Europas Großbanken finanzieren weiterhin Fossile

Wortbruch der Geldhäuser

Die Zahl der Länder, die sich nach der COP26 vom November in Glasgow zu einem Net-Zero-Ziel verpflichtet haben, ist laut World Resources Institute (WRI) und ClimateWatch bis zum 07.02.2022 auf 83 gestiegen: bis Ende des Jahrhunderts sollen damit fast 75 % der Welt-Emissionen entfallen. Großbritannien hat sich als Vorreiter ausdrücklich dazu verpflichtet, bis 2050 bei allen Treibhausgasen und in allen Sektoren Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Europäische Großbanken, allen voran HSBC, Barclays, Deutsche Bank und BNP Paribas, scheint das nicht zu interessieren: Sie stellten innerhalb eines Jahres nach Vertragsabschluss großen Öl- und Gasfirmen trotz der Netto-Null-Zusagen 29 Milliarden Euro für Investitionen in neue Ölbohrungen und die Erschließung von Gasreserven zur Verfügung. Das veröffentlichte der britische Guardian über einen Bericht von ShareAction am 14.02.2022.

Deutsche Bank-Hochhäuser Frankfurt – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Diese Investitionen scheinen im Widerspruch zu den internationalen Selbstverpflichtungen zu stehen und die Bemühungen um eine schnellere Umstellung auf erneuerbare Energiequellen zu untergraben, so der Bericht. Die Banken haben anerkannt, dass sie eine wichtige Rolle bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen spielen, und Ende April 2021 sind viele der von den Vereinten Nationen unterstützten Net-Zero Banking Alliance (NZBA, siehe solarify.eu/70-billionen-pro-netto-null-emissionen) beigetreten, die von ihnen verlangt, dass sie sich Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen setzen.

Eine Analyse der Kampagnengruppe ShareAction (Al Gore: „…die erste Organisation, die denen eine Stimme gibt, die nicht nur ihr Vermögen, sondern auch ihre Werte investieren wollen“) hat jedoch am 14.02.2022 in ihrem Bericht „Oil & gas expansion – A lose-lose bet for banks and their investors“ (Öl- und Gasexpansion – Eine Verlust-Wette für Banken und Investoren) nachgewiesen, dass 25 Banken, die sich zur Emissionsreduzierung verpflichtet hätten, Darlehen und andere Finanzierungen in Höhe von 33 Milliarden Dollar (30 Milliarden Euro) für 50 Unternehmen mit großen Öl- und Gas-Expansionsplänen bereitgestellt hätten. Zu den Ölkonzernen gehörten ExxonMobil, das versucht habe, sich den Forderungen der Aktionäre nach Emissionssenkungen zu widersetzen, der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco sowie die in London notierten Unternehmen Shell und BP, die in den letzten Monaten enorme Gewinne aus den gestiegenen Gaspreisen erzielt hätten.

Aus dem ShareAction-Bericht: „Die Internationale Energieagentur hat es klar gesagt: Netto-Null bedeutet keine neuen Öl- und Gasprojekte. Dennoch haben europäische Banken seit 2016 über 350 Milliarden Euro für die 50 größten Unternehmen bereitgestellt, die ihre Öl- und Gasproduktion ausbauen. Unsere neuesten Untersuchungen zeigen:

      • HSBC, Barclays und BNP Paribas sind die schlimmsten Übeltäter und haben seit 2016 jeweils 52, 42 und 40,5 Mrd. Euro bereitgestellt.
      • Der Net Zero Banking Alliance ist es bisher nicht gelungen, in diesem kritischen Bereich etwas zu bewirken. Ihre Mitglieder haben seit ihrer Gründung im April letzten Jahres mindestens 33,5 Mrd. Euro an Finanzierungen für die 50 größten Upstream-Öl- und Gasunternehmen bereitgestellt- die Hälfte davon von den vier Gründungsmitgliedern Barclays, BNP Paribas, Deutsche Bank und HSBC.
      • Nur eine Handvoll Banken beschränkt die Finanzierung von Öl- und Gasprojekten, und noch weniger Banken beschränken die Finanzierung von Unternehmen, die ihre Öl- und Gaskapazitäten erweitern. Projektfinanzierungsbeschränkungen allein sind bedeutungslos.“

Finanzierungsvolumen der 25 größten europäischen Banken für 50 Upstream-Öl- und Gasexpansions-Unternehmen zwischen 2016 und 2021 – Tabelle © ShareAction/ profundo.nlshareaction.org/privacy-policy

Klimawissenschaftler und Ökonomen haben angemahnt, das Ende der Öl- und Gasproduktion sei von entscheidender Bedeutung für die Verringerung der weltweiten Kohlenstoffemissionen, Hauptursache der Klimakrise. Für die Banken ist es in jedem Fall das Gegenteil von Win-Win („Lose-Lose“). Xavier Lerin, leitender Forschungsmanager von ShareAction: „Wenn die Öl- und Gasnachfrage in Übereinstimmung mit dem 1,5° C-Szenario zurückgeht, würden die Preise fallen und die Vermögenswerte würden stranden. Wenn andererseits die Nachfrage nicht genug zurückgeht, um die globale Erwärmung auf 1,5° C zu begrenzen, würde die Wirtschaft unter schweren physischen Klimaauswirkungen leiden. In jedem Fall würden Werte von Energieunternehmen, Banken und ihre Investoren vernichtet.“ Mark Campanalde, Gründer von Carbon Tracker, sagte, die Analyse „erinnert Banken daran, dass es keinen Weg zu Netto-Null gibt, der die Finanzierung einer Ausweitung der Produktion fossiler Brennstoffe beinhaltet“. Er fügte hinzu: „Jetzt ist es an der Zeit, dass sich die Banken mit der Wissenschaft auseinandersetzen und ein wissenschaftsbasiertes Moratorium für die Finanzierung neuer Projekte für fossile Brennstoffe ankündigen.“

Die HSBC will am 22. Februar wissenschaftlich fundierte Ziele für Öl-, Gas- und Energieunternehmen veröffentlichen. „Wir verpflichten uns, mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten, um einen Übergang zu einer florierenden kohlenstoffarmen Wirtschaft zu erreichen“, hieß es.

Barclays hat sich „das Ziel gesetzt, die von uns finanzierten Emissionen aus Energie, einschließlich Kohle, Öl und Gas, bis 2025 um 15 % zu reduzieren“, sowie Beschränkungen für die Exploration fossiler Brennstoffe in der Arktis als Teil ihres „Ziels, bis 2050 eine Netto-Null-Bank zu werden“.

BNP Paribas finanziert nach eigenen Angaben vor allem „europäische Energieunternehmen, die sich weitgehend der Umstellung ihres Modells verschrieben haben“ und die „den Übergang durch die Entwicklung erneuerbarer Energien und anderer transformativer Lösungen beschleunigen werden“.

Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte, dass kohlenstoffintensive Sektoren „nur einen kleinen Teil unseres Kreditgeschäfts ausmachen“ und weniger als bei anderen Banken. Die Bank werde einen „intensiven Dialog mit ihren Kunden führen, um von kohlenstoffintensiven Geschäftsmodellen zu kohlenstoffarmen oder -freien Modellen überzugehen“, fügte der Sprecher hinzu.

Sewing: Transformation als Chance

Deuba-Chef Christian Sewing forderte beim digitalen Neujahrsempfang am 08.02.2022, man müsse „die nachhaltige Transformation als Chance begreifen“: „Es geht um die Transformation zu einer digitalen und nachhaltigen, von Kohlenstoff unabhängigen Wirtschaft. Auch hier stehen tektonische Verschiebungen bevor, die Wirtschaft wird sich bis 2050 neu sortieren. Warum 2050? Weil sich weltweit Staaten, Unternehmen, Finanzinstitute und Fondsgesellschaften verpflichtet haben, bis dahin zu einer fast CO2-freien Welt zu kommen. Ich weiß, dass viele noch meinen, dass das nur Lippenbekenntnisse sind. Nicht-Regierungsorganisationen kritisieren, dass die Ambitionen nicht groß genug seien. Und Klimawandel-Skeptiker halten Nachhaltigkeit für eine Modewelle. Aus meiner Sicht ist beides falsch. Wenn ich allein sehe, was sich gerade in unserer Bank tut, welche Diskussionen wir inzwischen intern führen, um nicht nur den CO2-Ausstoß sondern auch andere Faktoren im Umweltschutz und im Bereich der Menschenrechte in unsere Entscheidungsprozesse zu integrieren – dann kann ich mit viel Überzeugung sagen: Es verändert sich gerade etwas grundlegend.

Ich höre in diesen Tagen immer wieder die Frage, ob wir bereit seien, demnächst noch bestimmte Industrien zu finanzieren. Das beginnt mit energieintensiven Unternehmen, von denen wir viele in Deutschland haben. Es geht über die Bauwirtschaft bis hin zur Rüstungsindustrie, die fürchtet, komplett von Finanzierungen abgeschnitten zu werden. Dazu kann ich nur sagen: Wir als Deutsche Bank haben unsere Werte, unsere Regeln, unsere Prinzipien. Dazu gehört aber auch, unsere Kunden bei ihrer Transformation zu begleiten, um gemeinsam die Basis für eine erfolgreiche Zukunft zu schaffen. So wie wir in der Corona-Pandemie der Wirtschaft geholfen haben, wollen wir auch bei der Transformation Ihrer Geschäftsmodelle zu mehr Nachhaltigkeit Teil der Lösung sein.“

->Quellen: