Aus der Luft geholt

Bewertungsrahmen für Potenziale und Risiken der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre entwickelt

Welche Chancen und Risiken stecken in den sogenannten negative Emissionen, mit denen wir der Atmosphäre CO2 entziehen könnten? Forschende des Netto-Null-2050 Clusters der Helmholtz-Klima-Initiative haben unter Federführung von Wissenschaftlern des UFZ Leipzig jetzt einen Bewertungsrahmen dafür entwickelt. Denn um die Grenze des Pariser Abkommens COP21 zu erreichen, reicht es nicht allein, den Ausstoß des Treibhausgases weiter zu reduzieren – so eine UFZ-Medienmitteilung. Um die globale Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, muss der Atmosphäre bereits ausgestoßenes CO2 auch wieder entzogen werden.

HKW Reuter West – im Jahr 2,5 Mio. t CO2, 2.000 t NOx, 57 t Feinstaub, 32 kg Arsenverbindungen, 13,6 kg Hg – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Wälder können zum Beispiel aufgeforstet werden, CO2 lässt sich aus den Emissionen von Bioenergieanlagen abscheiden oder mit technischen Anlagen direkt aus der Luft filtern. Anschließend lässt es sich im Untergrund speichern. Diese Verfahren werden als Kohlestoff-Entnahme-Maßnahmen (Carbon Dioxid Removal, kurz CDR) bezeichnet. Doch wie können wir Potenziale und Risiken solcher Maßnahmen ganzheitlich und kontext-spezifisch bewerten?

Basierend auf aktuellen Studien und der Befragung von Expert haben Forschende der Helmholtz-Klima-Initiative nun erstmals einen speziell an Deutschland angepassten Bewertungsrahmen für CDR-Maßnahmen entwickelt. Dabei berücksichtigen sie neben der Kohlenstoffbilanz von CDR-Maßnahmen (systemische Dimension) auch ökologische, technologische, ökonomische, soziale und institutionelle Aspekte. „Das Tool hat das Ziel, Entscheidungsträger über Chancen und Herausforderungen verschiedener CDR-Maßnahmen zu informieren und somit Vor- und Nachteile von CO2-Entnahme-Maßnahmen besser abzuwägen“, sagt Johannes Förster vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der als Leitautor an der Studie beteiligt war. „In der Realität haben CDR-Maßnahmen vielfältige Auswirkungen. Die einzelnen Dimensionen sind miteinander verflochten. Dadurch können sowohl Synergien als auch Zielkonflikte entstehen.“

Um die Auswirkungen der CDR-Maßnahmen anhand der ermittelten Indikatoren zu bewerten, haben die Forscher ein Ampelsystem entwickelt. „Ist ein Indikator grün, stellt er wahrscheinlich keine Hürde für eine Maßnahme dar, ist er rot, dann schon“, erklärt Förster. Durch das Ampelsystem werde anschaulich deutlich, wo Hindernisse für die Einführung und Umsetzung von CDR-Maßnahmen zu erwarten sind, aber auch wo die Hürden für CDR-Maßnahmen eher gering sind oder gar mit Chancen verbunden sein können. Das Tool kann somit Entscheidungsprozesse unterstützen, jedoch keine Entscheidungen abnehmen: „Um konkrete Entscheidungen in der Praxis unterstützen zu können, bedarf es immer einer kritischen Einordnung und Abwägung verschiedener gesellschaftsrelevanter Informationen. Hier kann unser Bewertungsrahmen bei der Gegenüberstellung und Abwägung der Informationen unterstützen, aber keine Entscheidungen abnehmen.“

So werden zum Beispiel im Rahmen der ökologischen Dimension die Auswirkungen von CDR-Methoden auf die Landnutzung erfasst. „Ist eine CDR Maßnahme mit einem hohen Flächenbedarf – etwa für den Anbau von Biomasse – verbunden, dann hat dies direkte und indirekte Umweltauswirkungen auf Biodiversität, Böden und Wasserhaushalt. Dagegen haben CDR Maßnahmen, bei denen technische Apparaturen CO2 direkt aus der Atmosphäre filtern, oft einen geringeren Flächenbedarf, aber dafür einen hohen Energiebedarf. Der Bewertungsrahmen hilft, diese sehr unterschiedlichen Hürden von CDR-Maßnahmen gegenüberzustellen und in Entscheidungsprozessen einzubeziehen“, so Förster.

Entscheidend für die Umsetzung und Ausweitung von CDR-Maßnahmen ist auch deren Kohlenstoffbilanz und somit deren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Dies wird in der systemischen Dimension des Bewertungsrahmens erfasst. „CDR-Maßnahmen sollen aktiv CO2 aus der Atmosphäre entnehmen, also negative Emissionen generieren, und somit verbleibende Emissionen ausgleichen. Die Kohlenstoffbilanz erlaubt es uns zu bewerten, wie effektiv die einzelnen Maßnahmen sind“, sagt Nadine Mengis vom GEOMAR in Kiel, die zu der Entwicklung dieser Dimension beigetragen hat. Nur wenn CDR Maßnahmen nachweislich negative Emissionen generieren und somit einen substanziellen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten können, mache es Sinn, die verschiedenen Kosten und den Nutzen im Zusammenhang mit der Implementierung von CDR-Maßnahmen abzuwägen.

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