Mikroplastik in Foraminiferen

Mögliche Folgen für die Umwelt

Strahlend weiße tropische Strände sind begehrte Sehnsuchtsorte für viele Erholungssuchende. Doch wie nehmen wir solche Strände wahr, wenn wir befürchten müssen, dass sie zu einem nicht unerheblichen Teil aus – für unser Auge unsichtbarem – Mikro- und Nanoplastik bestehen? Einzeller mit Kalkgehäuse, Foraminiferen genannt, tragen maßgeblich zur Entstehung von Sand bei, der an Stränden, Inseln und Küstengebieten abgelagert wird. Forscher:innen des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) haben nun erstmals festgestellt, dass Foraminiferen kleinste Plastikteilchen aufnehmen und in ihre Kalkschale einbauen können. Die Ergebnisse wurden in Scientific Reports und Limnology and Oceanography Letters *) (beide open access) publiziert.

Die große Anzahl fluoreszierender gelber Punkte in dieser Foraminifere sind aufgenommene Nanoplastikteilchen – Foto © Marlena Joppien, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

Tropische Strände werden hauptsächlich von kalkbildenden Meerestieren wie Korallen, Muscheln und Schnecken gebildet. Dass Korallen Mikroplastik in ihr Kalkskelett einbauen, ist bereits in Studien belegt worden. In einigen Weltregionen, wie Indonesien, den Philippinen und Australien, bestehen viele Strände aber größtenteils aus den Kalkschalen von Foraminiferen. Das sind einige Millimeter große Einzeller mit einem schützenden Kalkgehäuse, die weltweit in warmen, flachen Küstenbereichen vorkommen.Finden sich auch in Foraminiferen kleinste Plastikpartikel, wie sie aus unserem Plastikmüll durch Reibung, Salz, Bakterien oder UV-Licht überall im Meer entstehen? Diese Frage stellte sich ein Team von Meeresforscher:innen am ZMT. Da Foraminiferen weltweit in den Ozeanen vorkommen, ihre Gehäuse nicht nur den Strandsand sondern auch große Teile des Sedimentes am Meeresboden bilden und die Struktur von Korallenriffen verfestigen, ist es wichtig zu verstehen, wie die Einzeller mit kleinen Plastikteilchen umgehen.

„Foraminiferen ernähren sich unter anderem von Mikroalgen oder organischen Materialteilchen, die sie am Meeresgrund finden. Mikro- und Nanoplastikpartikel haben ähnliche Größen und könnten leicht für potentielles Futter gehalten werden“, erklärt Marlena Joppien, Erstautorin der Studien.

*) Abstract: Die zunehmende Verschmutzung der Meere mit Mikroplastik hat sich negativ auf die Physiologie der Organismen und die Funktionsweise der Ökosysteme ausgewirkt. Während frühere Studien die negativen Auswirkungen von Mikroplastik auf Korallenrifftiere dokumentieren, sind die möglichen Reaktionen von Organismen wie großen benthischen Foraminiferen (LBF) weitgehend unbekannt. Hier dokumentieren wir die Auswirkungen von Mikroplastik auf das heterotrophe Ernährungsverhalten von LBF. Exemplare von Amphistegina gibbosa wurden in drei experimentellen Behandlungen inkubiert: nur Artemia sp. Nauplien; nur unberührte Mikroplastikpartikel; und eine Mischung aus Nauplien und unberührtem Mikroplastik. Die Fütterungsreaktionen wurden 24 Stunden nach Beginn der Behandlungen bewertet. Ein separater Versuch wurde durchgeführt, um die Wirkung von konditioniertem und unbehandeltem Mikroplastik zu vergleichen. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass A. gibbosa in der Lage ist, sich selektiv von Artemia zu ernähren und dabei Interaktionen mit unverändertem Mikroplastik zu vermeiden. Allerdings führt das Vorhandensein von konditioniertem Mikroplastik zu ähnlichen Fütterungsinteraktionsraten wie bei Artemia. Dies deutet darauf hin, dass Mikroplastik mit längerer Verweildauer einen größeren Einfluss auf fakultative Detritivoren haben kann.

Das Team des ZMT setzte in einer Versuchsreihe mehrere Hundert Foraminiferen über einige Wochen in Meerwasserbecken aus. Teils fütterten sie sie mit winzigen Mikro- oder Nanoplastikpartikeln, teils mit natürlichen Nahrungsbrocken oder einer Mischung aus beidem. Dabei beobachteten sie, dass die Foraminiferen zwar die natürliche Nahrung bevorzugten, wenn beides gleichzeitig vorhanden war, aber häufig Plastikteile verspeisten.

Mit einem Fluoreszenzmikroskop konnten die Forscher:innen eine große Anzahl von gelb leuchtenden Nanoplastikpartikeln in den Foraminiferen beobachten. Zwar stieß ein Teil der Einzeller nach den Futterversuchen das Plastik wieder ab, doch rund die Hälfte der Foraminiferen behielt die Plastiklast im Zellinneren. Nach acht Wochen offenbarte dann ein Rasterelektronenmikroskop mit 80.000-facher Vergrößerung, dass viele der Einzeller die Plastikteilchen bereits mit einer Kalkschicht überkrustet hatten und offensichtlich im Begriff waren, sie in ihr Kalkgehäuse einzubauen.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

„Wenn die Plastikpartikel klein genug sind, nehmen die Foraminiferen sie also als Nahrung auf“, berichtet Marleen Stuhr, Co-Autorin der Studien. „Für die Umwelt könnte das Vorteile und Nachteile haben. So könnten die Billionen von Foraminiferen am Meeresgrund eine Senke für Nanoplastik darstellen, also ein System, was dem Ozean Plastik entzieht.“ Ein Problem sieht die Forscherin jedoch in möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Foraminiferen. An Stränden und in flachen Meeresgebieten von Foraminiferen häufig in hoher Dichte von mehr als 1 kg pro m2 abgelagert. Wenn die Einzeller jedoch Plastikpartikel mit der natürlichen Nahrung vertauschen und in ihr Kalkgehäuse einbauen, könnte ihre Fitness, die Bildung der Schalen und deren Stabilität gestört sein – mit Folgen für ihre Population insgesamt. Das wiederum könnte langfristig Auswirkungen auf Küsten und Inseln haben, die bereits unter der Last des Meeresspiegelanstiegs und der Erosion durch immer häufigere und stärkere Sturmfluten sehr zu leiden haben.

->Quellen und Original-Publikationen: