Neue Plug-in Hybridfahrzeuge fressen mehr Sprit als Vorgänger

9.000 Autos untersucht: Im Schnitt deutlich über den offiziellen Testzyklen

Auf Plug-in-Autos entfielen im ersten Quartal 2022 etwa 9 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen in Europa. Ausgestattet mit einem Verbrennungsmotor und einem Elektroantrieb ist ihr Beitrag zur Emissionsminderung stark abhängig vom realen Nutzungsverhalten. Für eine gemeinsame, am 09.06.2022 publizierte Studie untersuchten das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI sowie die gemeinnützige Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) umfangreiches Datenmaterial zur realen Nutzung von etwa 9.000 Plug-in-Hybridfahrzeugen aus ganz Europa. Das Kernergebnis zeigt: Die Fahrzeuge verbrauchen im Schnitt deutlich mehr als in den offiziellen Testzyklen – und sind zuletzt sogar angestiegen.

Hybrid-Fahrzeug – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Für ihre statistischen Analysen nutzten die Forscher unter anderem anonymisierte Daten, die Fahrzeughalter freiwillig an Online-Portale wie Spritmonitor.de oder im Rahmen früherer Befragungen übermittelt hatten. Einbezogen wurden auch Auswertungen zu Firmenfahrzeugen, die Flottenkunden zur Verfügung stellten.

Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfeld Energiewirtschaft am Fraunhofer ISI und Hauptautor der Studie, fasst eines der Kernergebnisse zusammen: „Im Mittel fallen die realen Kraftstoffverbräuche und CO2-Emissionen von Plug-in-Hybridfahrzeugen bei privaten Haltern in Deutschland und anderen europäischen Ländern etwa dreimal so hoch aus wie im offiziellen Testzyklus, während die Werte bei Dienstwagen sogar etwa fünfmal so hoch sind.“

Damit ist die Abweichung zwischen offiziellen Angaben und realen Erfahrungswerten bei Plug-in-Hybridfahrzeugen sehr viel größer als bei Fahrzeugen mit konventionellem Verbrennungsmotor. Der reale Kraftstoffverbrauch liegt für private Plug-in-Hybride im Durchschnitt bei etwa 4,0 bis 4,4 Litern je 100 Kilometern. Bei Dienstwagen sind es sogar 7,6 bis 8,4 Liter. Laut offiziellem Testverfahren liegt der Verbrauch im Durchschnitt dagegen bei circa 1,6 bzw. 1,7 Litern je 100 Kilometern. Jeder darüber hinaus verbrannte Liter Benzin ist nicht nur teuer, sondern entspricht einer Überschreitung der Emissionen, die laut CO2-Standards der EU für die Neuwagenflotten der Hersteller vorgesehen sind.

Neue Untersuchung zeigt Anstieg bei Abweichung vom durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch

Gegenüber einer früheren Untersuchung von Fraunhofer ISI und ICCT aus dem Jahr 2020 ist die Abweichung von Plug-in-Hybridfahrzeugen sogar noch weiter angestiegen. „Plug-in-Hybride, welche nach der neuen WLTP-Norm zertifiziert sind, weisen tendenziell eine noch höhere Abweichung auf als ältere, NEFZ-zertifizierte Modelle.“, so Georg Bieker, einer der Mitautor.

Jedes Jahr steigt die Abweichung zwischen offiziellen und realen Kraftstoffverbräuchen und CO2-Emissionen um etwa 0,1 bis 0,2 Liter je 100 Kilometer an, fanden die Forscher:innen bei ihrer Datenanalyse heraus. Im Durchschnitt erbringen rein privat genutzte Plug-in-Hybride lediglich etwa 45 bis 49 Prozent ihrer Fahrleistung weitgehend elektrisch, bei Dienstwagen sind es sogar lediglich 11 bis 15 Prozent.

Die Forscher des Fraunhofer ISI und des ICCT leiten aus ihren Studienergebnissen konkrete Handlungsempfehlungen ab: „Um die Überschreitung der offiziellen Emissionen nicht weiter zu erhöhen, sollten Förderinstrumente wie Kaufprämien und reduzierte Dienstwagenbesteuerung an den Nachweis eines elektrischen Fahranteils von etwa 80% oder einen Verbrauch von etwa 2 Litern pro 100 km im realen Betrieb geknüpft sein“ empfiehlt ICCT-Direktor Peter Mock der Bundesregierung. Darüber hinaus sollte der Utility Factor, welcher im WLTP den angenommenen elektrischen Fahranteil von Plug-in-Hybriden angibt, an die reale Nutzung angepasst werden. Mit einer aktuellen Gesetzesinitiative greift die Europäische Kommissionen diesen Vorschlag bereits auf.

Handlungsempfehlungendes ICCT

  • „In der WLTP-Typgenehmigung sollten die Annahmen zur PHEV-Nutzung an die empirischen Erkenntnisse angepasst werden. Durch eine angepasste Skalierung der bestehenden Formel für den angenommenen Fahranteil im Charge- Depleting-Modus (dem Utility Factor – UF) kann die reale Nutzung von PHEV genauer dargestellt werden. Die ausgewerteten Daten von fast 9.000 Fahrzeugen aus vielen europäischen Ländern ermöglichen eine sofortige Anpassung. Die Nutzungsannahmen könnten später auf der Grundlage von flottenweiten Daten aus On-Board Fuel Consumption Monitoring (OBFCM)-Geräten weiter verfeinert werden, aber solche Daten werden erst in einigen Jahren zur Verfügung stehen. Die vorliegende Studie von ICCT und Fraunhofer ISI bietet eine Lösung, die bereits heute umgesetzt werden kann: Der Parameter dn = 800 km in der UF-Verordnung kann durch einen realistischeren Wert von dn = 4.260 km ersetzt werden. PHEV sollten von der Anrechnung als Zero- and Low-Emission Vehicles (ZLEV) in den CO2-Standards ausgeschlossen werden. Da die realen CO2-Emissionen von PHEV wesentlich höher als in der Typgenehmigung sind, sollten sie bei den Gutschriften für ZLEV im Rahmen der CO2-Standards der Europäischen Union nicht berücksichtigt werden. Alternativ könnten nur solche Fahrzeuge berücksichtigt werden, die die Ziele für niedrige Emissionen auch im realen Betrieb erreichen.
  • Kaufprämien und Steuervorteile für PHEV sollten abgeschafft oder auf Fahrzeuge mit nachweislich niedrigem Kraftstoffverbrauch oder hohem elektrischen Fahranteil beschränkt werden. Auf der Ebene der einzelnen Nutzer:innen sollten steuerliche Anreize wie Kaufprämien und Steuervorteile für PHEV nur dann gewährt werden, wenn Nutzer einen Kraftstoffverbrauch von weniger als etwa 2 l/100 km oder einen elektrischen Fahranteil von mindestens 80% nachweisen können. Ein elektrischer Fahranteil von 50% würde je nach Fahrzeugmodell immer noch einem etwa zwei- bis dreimal höheren Kraftstoffverbrauch als in den WLTP-Werten entsprechen. Auf der Ebene der Fahrzeugmodelle sollten die Anreize für PHEV auf Fahrzeuge beschränkt werden, die den Nutzer:innen einen niedrigen Kraftstoffverbrauch und einen hohen elektrischen Fahranteil ermöglichen. Reale Daten über den Kraftstoffverbrauch und den elektrischen Fahranteil können durch OBFCM-Geräte erfasst werden.
  • Anhebung der geforderten WLTP äquivalenten rein elektrischen Reichweite auf etwa 90 km. Um den Nutzer:innen die Möglichkeit zu geben, auch bei längeren täglichen Fahrstrecken, kaltem Wetter und hohen Geschwindigkeiten einen hohen elektrischen Fahranteil und einen niedrigen Kraftstoffverbrauch zu realisieren, könnte die Förderung von PHEV auf Fahrzeugmodelle mit einer hohen elektrischen Reichweite beschränkt werden. Da die Studie außerdem feststellt, dass ein höherer Kraftstoffverbrauch mit einer höheren maximalen Systemleistung korreliert, die in der Regel vom Verbrennungsmotor dominiert wird, sollte die Leistung des Verbrennungsmotors begrenzt werden. Dies könnte durch die Festlegung eines Mindestverhältnisses zwischen der Leistung des Elektromotors und der Leistung des Verbrennungsmotors von 40%–50% erreicht werden. Dieses würde auch bei kaltem Wetter und höherer Leistungsbelastung ein rein elektrisches Fahren ermöglichen.“

Langfristig lassen sich mit den hohen realen Emissionen von Plug-in-Hybriden die Klimaziele Deutschlands und der Europäischen Union nicht erreichen. Wie von der Kommission für die künftigen CO2-Standards vorgeschlagen, sollten daher ab dem Jahr 2035 keine neuen Plug-in-Hybride mehr zugelassen werden. Eine entscheidende Abstimmung der Umweltminister:innen der EU-Mitgliedsstaaten wird hierzu für den 28.06.2022 erwartet.

->Quellen und weitere Informationen: