich, um die Kosten für Speicherung insbesondere zur Bedarfsdeckung in Zeiten der Dunkelflaute zu begrenzen.

Der Flächenbedarf der erforderlichen Freiflächen PV benötigt in herkömmlicher Ausführung etwa 0,5% der Landesfläche der Region und kann durch die gemeinsame Flächennutzung von Photovoltaikanlagen mit gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung über Agri-PV weiter gesenkt werden. Der Gesamtenergieverbrauch in Berlin- Brandenburg sinkt um etwa 16% gegenüber heute, insbesondere durch den Effizienzgewinn durch E-Mobilität und Wärmepumpen gegenüber den heutigen dominanten Verbrennungsmotoren und Erdöl-, wie Erdgasheizungen. Das hier vorgestellte EWG Szenario für Berlin-Brandenburg senkt die energiebedingten Treibhausgasemissionen auf Null bis 2030. Die gegenwärtigen bundesweiten Energie-kosten von mindestens 90 Euro pro MWh sinken auf 75 Euro pro MWh. Für die Errichtung der kapitalintensiven Anlagen werden insgesamt 112 Mrd. Euro benötigt. Dies entspricht einem durchschnittlichen Finanzierungsbedarf von knapp 18.400 Euro pro Kopf der Bevölkerung. Dies sollte bei einem pro Kopf Geldvermögen von rund 95.000 Euro im Bundesdurchschnitt auch für Berlin eine finanzierbare Aufgabe darstellen. Entscheidend wird also sein, durch geeignete politische Rahmensetzungen das private Kapital in bürgerlichen Händen für die Energiewende zu mobilisieren. Damit würde der Finanzbedarf der öffentlichen Hand geringgehalten.

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