Offshore-Windparks verändern marine Ökosysteme

Neue Hereon-Studie belegt den Einfluss von Windparks auf die Küstenökosysteme der Nordsee

Der Ausbau von Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee geht voran. Doch die Konsequenzen für die marine Umwelt, in der sie errichtet werden, sind noch lange nicht vollständig erforscht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Hereon haben zu den Auswirkungen von Windparks bereits in vergangenen Studien wertvolle Erkenntnisse geliefert. In ihrer neuen Veröffentlichung zeigen sie nun, dass großangelegte Windparks die marine Primärproduktion sowie den Sauerstoffgehalt in und außerhalb der Windparkgebiete stark beeinflussen können. Ihre Ergebnisse wurden am 24.11.2022 in Nature Communications Earth & Environment veröffentlicht.

Offshore-Windpark vor Zingst – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Unterschiedliche Windverhältnisse und Strömungen, mehr Niederschlag und ein verändertes Oberflächenklima: Die Auswirkungen von Offshore-Windparks in der Nordsee sind vielseitig und noch nicht vollständig erforscht. Einige davon treten bereits auf, andere sind durch den stetigen Ausbau von Windkraftanlagen zu großangelegten Windparks noch zu erwarten. Um sie besser zu verstehen und noch vorhandene Wissenslücken zu schließen, arbeitet ein Team von Forschenden des Hereon-Instituts für Küstensysteme – Analyse und Modellierung an unterschiedlichen Kernelementen des Problems:So belegte das Team um Nils Christiansen, dass Wirbelschleppen – Luftverwirbelungen, die durch Windturbinen verursacht werden – die Strömung und Schichtung des Wassers unter ihnen verändern.

Aber auch das Klima knapp über der Meeresoberfläche wird nachhaltig verändert, wie ein weiteres Team um Naveed Akhtar zeigen konnte. Die neue Studie unter der Leitung von Ute Daewel bestätigt nun, dass diese Auswirkungen auch zu einer veränderten räumlichen Verteilung der marinen Ökosystemkomponenten führen. Das beinhaltet die Verteilung von Nährstoffen, Phyto- und Zooplankton sowie von Biomasse im Sediment, der Nahrungsgrundlage für viele bodenlebende Organismen. In der Modellstudie geht das Team von den geplanten großflächigen Offshore-Windparks in der Nordsee aus. Für tiefere Meeresgebiete stellten die Forschenden so fest, dass sich der Anteil von biogenem Kohlenstoff im Sediment lokal um 10 Prozent erhöhen würde und die Sauerstoffkonzentration, in einem Gebiet, in dem sie ohnehin sehr niedrig ist, noch weiter sinken könnte.

Langfristige Konsequenzen für das Nahrungsnetz der Nordsee

Zusätzlich würden die bereits belegten Windveränderungen zu einer lokalen Änderung der Primärproduktion von Phytoplankton um bis zu +/- 10 Prozent führen. Und das nicht nur in den Windparkgebieten selbst, sondern auch verteilt in der gesamten südlichen Nordsee. Das bedeutet, auch wenn die Gesamtproduktion in der Region sich nur sehr gering verändert, kommt es zu einer räumlichen Umverteilung der Produktion. Das hat auch Konsequenzen für die Verteilung des Zooplanktons – der Nahrungsgrundlage für viele Fischarten. Insbesondere Jungfische sind oft auf die Verfügbarkeit von Zooplankton „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ angewiesen. Eine räumliche und zeitliche Umstrukturierung der Zooplanktonverteilung kann diese Prozessketten beeinflussen und damit die Menge des vorhandenen Fischs positiv oder negativ beeinflussen. Die geringe Veränderung in der Primärproduktion hätte so nachhaltige Auswirkungen auf das gesamte Nahrungsnetz in der südlichen Nordsee.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass der umfangreiche Ausbau der Offshore Windparks einen erheblichen Einfluss auf die Strukturierung der marinen Küstenökosysteme haben wird. Diese Auswirkungen müssen wir schnell besser verstehen und auch im Management der Küstenökosysteme berücksichtigen.“, so Daewels Fazit.

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