Im Kreislauf wirtschaften – warum?

von Irene Schöne

„Heute ist viel vom Übergang zu einer sogenannten „Kreislaufwirtschaft“ die Rede“,  sagt die ökologische Ökonomin Irene Schöne in diesem exklusiv bei Solarify publizierten Text. „Wirtschaftsunternehmen verwenden diesen Begriff für ihre Produktwerbung, vgl. initiative-frosch.de, oder drucken auf ihre Plastikverpackungen, dass diese recycelbar, bzw. bereits aus recyceltem Material hergestellt sind, wie Flasche 2 aus 50 % Plastik, Flasche 3 aus 60 % Kunststoff oder Flasche 4 sogar aus 100 % recyceltem Plastik.“

Plastikbehälter, recycelbar: (1) „Goldsaft“ der Grafschafter Krautfabrik, Meckenheim, (2) „Vliss Scheuermilch“ von Unilever Deutschland, GmbH, Hamburg, (3) „Edeka Klarspüler“ von Chemolux Germany GmbH, Düsseldorf, (4) „domol Weichspüler“ von Dirk Rossmann GmbH, Burgwedel – Foto © Schöne

Auf der frosch website heißt es: „Unsere Vision: Wir verwenden Plastik immer und immer wieder, anstatt es zu verbrennen, es zu verschiffen, ins Meer zu werfen oder auf gigantischen Deponien irgendwo auf der Welt zu horten.“ Wie das Umwelt Bundesamt feststellte, werden jedoch gesammelte Plastikabfälle überwiegend verbrannt.

Es gibt zudem sogenannte Mehrwegplastikflaschen, vor allem für Getränke, die mit Pfand belegt, gesondert eingesammelt und wieder befüllt werden.

Zu einer Kreislaufwirtschaft überzugehen, wurde von der Projektgruppe „Ökologische Wirtschaft“ beim Öko-Institut, Freiburg, vorgeschlagen. Damit ist ein Übergang zur „Ökonomik 21″ verbunden, d. h. es erfolgt eine Modernisierung der Logik des bisherigen ökonomischen Modells aus dem 18. Jahrhundert. Dazu wird der physikalische Arbeitsbegriff in die Sozialwissenschaften übernommen und so vereinheitlicht. Und die bisher allein auf einen finanziellen Profit (für Menschen) ausgerichtete Wirtschaftsweise wird um einen „Profit für Natur“ erweitert. Nicht länger wird nur die abhängige, bezahlte als richtige Arbeit verstanden, sondern auch die eigenwirtschaftlichen, selbständigen und unbezahlten Tätigkeiten. Das moderne holistische Weltbild löst das mechanistische ab. Im „Kreislauf“zu wirtschaften legitimiert anderes Handeln bei Produzenten, Verbrauchern und Politik. Mögliche Folgewirkungen können so von Produktion und Konsum vermieden werden.

Um zu verstehen, wie das Wort „Kreislaufwirtschaft“ entstanden ist und welche Bedeutung es hat – wenn damit nicht nur ein Modebegriff verwendet wird – sind einige Ausführungen und Hinweise nötig. Seit Oktober 2020 ist ein Bundesgesetz zur Sicherung umweltverträglicher Bewirtschaftung und Wiederverwertung von Abfällen – in Umsetzung (KrWG) der EU-Richtlinien 2008/98 bzw. 2018/851 – in Kraft. Dadurch sollen Abfälle zur Schonung der natürliche Ressourcen und den Schutz von Mensch und Umwelt vermieden und es soll ihre Wiederverwertung gestärkt werden.

Seit Januar 2023 gilt eine sogenannte „Mehrwegangebotspflicht“ für alle „Letztvertreibenden“, welche Lebensmittelverpackungen in den Verkehr bringen. Wie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz auf seiner website notiert, sind „Restaurants, Bistros und Cafés, die Essen für unterwegs verkaufen, … ab 2023 verpflichtet, ihre Produkte sowohl in Einweg- als auch in Mehrwegverpackungen anzubieten. Die Mehrwegvariante darf nicht teurer sein als das Produkt in der Einwegverpackung“.

Als erstes wird nun definiert, was die „Kreislaufwirtschaft“ n i c h t  ist.

  1. Eine Kreislaufwirtschaft hat nichts mit der Theorie vom „Wirtschaftskreislauf“ zu tun (an der beispielsweise Wassily Leontief von den 1920ern bis in die 1930er Jahre u. a. in Kiel gearbeitet hat).

Jeder Studierende der Volkswirtschaftslehre wird früher oder später hören, dass der Begriff vom Wirtschaftskreislauf 300 Jahre alt ist. Er geht auf das damals entwickelte Denkmodell (erstmalig formuliert als „land“, „labour“ und „capital“ von Adam Smith (1723-1790), dem schottischen Moralphilosophen und Steuereinnehmer König Georgs III, der als „Vater“ der ökonomischen Theorie angesehen wird) der „Ökonomik 18 zurück, das bis heute weltweit gilt. Es beruht auf der Definition und dem Einsatz von drei sogenannten Faktoren: „Boden“, „Arbeit“ und „Kapital“. Diese verknüpft der wirtschaftlich selbständig Handelnde so miteinander, dass Produkte hergestellt und an die Verbraucher zu solchen Preisen verkauft werden können, die höher sind als die Produktionskosten.  Daraus ergibt sich für den wirtschaftlich Selbständigen ein finanzieller Profit. Mit dem in der jährlichen Geschäftsbilanz festgehaltenen finanziellen Ergebnis erreicht er sein Ziel der Kapitalverwertung. Es wird in einer Zahl ausgedrückt.

Heute richten wir alle unsere Handlungen entsprechend aus, z. B. wenn wir unsere Arbeitsfähigkeit verkaufen genau so, wie wenn wir beim Einkauf Geld bezahlen. Das ökonomische Prinzip hat zwei Seiten, daran sei erinnert: Mit gegebenen Mitteln ein möglichst großes Ziel erreichen oder ein gegebenes Ziel mit möglichst geringem Mitteleinsatz.

Was den möglichst geringen Mitteleinsatz betrifft, so ist es beispielsweise in der Lebensmittelindustrie inzwischen gang und gäbe, natürliche Nahrungsbestandteile durch synthetische Industrieprodukte zu ersetzen, beispielsweise im Joghurt den Fruchtanteil durch billigere Farb- und Geschmackszusätze. Das macht betriebswirtschaftlich Sinn. Und sogar volkswirtschaftlich, denn wenn daraufhin auftretende allergische Reaktionen der ärztlichen Behandlung bedürfen, werden mehr Ärzte benötigt. Die Kosten für die Behandlung von Kranken steigen. So wächst das System der Krankenbehandlung. „Gesundheit“ bedeutet aber genau das Gegenteil: Nicht zu erkranken und keinen Arzt zu benötigen.

Die bisherige Theorie führt ebenfalls dazu, immer neue Produkte auf den Markt zu bringen. Denn  wenn mehr verkauft werden kann, kann die Kapitalverwertung für die Produzentenseite größer sein:

  • Es werden neue Käuferschichten erschlossen.
  • Gemeinsam genutzte Produkte werden durch individuell nutzbare ersetzt. Statt einen Bus kann man 45 Privatwagen verkaufen, statt einer öffentlichen Telefonzelle tausende von Mobiltelefonen, zumal diese auch noch die Nutzungsdaten festhalten, die dann verarbeitet und weiterverkauft werden können.
  • Durch den Verkauf immer größerer Gebinde wird mehr Absatz möglich, obgleich kleine Menge für den Käufer ausreichend wären. Die Verbraucher können nun nicht länger entsprechend ihrem Bedarf einkaufen, sondern sind gezwungen, größere Mengen zu erwerben, die zu größeren Mengen Abfall führen.
  • Produkte werden mit kürzerer Haltbarkeit (Obsoleszenz) hergestellt, damit sie schneller durch neue Käufe ersetzt werden.
  •  die Füllmenge in Flaschen wird reduziert, der Preis jedoch gleich hoch gelassen.
  • Produkte werden so konstruiert, dass sie nicht reparierbar sind. Samen sind nicht mehr keimfähig. Daher müssen neue gekauft werden.
  • Schließlich werden neue virtuelle Produktangebote auf den Markt gebracht, von der immer bedeutender gewordenen Unterhaltungsindustrie.
  • Und eine der wichtigsten Strategien: Reinigungsmittel werden nicht länger als Pulver  (Scheuerpulver, Waschpulver) angeboten, sondern in Wasser aufgelöst. Damit wird der Übergang von Kartonverpackung zu Plastikflaschen notwendig*). Plastikbehälter sind stabil, leicht und vor allem billig, wenn man von ihren Entsorgungskosten absieht.

*) Beim Waschpulver hat sich diese Vorgehensweise der Industrie allerdings nicht ganz durchgesetzt, vielleicht auch, weil im Begriff bereits das Wort „Pulver“ steckt. Nach wie vor werden hauptsächlich Kartonverpackungen mit Pulver gekauft. Andererseits werden neuerdings auch Haarshampoos trocken als Stück angeboten, die nur in Papier verpackt sind. Ob diese sich einen signifikanten Marktanteil werden verschaffen können, wird sich zeigen.

Auf diese Strategien hat die Verbraucherseite keinen Einfluss. Sie sind gegen ihr Eigeninteresse gerichtet. Sie setzen eine Sichtweise voraus, die die Naturstoffe als unerschöpflich und unendlich verfügbar ansieht. Das Bewusstsein, dass wir auf einem endlichen Planeten leben und die in Millionen Jahren entstandenen Stoffe begrenzt verfügbar sind, war bei den Menschen im 18. Jahrhundert verständlicherweise noch nicht vorhanden – und es ist es auch heute noch nicht überall, wiesen doch damals Teile der Weltkarte sogenannte „weiße Flecken“ auf, weil sie von Europäern noch nicht erforscht waren, obgleich Menschen dort lebten.

Wir machen seitdem  e i n e  einzige Zahl zur Richtschnur unseres Handelns. Das ist einfach, leicht zu verstehen und scheint selbstverständlich, entspricht aber so gar nicht der Realität des Lebens.

Hinzu kommt, wenn die hergestellten Produkte verkauft und damit in die alleinige Verfügung des Käufers übergegangen sind, in ähnlicher Weise, wie der Produzent über die eingekauften Faktoren „Boden“, „Arbeit“ und „Kapital“ verfügt. Es bedeutet den Übergang der Verantwortung vom Produzenten auf den Verbraucher. Obgleich dieser kaum Einfluss auf die Art und Weise der Herstellung und den Einsatz von Stoffen hat, trägt er nun die Verantwortung für die nach der Nutzung entstehenden Abfälle (Post-Consumer-Abfälle). Und deshalb liegt es heute in den Händen der öffentlichen Verwaltung, sich im Namen aller Verbraucher um die sichere, die Gesundheit von Mensch und Natur nicht-gefährdende Wiederverwendung und Lagerung von Abfällen zu kümmern hat. Wir setzen also bisher kaum nicht abfallvermeidend bei den Ursachen, bei der Produktion an, sondern erst am Ende des Gebrauchsprozesses.

In diesem Denkmodell „Ökonomik“ 18 erscheinen Boden=Naturstoffe und die Arbeitsfähigkeit von anderen Menschen als bezahlte, einsetzbare Faktoren. Im Amerikanischen wird das  objectification genannt, etwas Lebendiges wird angesehen, als sei es ein totes Ding. Diese Sicht auf Natur und die menschliche Arbeitsfähigkeit ergibt sich aus dem Interesse des selbständig handeln Könnenden, gilt aber als selbstverständlich, als „natürlich“.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass auch der in der Wirtschaft abhängig Beschäftigte selbständig handeln und eigene Ziele verfolgen kann, und zwar in seinem eigenen Haushalt, in seiner Lebenswelt. Dort verfolgt er nicht allein das Ziel der Kapitalverwertung. Die Arbeit, die er dann und dort selbständig tut, wird jedoch nicht als „richtige Arbeit“ angesehen, weil sie weder mit Geld bewertet, noch gegen Geld getauscht wird.

Dies allein lässt schließen, dass es sich bei dem heutigen ökonomischen Denkmodell um  fragmentierte, aber nicht um wissenschaftlich begründbare Fakten handelt. Eine wissenschaftliche Vorgehensweise würde nämlich alle Arbeit beinhalten, die bezahlte genau so wie die unbezahlte, die abhängige genau so wie die selbständige. Und: Bestand nicht sogar die Hoffnung, dass die lebensweltliche Arbeit die abhängige Beschäftigung so reformieren würde, dass alle Menschen auch in der Arbeitswelt frei seien und sich eigenständige Ziele setzen könnten?

Dazu müssten erstens der Arbeitsbegriff der Naturwissenschaften mit dem der Sozialwissenschaften, der Ökonomik, übereinstimmen. Wir hätten es mit einem Arbeitsbegriff zu tun. Und zweitens müsste die ökonomische Begrifflichkeit von Arbeit eindeutig statt vieldeutig definiert sein, denn die kann vielerlei Bedeutungen einnehmen, einen Auftrag, eine Vorgehensweise, ein Ergebnis oder eine Bezeichnung für alle abhängig Beschäftigten meinen.

Damit impliziert „Ökonomik 18“ einen in selbständige und in abhängige Tätigkeit gespaltenen, lediglich auf die bezahlte, abhängige Tätigkeit ausgerichteten Arbeitsbegriff, genau so wie sie eine Spaltung von (aktiver) Produktion und (passiver) Konsumtion beinhaltet. Selbst die sogenannten Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen fußen noch darauf.

Dass alle Menschen gleiche unveräußerliche Rechte haben, sich frei betätigen können und dass niemand einen anderen als ein Mittel, als einen Faktor zur Erreichung der eigenen Ziele einsetzen soll, davon ist in der „Ökonomik 18“ keine Rede.

Letztlich ist diese Fragmentierung ein Grund dafür, dass Folgewirkungen des Wirtschaftens nicht  erfasst werden, sondern lediglich darüber nachgedacht wird,  beispielsweise am Ende der Stromproduktion hochgiftigen radioaktiven Abfall für  tausende von Jahren sicher aus dem Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen herauszuhalten. Eine umfassende, ganzheitliche Zusammenschau von Herstellung und Gebrauch würde sicherlich andere, billigere und ungefährlichere Technologien zur Stromerzeugung nutzen. Das wäre rationaler und auch rationeller, weil radioaktive Strahlung nicht im nach hinein mit großem Aufwand an Technik und Geld (end-of-the-pipe Technologien) beseitigt werden kann, nicht nur, weil es eine solche Technik nicht gibt, sondern auch, weil dafür wieder neue Naturstoffe benötigt werden. Auf unserem endlichen Planeten muss es aber um weniger Naturnutzung gehen. Eine wachstumsorientierte Abfallindustrie zu installieren, kann nicht das Ziel sein.

Wirtschaften ist aber nicht immer so gewesen und auch heute nicht immer so. Wenngleich immer mehr von dem, was Menschen konsumieren, um ihr Leben zu erhalten, von anderen hergestellt, bepreist und mittels Geldtausch verkauft wird. Wir benötigen diese mit dem Ziel der Kapitalverwertung befassten selbständig Handelnden als Produzenten, die Arbeitsplätze anbieten, Einkommen für abhängig Beschäftigte ermöglichen und Steuereinnahmen für die öffentliche Verwaltung generieren.

Karl Polanyi hat diese Entwicklung als „Great Transformation“ gekennzeichnet. Damit machen in der Folge nicht nur die selbständig Tätigen, sondern alle Menschen das von uns selbst vor 7.000 Jahren erfundene Tauschmittel Geld zum einzigen Ziel aller menschlichen Austauschprozesse.

Wir unterscheiden drei kulturell entwickelte Wirtschaftsformen:

  1. Form 1 ist der direkte, unmittelbare und unvermittelte Austausch (das Basisprinzip der Ökonomie ist exchange, auf Deutsch „Austausch“, wie von Adam Smith definiert.), die Naturökonomie oder oikonomia, so bezeichnet von dem griechischen Philosophen Aristoteles (384 – 322 BC), dem deutschen Naturforscher Alexander von Humboldt (1769 – 1859) und dem britischen Evolutionstheoretiker Charles Darwin (1809 – 1882).
  2. Form 2 ist der indirekt erfolgende Tausch, der durch das allgemeine Tauschmittel/Geld vermittelt wird. Diese Form des Wirtschaftens bezeichnen wir (mit Peter Bendixen) als Kulturökonomie.
  3. Und bei Form 3 handelt es sich dann um die Vertauschung des allgemeinen Tauschmittels mit dem Ziel des Tauschs. Aristoteles nannte sie chrematistike und hielt sie für nicht-natürlich, sondern kulturell entstanden. Und das ist richtig. Ich bezeichne sie als Mittel-Ziel-Vertauschung*) oder Ökonomikkult.

*) Die Dinge nicht nur zu tauschen, sondern zu vertauschen, ist offensichtlich eine typisch menschliche Eigenschaft. Beispielsweise ist der Pkw als Mittel für Mobilität erfunden worden. Dann jedoch muss man einen Pkw besitzen. Nicht länger bewegt man sich direkt und unmittelbar, sondern mithilfe eines Mittels. Besitz und Verfügung wird nun zum Selbstzweck. Und genau dies passiert bei der Digitalisierung von Kommunikationsprozessen. Bald können wir uns Kommunikation ohne den Besitz und die Nutzung eines smart phone nicht mehr vorstellen. Technikeinsatz und Gewinnerzielung sind zum Selbstzweck gemacht worden.

Wenn also nach wie vor davon ausgegangen wird, das überkommene ökonomische Denkmodell sei wissenschaftlich begründbar und gäbe die Realität objektiv, exakt und neutral wieder, dann trifft das nicht zu. Doch besteht selbstverständlich immer die Möglichkeit zu seiner Weiterentwicklung und die Überwindung der Spaltung von „Arbeit“ in bezahlte und unbezahlte, von selbständig und von abhängig Tätigen sowie von für Männer und für Frauen typischen. Wir wissen heute, dass diese Fragmentierung interessengeleitet, aber im 21. Jahrhundert nicht mehr angemessen. „Arbeit“ ist eben keine verfügbare materielle Ware und auch kein Humankapital, das wurde nur angenommen. Sondern „Arbeit“ ist eine alle Lebewesen innewohnende Kraft, eine Fähigkeit (es fällt besonders auf, ohne dass das hier weiter ausgeführt werden kann, wie wenig wir uns darüber bewusst sind, dass wir generell Arbeit vergessen. Wir sprechen von quasi autonom fahrenden Autos, die doch von Programmen gesteuert werden, die Menschen geschrieben haben. Da liest man, dass „das Sterben der Bankfilialen in der Stadt sich ungebremst fortsetzt“ (Hamburger Abendblatt vom 7.2.23). Die Bankfilialen „sterben“ jedoch nicht von alleine, sondern dahinter stehen Menschen, die entschieden haben). In den Betrieben finden wir arbeitende Menschen und keine verfügbaren Sachen.

Es gilt also, die herkömmliche Form des Wirtschaftens zu modernisieren. Und drauf hinzuweisen, dass es sich bei der „Ökonomik 18“ lediglich eine „Technik der Kapitalverwertung“ handelt, um art aber nicht science. Die Spaltung der „Arbeit“ und die Verdoppelung der Bedeutung von Geld/Kapital als Mittel und Ziel ist nämlich weder selbstverständlich,  noch ist sie ohne Alternative.

Und last but not least ist darin auch noch eine Trennung von Boden=Natur und Arbeit=Menschen enthalten. Natur wird nur als das dem Menschen Äußere verständen, und er versteht sich als Nicht-Natur. Naturstoffe werden in der „Ökonomik 18“ lediglich als im Eigentum befindliche, handelbare materielle Sachen angesehen, in der Folge der Denktradition von René Descartes (1596 – 1650). Sie werden weder als essenzielle Grundlage allen Leben aufgefasst und infolgedessen auch nicht als unsere lebendige Mitwelt (wie der Hamburger Naturphilosoph Klaus-Michael Meyer-Abich in vielen Publikationen vorgeschlagen hatte), auf die wir angewiesen sind. So weit, so bekannt.

  1. Warum wird der Wirtschaftskreislauf auf den Umlaufprozess von Gütern und Geld bezogen, aber nicht auf „Arbeit“?

Das könnte ein Student der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre fragen. Er wird darauf kaum eine Antwort erhalten. Ich will daher den Versuch einer Klärung unternehmen. Darum soll es zunächst gehen – und das ist keinesfalls weit hergeholt, sondern führt uns erst zu einem wirklichen Verständnis der „Kreislaufwirtschaft„:

Mit „Arbeit“ sind Menschen gemeint – wie gesagt – die ihre Arbeitsfähigkeit von sich trennen und so tun, als handele es sich dabei um eine materielle Ware. Das setzt im Vergleich zu Gütern und Geld voraus, dass alle so handeln, als könnten sie ihre Fähigkeit unabhängig von sich selbst verkaufen. Ein Kriterium von Gütern und Geld ist ja, dass es sich dabei um von Menschen unabhängige Sachen handelt. Bei der „Arbeit“ ist dies allerdings anders. Sie ist im Menschen inkorporiert und von ihm untrennbar. Der selbständig Wirtschaftende betrachtet „Arbeit“ jedoch als ein unabhängig vom sie Leistenden einsetzbares Gut. Als Kostenfaktor.

Und vernachlässigt wird „Arbeit“ von den Statistikern. Sie geht in die Produktionskosten der Güter ein. Eigentlich müsste „Arbeit“ als eine Dienstleistung separat erfasst und im tertiären Sektor ausgewiesen werden.

Ferner kann „Arbeit“ auch nicht wie Geld und Güter transportiert werden. Im Gegenteil müsste der sie Leistende selbst transportieren. Das wird den Theoretikern der Kapitalverwertungstheorie durchaus bewusst gewesen sein.

Und „Arbeit“ ist auch nicht wie Güter und Geld auf Lager herstellbar. Würde man einen Wirtschaftskreislauf für „Arbeit“ zu beschreiben versuchen, dann würde schnell klar, dass wir es in der Realität mit arbeitenden Menschen zu tun haben. Ein Markt für Menschen soll es mit dem Aufkommen der Wirtschaftsform 3 nicht mehr geben, nur einen für „Arbeit“. Die selbständigen und freien Bürger sollten sich jetzt selbst gehören und nicht länger einem Eigentümer, der über ihr Leben verfügt (vgl. dazu die Deklaration der Menschenrechte vom Dezember 1948).

Zusammengefasst: Wenn nachhaltig gewirtschaftet und von vornherein Abfälle vermieden werden müssen, dann findet sich im Denkmodell „Ökonomik 18“ dafür kein Verständnis, dann würden wir weiter davon ausgehen, dass Abfallvermeidung von Beginn des Produktionsprozesses an nicht möglich ist, sondern nur am Ende des Nutzungsprozesses. Und nur von diesem Verständnis her macht es Sinn machen, die Verbraucher zur Einsparung von Naturstoffen, Wärme und Energie aufzufordern. Es muss jedoch bereits von Beginn der Produktion an um Vermeidung gehen. Auf einem endlichen Planeten ist es materialsparender und billiger, Folgewirkungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Das wird von der bisherigen Wirtschaftslogik aber nicht legitimiert (bei der Produktion von Plastikflaschen wären dann Umsatzeinbrüche in der Chemieindustrie zu verzeichnen, die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen gefährden würden).

3. Das modernisierte ökonomische Verständnis und der Übergang zur Kreislaufwirtschaft

Das herkömmliche ökonomische Denkmodell unterstellt, dass Naturstoffe in unendlicher Menge vorhanden und immer im Besitz von Menschen sind, die darüber autonom und einseitig verfügen können. Und es beachtet nur den durch Geld vermittelten Tausch unter Menschen mit dem Ziel der Kapitalverwertung. Dabei gerät unser lebensnotwendiger Austausch mit und unsere Abhängigkeit von Natur aus den Augen. Unsere Wahrnehmung wird fragmentiert. Boden=Natur scheint für unser Leben nicht mehr von Bedeutung.

Doch Gebirge, Wüsten, Meere, Seen, Sonneneinstrahlung und Wind sowie unsere lebensnotwendige Atemluft befinden sich weder im Eigentum, noch kann die Verfügung darüber unendlich und ohne Auswirkungen auf uns sein. Der Planet, auf dem wir entstanden und leben, ist endlich. Sonneneinstrahlung, Wind und Luft sind von allen Menschen frei nutzbar.  Abfälle nehmen zu, wie der bedrohliche Anstieg der Klimagase zeigt.

Nun wäre durchaus die Fortsetzung unserer heutigen Wirtschaftsweise denkbar, in der unsere Umwelt dann so verschmutzt und leblos vorkäme, dass wir uns nur noch in Innenräumen aufhalten, in Glashäusern Nahrungsmittel anbauen  und Geräte zur Luftreinigung einsetzen müssten. Unsere bestehende Entfremdung von Natur würde noch zunehmen. Aber keine auf Vermeidung ausgerichtete Kreislaufwirtschaft.

Die modernisierte ökonomische Theorie, jetzt: „Ökonomik 21„, erlaubt dagegen eine vorteilhaftere moderne Sicht zu praktizieren – in ökologischer Absicht.

Dabei verweise ich auf die Einführung des Begriffs „Ökologie“ durch  den Zoologen Ernst Haeckel (1834-1919), der in „Generelle Morphologie der Organismen“, Berlin, 1866, S. 286, ihn wie folgt definierte: „Unter Oecologie verstehen wir die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt, wohin wir im weiteren Sinne alle ‚Existenz-Bedingungen‘ rechnen können.“ (Hervorhebung von Haeckel) Anmerkung: „Ökologie“ ist also nicht nur ein Synonym für Umwelt, Grün oder Natur.

Im modernisierten Verständnis werden alle Menschen als natürliche Lebewesen angesehen, die sich im beständigen Austausch mit anderen Menschen und ihrer natürlichen, jeweils kulturell umgeformten Mitwelt befinden. Statt einseitig über so definierte Objekte zu verfügen, geht es nun um gegenseitige Stoff-Wechsel-Beziehungen, zwischen dem natürlichen Lebewesen Mensch und der ihm außermenschlichen Natur. Es gibt einen Arbeitsbegriff, den der Physik. Verstanden wird, dass wir uns erst durch unsere Stoffwechselprozesse und unsere Naturerfahrungen in einem hunderttausend Jahre und weiter andauernden Prozess aus dem Tierreich zu Menschen entwickelt haben. Das Reich der Freiheit existiert auch in der vormaligen Arbeitswelt. Das einhaltet die Absage an die Vorstellung, Selbstverwirklichung sei nur in der bezahlten, abhängigen Beschäftigung möglich.

Dazu wird nun nicht länger die abhängige Arbeit doppelt besteuert, sondern allein die Produkte. Das hatte Adam Smith bereits 1779 gefordert (Ich finde es bemerkenswert, dass die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, am 5. Februar 2023 in einem Interview mit dem Journalisten Ralp Bollmann in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, S. 19, sagte: „Die Arbeit sichert ja nicht nur die Existenz, sie gibt dem Leben auch einen Sinn – nicht nur durch die Aufgabe selbst, auch ….“ Abhängige Beschäftigung gibt dem Leben einen Sinn?  Und nicht die freie selbst gewählte und selbständige Tätigkeit, durch die ich mir selbst eigenständig Ziele setze, die ich als Subjekt ausübe?).  Arbeit und Einkommen werden voneinander entkoppelt, ein allgemeines Grundeinkommen wird eingeführt.

Mit der Reformierung des herkömmlichen Denkmodells gehen wir zu einem realitätsgerechteren Verständnis von Natur über, zu einer selbsttätigen Natur. Auch Natur arbeitet, wie Adam Smith ebenfalls erkannt hatte (Adam Smith, a.a.O., S. 563. Er fand die Besteuerung von Löhnen „absurd“ und „destruktiv“ und  kritisierte, dass abhängig Beschäftigte zweimal besteuert werden, einmal werden ihre Einkommen besteuert und das zweite Mal die Produkte, die sie kaufen müssen, weil sie sie nicht mehr selbst herstellen. Eine einmalige Besteuerung der Produkte reichte), hundert Jahre vor der Formulierung der Evolutionstheorie durch Charles Darwin und Alfred Russell Wallace. Natur ist nicht länger bloßes Objekt menschlicher Verfügung, sondern wird als Subjekt respektiert (und Tiere werden auch nicht länger in Wild- und Nutztiere unterschieden oder als Sachen angesehen, wie im BGB). Auch der jedes Jahr erzielte „Profit für Natur“ wird bilanziert.

Heute benötigen wir noch Gesetze, auf die die Produzenten in der Regel negativ reagieren,  halten sie ihr Handeln doch für autonom gestaltbar. Durch die Einführung der modernen Wirtschaftstheorie „Ökonomik 21“ werden sich auch Produzenten nach dieser Logik ausrichten können.

Die Einführung einer solchen modernen Kreislauftheorie von der Wiege bis zur Bahre bedeutet mithin eine strukturelle Änderung. Wir machen uns bewusst, dass wir in die Lebensprozesse unseres Planet eingebunden sind. Es geht um weniger Naturumsatz und um den Gebrauch frei nutzbarer, erneuerbarer Ressourcen sowie um die Herstellung lang haltbarer, leicht reparierbarer und recycelbarer Produkte. Diese muss niemand allein besitzen, sondern sie können auch gemeinschaftlich genutzt werden. Das spart Stoffe. Und schließlich sind alle  Arbeitenden an Entscheidungen mitbeteiligt.

Und weil wir uns mit Natur nicht indirekt mittels Geld austauschen, sondern bereits mit ihrem Eigentümer, denn wir zahlen z. B. Natur nicht für jeden unserer Atemzüge Geld, müssen wir die bisher alleinige finanzielle Bilanzierung um eine Aufstellung über den „Profit für Natur“ erweitern, wie schon geschrieben wurde. Natur zu bezahlen, machte keinen Sinn, weil sie nie ein allgemeines Tauschmittel erfunden hat und mit Geld nichts anfangen kann. Vielmehr wird der „Profit für Natur“ in physikalischen Größen ausgedrückt, z. B. in eingesparten CO2-Tonnen. Eine „Integrierte Berichterstattung“ wird eingeführt werden, und zwar für jede Stufe der Produktion, von der Extraktion von Naturstoffen und ihrem Weiterverkauf bis zur Herstellung von Letzt- oder Endprodukten, gegliedert nach Betriebs-, Produkt- und Humanökologie.

Es wird jetzt deutlich, dass und warum eine moderne Kreislaufwirtschaft innerhalb des bisherigen ökonomischen Denkmodells nicht eingeführt werden wird und kann. Es ist unumgänglich, dass wir uns daher auch nicht nur mit dem Einsatz von Öko-Techniken, der Nutzung von erneuerbaren Energieressourcen zur Strom- und Wärmegewinnung, der Reparaturmöglichkeit von Produkten sowie der Wiederverwertung von Abfällen befassen und die solidarische Landwirtschaft unterstützen, sondern uns vordringlich auch mit der Reformierung des bisherigen ökonomischen Modells aufgrund seiner Folgewirkungen und den darin enthaltenen Annahmen befassen. Wir müssen das Modell aus dem 18. Jahrhundert weiterentwickeln und für das 21. Jahrhundert fit machen. Derzeit leben wir wirklich in einer Wendezeit.

  1. Zur Einführung einer Kreislaufwirtschaft

Ansätze für ein solches modernisiertes Wirtschaftsverständnis hatten wir in der Projektgruppe „Ökologische Wirtschaft“ diskutiert, deren Einrichtung auf den Beschluss der Mitgliederversammlung des Öko-Instituts in Freiburg im Jahre 1983 zurückgeht. Ich hatte einen solchen Antrag auf nachdrückliche Aufforderung von Arnold H. gestellt, mit dem ich den Verein „Nutzmüll“ gegründet hatte, um die Hamburger Stadtreinigung davon zu überzeugen, Bioabfall zu sammeln, zu kompostieren und den gewonnenen Humus wieder in Hamburg zu verkaufen. Die Mitgliederversammlung des Öko-Instituts stimmte meinem Antrag zu. Die Projektgruppe wurde installiert und uns ein Budget und ein Mitarbeiter zugestanden, zuerst Hans D. und dann Frieder R., während ich im Vorstand die Anliegen unserer Projektgruppe vertrat.

Unsere aus 19 Mitgliedern bestehende Projektgruppe erarbeitete Positionen, die wir in zwei Veröffentlichungen deutlich machten: Wir entwickelten in: „Arbeiten im Einklang mit der Natur – Bausteine für ökologisches Wirtschaften“, veröffentlicht 1985, einen ganzheitlichen Arbeitsbegriff, und schlugen darauf aufbauend ein Mess- bzw. Bewertungsinstrument vor, das auch die bisher nicht-bewertete Arbeit in der Lebenswelt einbezog: die „Produktlinienanalyse“, 1987. Sie umfasst  Produkte von der Entnahme von Stoffen aus der Natur bis zur Rückgabe an Natur, also von der Wiege bis zur Bahre (Der Chemiker und Verfahrenstechniker Michael Braungart nahm an unseren Diskussionen teil und entwickelte dann daraus seine Initiative „cradle to cradle“. Mit dieser Bezeichnung hat er auch Recht, denn wenn Naturstoffe nach ihrer Nutzung wieder als Rohstoffe in den Wirtschaftskreislauf zurückgelangen sollen, dann erscheinen sie wieder als Stoffe – jedoch als zeitlich und räumlich umgewandelte Rohstoffe, die nicht mehr in der ursprünglichen Form verfügbar sind.) Und hier liegt der Ursprung und die Begründung dafür, zu einer Kreislaufwirtschaft überzugehen.

Das Institut für angewandte Ökologie war als Verein 1979 gegründet worden. Es ist ein unabhängiger, privat finanzierter sogenannter „Wissenschaftsladen“, der ins Leben gerufen wurde, um den Weinbauern in Whyl Wissen zu vermitteln, damit sie informiert über die Errichtung eines Atomkraftwerkes und seine Folgewirkungen für die Region abstimmen konnten. Es sollte zwecks Kühlung Wasser aus dem Rhein genutzt werden – aus heutiger Sicht bei Wasser-Niedrigständen ein Problem. Die Whyler Bauern befürchteten, durch die Abwärme würde das Mikroklima verändert und damit ihre Lebensgrundlage, der Weinbau, Schaden erleiden. Die Planung ist dann aufgrund des Widerstandes der Betroffenen gestoppt worden.

Das Öko-Institut befasste sich damals, und tut dies auch heute noch, vor allem mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen, wie der „Rekommunalisierung der Energiewirtschaft“, und nicht mit sozialwissenschaftlichen, wozu Fragen der ökonomischen Theorie gehören. Unsere Projektgruppe hatte dann nicht nur aus diesem Grund, sondern sicherlich auch aufgrund unterschiedlicher Auffassungen vom Wirtschaften Probleme damit, für unsere Position nach innen und außen genügend  Resonanz  zu erreichen. Und heute ist es völlig vergessen, dass wir die Grundlagen für eine Kreislaufwirtschaft erarbeitet haben.

Im Mai 1985 gründeten wir dann auf Initiative von Reinhard P. zusammen mit Otto U., Martin J. und anderen ein eigenes Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin. Meine Mitgliedschaft daran gab ich auf, als ich ab Ende 1988 für den Schleswig-Holsteinischen Landtag zu arbeiten begann.

Der Begriff Kreislaufwirtschaft wird heute überall verwendet, ohne zu bedenken, dass damit eine Modernisierung des bisherigen Denkmodells verbunden ist, nämlich die Produzenten dazu anzuhalten, von vornherein im Kreislauf zu wirtschaften. Das wird häufig außer Acht gelassen.

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) berichtete beispielsweise auf seiner Website „Kunststoffabfälle in Deutschland 2021“, dass das Aufkommen von 1995 bis 2021 auf das Doppelte gestiegen ist (3,2 Millionen Tonnen – Das Umwelt Bundesamt berichtete am 11. Januar 2021, dass „die Abfallwirtschaft die gesammelten Kunststoffabfälle nahezu vollständig verwertet“ hat – jedoch nur die gesammelten.  „Im Jahr 2019 hat sie 46 Prozent aller gesammelten Kunststoffabfälle werkstofflich und weniger als 1 Prozent rohstofflich verwertet. 53 Prozent der Abfälle wurden energetisch verwertet. Aus Klima- und Umweltschutzsicht ist es wichtig, mehr Kunststoffabfälle werkstofflich zu verwerten.“). Diesen Trend wird man nicht allein dadurch ändern können, dass man Verbraucher zur Trennung und Wiederverwertung von Kunststoffverpackungen auffordert, sondern nur dadurch, dass Endgüterproduzenten keine Kunststoffverpackungen nutzen (was jedoch zu Umsatzeinbußen der Kunststoffindustrie führte), sich also nach der „Ökonomik 21“ richten. Erst dann kann es um die Installierung und Beachtung wechselseitiger Austauschprozesse in der Zeit und von vornherein gehen. beispielsweise wird im SPIEGEL Nr. 7 vom 11.02.2023 unter der Überschrift „Probleme für die Ewigkeit“ berichtet, dass die Nutzung einer ganzen Gruppe Tausender gesundheitsschädlicher Chemikalien PFAS endlich von der EU verboten werden soll. Der Artikel von Veronika Hackenbroich endet mit dem Satz: „Um in Zukunft Irrwege wie den der PFAS zu verhindern, ist es nach Ansicht von Experten unbedingt notwendig, schon bei der Entwicklung – und nicht erst bei der Zulassung – neuer Chemikalien verstärkt auf potenziell gefährliche Folgen für Umwelt und Gesundheit zu achten.“ Dem ist zuzustimmen.

  1. Der „Kreis“ und der „-laufes“

Ein Kreis ist eine abstrakte Figur, die man auf Papier zeichnen kann. Man beginnt mit einem gekrümmten Strich und beendet diesen, indem man ihn zum Anfang zurückführt. Daran ist bemerkenswert, dass damit vergessen wird, dass zwischen dem Beginn und der Schließung des Kreises Zeit vergeht. Obgleich uns so bewusst ist, dass Zeit immer im Spiel ist, hinkt unsere Wahrnehmung gewissermaßen hinterher. Noch immer gehen wir nämlich wie im 18. Jahrhundert selbstverständlich davon aus, wir befänden uns im dreidimensionalen Raum, doch wissen wir seit hundert Jahren, dass wir in vierdimensionaler Raumzeit leben.

Durch die Hinzufügung des Wortes „…lauf“ wird ausgedrückt, dass da etwas weitergeht, nicht immer an derselben Stelle bleibt. Aber reicht das aus? Dass wir in offenen wechselseitigen Austauschprozessen leben, die Voraussetzungen wie Folgewirkungen haben, gelangt so kaum  in den Vordergrund unseres Denkens und Handelns.

Zwischen der Extraktion von Stoffen aus der Natur und der Rücküberlassung von Abfällen vergeht auch nicht nur Raumzeit, sondern Naturstoffe werden in den Produktions- und Nutzungsprozessen unwiederbringlich umgewandelt. Beispielsweise unterscheiden sich Trinkwasser und Abwasser völlig von einander. Abwasser muss daher, ehe es wieder in den Kreislauf von Natur gelangen darf, zu hohen gesellschaftlichen Kosten gereinigt werden. Den Begriff „Extraktion“ zu benutzen statt „Produktion“ hat Elinor Ostrom vorgeschlagen, denn schließlich fördern wir lediglich Stoffe aus der Natur zu Tage, wie z. B. Öl. Wir produzieren sie nicht. Das kann nur die Natur…

Wäre es daher nicht eher sinnvoller, für die „Ökonomik 21“ das Bild einer Spirale bzw. Helix statt eines Kreises zu verwenden, einer zeitlich offenen Form?

Und dürfen wir zum Schluss nun hoffen, dass immer mehr Menschen einen anderen Umgang mit Natur praktizieren und die „Ökonomik 21“ zur Grundlage und Legitimation ihres Handelns machen, von der (zu vermeidenden oder doch zu verlangsamenden) Entnahme von Stoffen aus der Natur, ihrer Umformung zum Marktprodukt und ihrer Nutzung bis zur Rückgabe an die Natur – in der Privatwirtschaft genau so wie in der öffentlichen Verwaltung und besonders in der von allen Menschen  eigenwirtschaftlichen und selbstverantworteten Welt?

Was steht dem eigentlich noch entgegen?

->Quellen- und Literaturhinweise:

  • Irene Schöne, Vom Eigenwert der Natur, Ein Beitrag zur Ökologisierung der Ökonomie, in: K. Grenzdörffer et al., Neue Bewertungen in der Ökonomie, Pfaffenweiler, 199.
  • Irene Schöne, FAIR ECONOMICS = Nature, Money And People Beyond Neoclassical Thinking, Cambridge/UK, 2015.