Emissionsbilanzen im Lebensmittelsektor

Gemeinsame Verantwortung entlang der Wertschöpfungskette

Ein neuer Ansatz für die Bilanzierung der im Lebensmittelsektor verursachten Emissionen, der auch den Agrarhandel berücksichtigt, könnte dazu beitragen, die Ziele der Treibhausgas-Reduzierung zu erreichen. Eine Studie, die jetzt open access in Nature Communications veröffentlicht wurde, kommt zu dem Schluss, dass es erhebliche Auswirkungen haben könnte, wenn die Verantwortung für die Emissionsminderung auf alle Länder entlang der Wertschöpfungskette eines Produkts verteilt wird.

Der Welthandel mit landwirtschaftlichen Gütern hat sich in den vergangenen 40 Jahren versechsfacht – Kräne im Hafen von Barcelona – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

„Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist es von zentraler Bedeutung, die Emissionen im Lebensmittelsektor zu verringern, da dieser Sektor allein für etwa ein Drittel aller Emissionen verantwortlich ist, wenn man die gesamte Kette von der Produktion über die Verarbeitung und den Transport bis zur Landnutzung betrachtet. Um das zu erreichen, muss man wissen, wo und wie viele Emissionen anfallen – die so genannte Emissionsbilanzierung“, erklärt Prajal Pradhan, Studienautor vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

„Klassischerweise gibt es zwei Möglichkeiten, die bei der Produktion von Lebensmitteln anfallenden Tonnen Kohlenstoff zu zählen: Entweder im Erzeugerland, also am Hoftor, oder am Ende der Kette, also auf dem Teller. Während beide Ansätze die gleiche Gesamtmenge an Emissionen ergeben, macht die Stelle, an dem die Emissionen gezählt werden, einen großen Unterschied, insbesondere wenn es um die Verantwortung geht.“

Hier komme die Idee der handelsbereinigten Emissionen ins Spiel. Der Welthandel mit landwirtschaftlichen Gütern habe sich in den letzten 40 Jahren versechsfacht, was den Wert der Importe angehet, und sei gleichzeitig komplexer geworden. In vielen Fällen gehe ein Produkt nicht direkt vom Erzeuger- zum Verbraucherland, sondern durchlaufe Zwischenländer, die auf dem Weg des Produkts über den Globus einen Gewinn erzielten, so Pradhan weiter.

Das Forscherteam des PIK und der Universität Landau habe diese Zwischenhändler in die Bilanzierung einbezogen, indem es einen Ansatz für die Emissionsbilanzierung gewählt habe, bei dem die von den Ländern gemeldeten Handelsdaten verwendet würden. Damit sei die Basis der Verantwortung auf alle drei Bereiche erweitert worden: Produzenten, Verbraucher und Zwischenhändler.

„Auf diese Weise wird jeder in der Wertschöpfungskette in die Lage versetzt, sich zum Besseren zu verändern“, erklärt Adrian Foong, Hauptautor der Studie. „Wenn die Emissionen wie hier vorgeschlagen berücksichtigt würden, hätten die Zwischenhändler einen Anreiz, ihre Waren verantwortungsbewusster zu beschaffen, also Waren zu wählen, die mit weniger Emissionen pro Stück hergestellt werden – was wir als „Emissionsintensität“ bezeichnen. Eine Auswirkung könnte sein, dass Länder mit hohem Einkommen – Händler oder Verbraucher – mehr Technologietransfer in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen betreiben, um die Emissionsintensität zu senken und dadurch ihre eigene Emissionslast zu verringern.“

Aber es gebe noch mehr Anwendungsfälle, wie Jürgen Kropp, stellvertretender Vorsitzender der PIK-Forschungsabteilung für Klimaresilienz, erklärt: „Ein weiterer interessanter Anwendungsfall wären bilaterale Handelsabkommen oder sogar emissionsbezogene Zölle: Wenn man Emissionen einbezieht, die den Handel mit landwirtschaftlichen Gütern widerspiegeln, gibt es einen größeren Hebel, um Länder dazu zu bringen, ihre Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu verstärken.“

„Die Ergebnisse dieser Studie tragen zu den jüngsten Diskussionen über die Berücksichtigung von Kohlenstoffemissionen in EU-Handelsvorschriften bei“, fügt Oliver Frör, Autor und Forscher an der Universität Landau, hinzu: „Unsere Berechnungen der handelsbezogenen Emissionen im Lebensmittelsektor zeigen deutlich, dass alle emissionsbezogenen Handelsregelungen wie der diskutierte Kohlenstoffgrenzausgleich landwirtschaftliche Güter und Lebensmittel einbeziehen müssen, um wirksam zu sein“.

Die Einbeziehung von Zwischenhändlern in die Emissionsberechnungen bedeutet jedoch nicht, dass die anderen Enden der Kette, Produzenten und Verbraucher, nicht mehr in der Verantwortung stehen. Jürgen Kropp: „Um den großen Teil der globalen Emissionen, die auf unser Ernährungssystem zurückzuführen sind, nachhaltig zu verändern, müssen wir die Produktion grundsätzlich nachhaltiger gestalten und auch die Konsummuster ändern: Mehr Obst und Gemüse, weniger Abfall.“

->Quellen und mehr: