Auch außerhalb des Waldes kann Kohlenstoff langfristig in Holz gespeichert bleiben
Wie trägt der Wald am effektivsten zum Klimaschutz bei? fragt Stephanie Janssen am 07.04.2022 auf der Internetseite der Universität Hamburg: Die Forstwissenschaftler Leam Martes und Professor Michael Köhl vom Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS der Universität Hamburg belegen, dass mehr Kohlenstoff gespeichert wird, wenn umfassend Holzprodukte produziert werden – und verstärkt Stoffe ersetzen, die bei der Herstellung viel CO2 erzeugen. Dies stehe im Widerspruch zu Naturschutzzielen der Europäischen Union, schreibt Stephanie Janssen am 07.04.2022 auf der Internetseite der Universität Hamburg.
In den neuen Verordnungen der EU werden widersprüchliche Ziele formuliert. Zum einen soll möglichst viel Wald unter Schutz gestellt werden. Denn ohne Holzernte bleibt der Kohlenstoff (C) im Wald gespeichert und die Biodiversität wird besser geschützt. Gleichzeitig sollen jedoch Produkte aus Holz in Zukunft möglichst häufig Stoffe ersetzen, die viele klimaschädliche Emissionen erzeugen. Das Holz wird geerntet und der enthaltene Kohlenstoff bleibt außerhalb des Waldes ebenfalls langfristig gespeichert, zum Beispiel in Häusern und Möbeln. Eine neue Studie zeigt, dass dies der Atmosphäre deutlich mehr CO2 entzieht.
Konkret untersuchten Leam Martes und Michael Köhl die Daten von Wäldern in 19 Landkreisen in und um Hamburg. Aus Informationen zu Baumarten, Größe und Dicke lassen sich die Kohlenstoffgehalte der Wälder bestimmen. Mit Hilfe eines speziellen Rechenmodells analysierten die Forscher verschiedene Optionen der Bewirtschaftung. So wurde für sechs Szenarien – von komplettem Naturschutz ganz ohne Holzernte bis hin zu 100 Prozent Ernte – berechnet, wieviel Kohlenstoff bis zum Jahr 2100 innerhalb und außerhalb des Waldes gebunden würde.
Fazit: Werden alle klimarelevanten Leistungen des Waldes einbezogen, speichert eine intensive Holzernte am meisten Kohlenstoff und hätte somit die beste Klimabilanz. Holzprodukte ersetzen Stoffe wie Stahl, Aluminium oder Plastik, die heute energie- und CO2-intensiv produziert werden müssen. So erzeugt zum Beispiel eine Stahltür mehr als das Anderthalbfache an CO2 als eine Tür aus Holz, Stahlträger in Gebäuden würden fast zweieinhalbmal mehr erzeugen – je nach Lebensdauer der Produkte. Durch Verbrennen von Holz lässt sich zudem nachhaltiger Energie erzeugen als mit fossilen Brennstoffen. Weil Holz zuvor CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen hat, bleibt die CO2-Bilanz dabei Null.
„Wir müssen den Klimaschutz dort verbuchen, wo er stattfindet“, sagt Leam Martes. „Heute kann eine Firma reklamieren, sie heize klimafreundlich, wenn sie Holz statt Erdöl verbrennt. Aber wo wurde das Holz produziert und damit das CO2 der Atmosphäre entzogen? Im Wald. Gerechterweise müsste es sich deshalb positiv auf die Bilanz des Waldes niederschlagen.“ Das tut es aber nicht. Die Kohlenstoffbilanz wird häufig nur innerhalb des Waldes betrachtet, so dass die Ernte von Holz als Minus-Posten verbucht wird. Auf diesem Weg wird der Erhalt von Wald als effektive Klimaschutzmaßnahme, das Fällen für Holzprodukte aber negativ bewertet.
So sieht das Klimapaket der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 vor, mindestens zehn Prozent der Fläche aller Länder unter Naturschutz zu stellen. Für Deutschland würde dies bedeuten, dass rund 40 Prozent der Wälder unter Schutz gestellt werden müssten, weil alternative Flächen fehlen. Dies würde aber ein wichtiges Instrument für den Klimaschutz aushebeln, denn es dürften dort kaum mehr Bäume geerntet werden. Die neue Studie zeigt einen klimafreundlichen Kompromiss: Alle alten Wälder mit Bäumen über 120 Jahre werden geschützt – das sind rund 13 Prozent der norddeutschen Waldfläche. Durch bewirtschaftete Waldflächen könnten dann zusätzlich Millionen Tonnen CO2 dauerhaft der Atmosphäre entzogen werden.
->Quellen: cliccs.uni-hamburg.de/2022-04-07-carbon-forest
Originalpublikation: Martes LM, Köhl M (2022): Improving the contribution of forests to carbon neutrality under different policies – a case study from the Hamburg metropolitan area; Sustainability, 14/4, mdpi.com/2071-1050/14/4/2088