EU-Verordnung gegen Entwaldung durch EU-Lieferketten

Regeln für Fleisch, Holz, Papier und Futterpflanzen

Klimawandel: Neue Regeln gegen weltweite Entwaldung durch EU-Konsum – Zwischen 1990 und 2020 ging eine Fläche größer als die EU durch Abholzung verloren, der EU-Verbrauch machte dabei rund 10% der Verluste aus. Um den Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt zu bekämpfen, fordert das Europäische Parlament, dass in der EU verkaufte Produkte nicht von abgeholzten oder degradierten Wäldern stammen. Das Plenum des Europäischen Parlaments hat am 13.09.2022 mit 453 Stimmen bei 57 Gegenstimmen und 123 Enthaltungen in Straßburg seinen Standpunkt zur Verordnung über Entwaldungsfreie Lieferketten angenommen.

Biomasse Fichtenwald in der Mark – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Das neue Gesetz würde den Unternehmen eine Sorgfaltspflicht auferlegen. Sie müssten weltweit überprüfen, dass in der EU verkaufte Waren nicht auf abgeholzten oder degradierten Flächen hergestellt wurden. Dies würde den Verbraucher*innen garantieren, dass die von ihnen gekauften Produkte nicht zur Zerstörung von Wäldern, einschließlich unersetzlicher Tropenwälder, beitragen. So würde auch der Beitrag der EU zum Klimawandel und zum Verlust der biologischen Vielfalt verringert.

Die Europaabgeordneten fordern außerdem, dass Unternehmen nachweisen, dass Waren im Einklang mit internationalen Menschenrechtsbestimmungen hergestellt werden und die Rechte der indigenen Völker dabei respektiert werden.

Ausweitung des Geltungsbereichs

Der Vorschlag der Kommission bezog sich auf Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz. Dazu gehören auch Produkte, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder aus ihnen hergestellt wurden wie etwa Leder, Schokolade und Möbel.

Das Europäische Parlament will nun auch Schweinefleisch, Schafe und Ziegen, Geflügel, Mais und Kautschuk sowie Holzkohle und bedruckte Papierprodukte einbeziehen. Auch soll der Stichtag um ein Jahr auf den 31. Dezember 2019 vorverlegen. Nach Inkrafttreten der Verordnung dürften keine der betroffenen Produktgruppen mehr auf den EU-Markt gelangen, wenn sie auf Flächen hergestellt wurden, die nach Ende 2019 der Entwaldung oder Waldschädigung zum Opfer gefallen sind.

Das Parlament möchte außerdem zusätzliche Auflagen für Finanzinstitute, damit deren Aktivitäten nicht zur Entwaldung beitragen.

Sorgfaltspflicht und Kontrolle

Kein Land und kein Rohstoff sollen grundsätzlich ausgeschlossen werden. Unternehmen müssten jedoch die Risiken in ihren Lieferketten für den EU-Markt mit der gebotenen Sorgfalt bewerten. Sie können etwa Satellitenüberwachungsinstrumente, Vor-Ort-Kontrollen, den Aufbau von Kapazitäten bei den Lieferanten oder Isotopentests einsetzen, um zu prüfen, woher die Produkte stammen. Die EU-Behörden hätten Zugang zu den relevanten Informationen, wie etwa den geografischen Koordinaten. Anonymisierte Daten würden der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Auf der Grundlage einer transparenten Bewertung müsste die Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung Länder oder Teile davon in die Kategorien geringes, normales oder hohes Risiko einteilen. Für Produkte aus Ländern mit geringem Risiko gelten dann weniger Verpflichtungen.

Zitat

Nach der Abstimmung sagte der Berichterstatter Christophe Hansen (EVP, LU): „Wir nehmen den Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt ernst. Da die EU für etwa 10 % der weltweiten Entwaldung verantwortlich ist, haben wir keine andere Wahl, als unsere Anstrengungen zu verstärken, um die weltweite Entwaldung zu stoppen. Wenn wir das richtige Gleichgewicht zwischen Ehrgeiz, Anwendbarkeit und WTO-Kompatibilität finden, hat dieses neue Instrument das Potenzial, den Weg zu entwaldungsfreien Lieferketten zu ebnen.“

Hintergrund

Das Parlament ist nun bereit, mit den EU-Mitgliedstaaten Verhandlungen über das endgültige Gesetz aufzunehmen.Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass zwischen 1990 und 2020 420 Millionen Hektar Wald – eine Fläche größer als die EU – durch Entwaldung verloren gegangen sind. Der EU-Verbrauch macht etwa 10 % der weltweiten Entwaldung aus. Palmöl und Soja machen davon mehr als zwei Drittel aus.

Im Oktober 2020 machte das Parlament von seinem im Vertrag verankerten Vorrecht Gebrauch und forderte die Kommission auf, Rechtsvorschriften vorzulegen, um die von der EU verursachte weltweite Entwaldung zu stoppen.

Kommentare – Guter Tag für internationale Wälder!

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Agrarausschuss und Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments war Schattenberichterstatter im Agrarausschuss: „Heute ist ein guter Tag für den Schutz der internationalen Wälder! Wermutstropfen bleibt, dass Savannen wie der Serrado nicht unter den Geltungsbereich der Verordnung fallen und die Prüfung der Aufnahme dieser wertvollen Ökosysteme erst nach der Verabschiedung des Gesetzes erfolgen soll. Dennoch ist die Position des Parlaments im Großen und Ganzen nun sehr ambitioniert. Positiv hervorzuheben ist auch, dass wir die Banken mit in die Verantwortung genommen haben. Nun bleibt zu hoffen, dass der Rat der EU-Mitgliedsländer entschlossen mitgeht! Ohne die Rettung der Wälder lässt sich die Klimakrise nicht aufhalten. Das müssen sich alle Beteiligten bewusst machen.“

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Die Abstimmung des EU-Parlaments heute ist ein wichtiger Schritt für den Wald- und Klimaschutz. Die Abgeordneten haben für ein Gesetz gestimmt, das erstmals Produkte aus Entwaldung vom EU-Markt ausschließen und verbindliche Sorgfaltsregeln für Unternehmen festschreiben soll. Unternehmen in der EU dürfen damit nicht mehr folgenlos Produkte aus Naturzerstörung verkaufen. Versuche, die Verordnung abzuschwächen, beispielsweise durch eine Aufweichung der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit oder die Ausnahme wichtiger Entwaldungstreiber wie Leder, hat die Mehrheit der EU-Abgeordneten abgewehrt. Zudem hat das Parlament den Schutz anderer Ökosysteme wie etwa Waldsavannen aufgenommen. Gut so! Ein großartiger Erfolg insbesondere der Umweltverbände ist außerdem die Aufnahme des Finanzsektors in die Verordnung. Das ist ein starkes Votum, damit Finanzakteure nicht weiter ungehindert Milliarden in Unternehmen investieren dürfen, die mit Entwaldung in Verbindung stehen. Die EU-Kommission und der EU-Rat müssen sich dem Votum des Parlaments nun anschließen. Wir erwarten, dass die Bundesregierung jetzt die Position des Parlaments aktiv vorantreibt.“

Gesche Jürgens, Wald-Expertin von Greenpeace Deutschland: “Niemand möchte, dass der eigene Wocheneinkauf mit massiver Abholzung, Brandrodung und der Verletzung von Menschenrechten in Verbindung steht. Die heutige Abstimmung im EU-Parlament ist ein riesiger Schritt in diese Richtung, denn: Bisher standen nur Palmöl, Soja, Kaffee, Kakao, Rinder und Holz auf der Liste. Heute hat das Parlament außerdem Kautschuk, Mais und das Fleisch anderer Tiere, wie Schweinen, Schafen, Ziegen und Geflügel, anerkannt. Zusätzlich soll die Verordnung die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften stärken, deren Lebensräume häufig illegalerweise für Agrarflächen gerodet werden. Produkte aus solchen Gebieten dürfen dann in Zukunft nicht mehr in der EU verkauft werden. Außerdem soll die Verordnung europäische Finanzinstitute verpflichten, deren Investitionsportfolios auf Verbindungen zu Projekten und Unternehmen, die Waldzerstörung verursachen, zu überprüfen. Das Parlament unterstützt auch die Notwendigkeit, Produkte bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen. Auch schloss sie jegliche Ausnahmen oder Sonderbehandlung für Produkte aus, die unter freiwillige Zertifizierungssysteme fallen. Über diesen Gesetzestext verhandeln in den kommenden Monaten das EU-Parlament, die Mitgliedstaaten und die Kommission. In diesem Trilog liegt es nun an den in Deutschland zuständigen Minister:innen Özdemir und Lemke, dem EU-Parlament zu folgen und sich für eine ehrgeizige finale Verordnung stark zu machen.”

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