Fünf Thesen zum Ausbau der Windenergie

Handlungsempfehlungen für Entscheider in Politik und Verwaltung veröffentlicht

Deutschland bemüht sich um Klimaneutralität, doch vor allem der Ausbau der Windenergie an Land kommt nur stockend voran. Warum? – Wissenschaftler der Nachwuchsforschungsgruppe Multiple Umweltwirkungen Erneuerbarer Energien (MultiplEE) der Universität Leipzig haben gerade gemeinsam mit Kollegen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) Leipzig einen Policy Brief zu dieser Thematik verfasst, in dem sie der Bundesregierung Handlungsempfehlungen für den angestrebten Ausbau der Windenergie geben und die aktuellen Lösungsvorschläge dazu wissenschaftlich einordnen. Juniorprofessor Paul Lehmann, Leiter von MultiplEE, erläutert das Papier.

Windgeneratoren bei Berlin – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Der Windenergie an Land ausreichend Flächen bereitstellen

Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss die Stromerzeugung aus Windenergie an Land massiv ausgebaut werden. Gegenwärtig werden die Ausbauziele für die Windenergie an Land jedoch deutlich verfehlt. Der stockende Ausbau ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass Flächen für neue Windenergieanlagen zunehmend knapp werden. Dieser Policy Brief skizziert politische Handlungsbedarfe und ordnet die aktuellen Lösungsvorschläge der Bundesregierung ein. Zusammengefasst formulieren wir fünf Kernbotschaften, wie der Windenergie an Land ausreichend Flächen bereitgestellt werden können.

1. Regionale und lokale Flächenausweisung an nationale Ausbaubedarfe koppeln. Bundesweite Flächenvorgaben („2%-Ziel“) können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Sie müssen aber durch positive Anreize zur Flächenausweisung für Länder und Kommunen gestützt werden. Zielverfehlungen müssen sanktioniert werden.
2. Auf pauschale Siedlungsmindestabstände und Waldausschlüsse verzichten. Regionale Schutzinteressen und die Flächenbedarfe für Windenergie können durch die Regionalplanung besser in Einklang gebracht werden. Dafür muss die Regionalplanung einfacher und schneller werden.
3. Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen. Dafür sind vor allem konkretisierte artenschutzrechtliche Vorgaben und besser ausgestattete Genehmigungsbehörden notwendig. Möglichkeiten eines naturverträglichen Anlagenbetriebs sollten dabei ausgeschöpft werden.
4. Flächen-Monitoring stärken. Regionale Planungsträger sollten verpflichtet werden, regelmäßig alle Daten zu ausgewiesenen Windflächen an eine Bundesbehörde zu melden. Zudem müssen die Umweltwirkungen des Windenergieausbaus systematisch erfasst werden.
5. Flächenkonflikte auch durch Effizienz und Suffizienz bei der Stromnutzung entschärfen. Jede eingesparte Flächenkonflikte auch durch Effizienz und Suffizienz bei der Stromnutzung entschärfen. Jede eingesparte Kilowattstunde Strom kann den Ausbaubedarf für die Windenergie an Land und entsprechende Auswirkungen auf Mensch und Natur reduzieren.

Lehmann:

Der Policy Brief fasst Ergebnisse aus der Windenergieforschung der letzten Jahre an der Universität Leipzig sowie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) zusammen. Er richtet sich insbesondere an Entscheider in Politik, Verwaltung und Verbände – aber auch an interessierte Bürger und Bürgerinnen. Kommunen können beispielsweise eine Abgabe von den Windparkbetreibern erhalten. Bislang ist die Zahlung für die Betriebe freiwillig. Diese Art der finanziellen Beteiligung könnte durch eine verpflichtende Abgabe gestärkt werden. Möglicherweise muss die Abgabe auch erhöht werden. Bisher erhalten Kommunen in der Nähe eines Windrads ungefähr 20.000 Euro pro Jahr und Windrad. Und auch Bürger und Bürgerinnen könnten noch stärker von den Windenergieanlagen vor Ort profitieren – etwa durch vergünstigte Stromtarife oder Bürgerenergiegenossenschaften. Es ist daher gut, dass die Bundesregierung die Förderbedingungen für Bürgerenergiegenossenschaften vereinfachen will.

Ein Mindestschutz von Anwohnern wird immer gewahrt sein. Das Bundesimmissionsschutzgesetz legt Mindestabstände zwischen Windrädern und Siedlungen fest, um Menschen vor Lärm zu schützen. Diese Regeln würden weiter gelten. Abgeschafft werden sollten jedoch pauschale Siedlungsmindestabstände, die noch mal deutlich über die Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes hinausgehen. Die pauschalen Mindestabstände zu Siedlungen reduzieren die verfügbaren Flächen für die Windenergie drastisch. Sie können auch dazu führen, dass Windenergieanlagen von Siedlungen weg hin in ökologisch sensiblere Bereiche verdrängt werden. Letztlich schaffen die aktuellen, pauschalen Siedlungsmindestabstände so auch viele neue Konflikte. Damit ein Verzicht auf pauschale Siedlungsmindestabstände gesellschaftlich akzeptiert wird, braucht es mehr Bewusstsein für diese Aspekte.

Konkretisiert werden müssen insbesondere die Regelungen für das artenschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für neue Windräder. Welche Tierarten müssen dafür berücksichtigt werden? Wann genau besteht ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für diese Tierarten? Unter welchen Bedingungen können artenschutzrechtliche Ausnahmen gewährt werden? Bislang wird das mehr oder weniger verbindlich durch jedes Bundesland selbst geregelt. Die Bundesländer haben sich nie auf gemeinsame Standards verständigen können. Es ist daher gut und sinnvoll, dass Bundesumweltministerium und Bundeswirtschaftsministerium nun konkretisierte und bundesweit einheitliche Regelungen festlegen wollen.“

Ausweitung des Flächen-Monitorings empfohlen

Lehmann: „Im letzten Jahr wurde ein Bund-Länder-Kooperationsausschuss eingesetzt, um unter anderem ein Flächen-Monitoring auf den Weg zu bringen. Der Bericht des Ausschusses enthält bislang aber nur sehr grobe Daten dazu, wie viele Flächen die Bundesländer in der Summe für die Windenergie bereitstellen. Benötigt werden räumlich viel höher aufgelöste Daten. Nur so kann man feststellen, inwieweit die Flächen überhaupt für die Windenergie geeignet sind und wie viele Windräder dort bereits stehen. Diese Informationen sind notwendig, um abschätzen zu können, ob die Flächen für die Erreichung der Energiewendeziele ausreichen. Die Sammlung dieser Daten ist bislang extrem aufwendig. Sie liegen dezentral bei Ländern, regionalen Planungsverbänden und Kommunen. Diese Planungsträger sollten daher zukünftig verpflichtet werden, ihre Daten regelmäßig an eine Bundesbehörde zu melden.“

->Quellen: