Entlastung für Ozeane und Mülldeponien durch protein-basierte Biokunststoffe?

Fest und elastisch, aber abbaubar

Mehr als acht Millionenen Tonnen Kunststoff gelangen jedes Jahr in die Ozeane – eine ernste Gefahr für Umwelt und Gesundheit. Biokunststoffe stoßen weltweit auf wachsendes Interesse, ganz einfach, weil sie abbaubar sind. Biokunststoffe mit einem einfachen Verarbeitungsverfahren, starker mechanischer Leistung, guter Biokompatibilität und einstellbaren physikochemischen Eigenschaften zu entwickeln, ist aber nach wie vor eine Herausforderung. In einem Beitrag für Angewandte Chemie haben chinesische Forscher Strukturproteine als Bausteine eingeführt und einen einfachen, umweltfreundlichen Ansatz zur Herstellung verschiedener Kunststoffe auf Proteinbasis präsentiert.

Dazu entwickelten sie einen kosten- und hocheffizienten Produktionsansatz durch Batch-Fermentation von Escherichia coli. Diese Biokunststoffe zeichnen sich durch hohe Plastizität, Biokompatibilität, biologische Abbaubarkeit und hohe Beständigkeit gegenüber organischen Lösungsmitteln aus. Ihre strukturellen und mechanischen Eigenschaften lassen sich präzise steuern. Außerdem wurden in dem Biokunststoffsystem hochdichte Informationsspeicher und hämostatische Anwendungen realisiert. Die anpassungsfähigen Biokunststoffe haben ein großes Potenzial für Anwendungen in zahlreichen Bereichen und sind in der Lage, bis auf die industrielle Ebene zu skalieren.

Ob Verpackung oder Spielzeug, ob Mulchfolie oder Auto: Kunststoffe auf Basis von Erdöl sind allgegenwärtig. Die Nachfrag steigt ebenso wie die Müllberge. Biokunststoffe auf Basis natürlicher Rohstoffe, wie Stärke, sowie synthetischer Biomaterialien, wie Polymilchsäure, zeigten bisher meist mangelhafte Festigkeit, Biokompatibilität und/oder Bioabbaubarkeit. Oft benötigen sie zudem komplexe energieverschlingende Verarbeitungsprozesse sowie giftige Chemikalien.

Dem Team um Jingjing Li und Yawei Liu (Chinesische Akademie der Wissenschaften in Changchun) sowie Bo Wei (The First Medical Center of PLA General Hospital) stellen jetzt neuartige Biokunststoffe mit gezielt einstellbaren Eigenschaften vor. Dazu entwarfen sie zwei Lysin-reiche Proteine und stellten sie in Bakterienkulturen her: „ELP“ ist ein dem Bindegewebsprotein Elastin ähnliches Polypeptid ohne definierte Faltung, das Festigkeit und Elastizität mitbringt. „SRT“ besteht aus ELP- plus kristallinen Segmenten eines Tintenfisch-Proteins mit ß-Faltblatt-Struktur.

ELP (oder SRT) wird über seine Lysin-Amino-Seitengruppen mit einem Polyethylenglykol (PEG)-Derivat quervernetzt. (PEG wird u.a. pharmazeutisch verwendet.) Erfolgt dies in Wasser, kann das Material anschließend einfach in einer „Gussform“ getrocknet werden. Ergebnis ist ein fester, transparenter, lösungsmittelbeständiger Biokunststoff, dessen mechanische Eigenschaften über den Anteil an PEG variiert werden können. So lassen sich Biokunststoffe mit hoher mechanischer Festigkeit bei Raumtemperatur in beliebiger Form herstellen – ohne giftige Chemikalien und aufwendige Verarbeitungsschritte wie Verflüssigung, Extrusion oder Blasformen. In ihrer Bruchspannung übertreffen sie viele kommerzielle Kunststoffe. Ein Problem ist derzeit noch ihr Aufquellen in Wasser.

Wird ELP in Wasser/Glycerin-Lösung vernetzt, geliert das Material zu weichen, elastischen Biokunststoffen. Außerdem stellte das Team durch Nass-Spinnen Biofasern her, die so fest wie manche biotechnologischen Spinnenseiden sind. Das natürliche Enzym Elastase baut die Biokunststoffe vollständig ab.

Spielzeuge aus dem neuen nicht toxischen, mit Lebensmittelfarbe färbbaren Biokunststoff wären denkbar. Auch als Wundkleber kommt das blutstillend wirkende Material in Betracht. Implantate wären zudem nach wenigen Wochen komplett abgebaut.

Für eine Informationsspeicherung könnte ELP zusammen mit Peptiden polymerisiert werden, denen über ihre spezifischen Aminosäuresequenzen Codes einprogrammiert wurden. Per Sequenzierung ließen sich die Informationen später wieder auslesen. Dabei wären höhere Informationsdichten als mit DNA-Datenspeichern möglich.

->Quelle: Juanjuan Su, Kelu Zhao, Yubin Ren, Lai Zhao, Bo Wei, Bin Liu, Yi Zhang, Fan Wang, Jingjing Li, Yawei Liu, Kai Liu, Hongjie Zhang: Biosynthetic Structural Proteins with Super Plasticity, Extraordinary Mechanical Performance, Biodegradability, Biocompatibility and Information Storage Ability; Angewandte Chemie International Edition; 2022https://doi.org/10.1002/ange.202117538