Hindern Kraftwerks-Eigner, Zwei-Grad-Klimagrenze einzuhalten?

Zeit fossiler Kraftwerke läuft ab

Eine Untersuchung analysiert, welche Kraftwerke vorzeitig abgeschaltet werden müssen und von welchen Eigentümern Widerstand gegen klimapolitische Maßnahmen zu erwarten ist. Weg von der Verbrennung fossiler Energieträger, hin zur Nutzung erneuerbarer Energien wie Sonne und Wind – ist eine der grundlegenden Bedingungen, wenn die Weltgemeinschaft die Zwei-Grad-Grenze einhalten will. Wie wird es sich auf Unternehmen im Energiesektor weltweit auswirken, wenn fossile Kraftwerke vorzeitig stillgelegt und mit ihnen kein Geld mehr verdient werden kann? Ergebnisse einer kürzlich open access in Nature Communications erschienenen Untersuchung.

Uniper-Braunkohle-Kraftwerk Schkopau – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Angelika von Dulong von der Resource Economics Group am Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität hat erstmals untersucht, welche Unternehmen wie viele solcher potenziell verlorenen Vermögenswerte – in der Fachsprache „stranded assets“ – besitzen. Dafür hat sie Datensätze der Internationalen Energieagentur (IEA), die ein Szenario für eine nachhaltige Entwicklung im Einklang mit der Zwei-Grad-Klimagrenze abbilden, mit Daten zu Kraftwerken und ihren Eigentümern kombiniert.

Eigentümern von „stranded assets“ drohen hohe Verluste

Die Ergebnisse zeigen, dass zur Nichtüberschreitung der Zwei-Grad-Klimagrenze vor allem Kraftwerke im asiatisch-pazifischen Raum, in Europa und in den Vereinigten Staaten vorzeitig stillgelegt werden müssten, wobei China und Indien besonders stark betroffen sind. Meist sind dies Kohlekraftwerke. Diese produzieren insgesamt 2,8 Terawatt Strom (entspricht 2,8 Billionen Watt), was bei einer Stilllegung für die Eigentümer mit einem finanziellen Verlust von mehr als 500 Milliarden US-Dollar verbunden wäre. Börsennotierten Eigentümern droht laut der Studie ein dramatischer Einbruch ihres Aktienkurses (bis zu 78 Prozent) oder der fast vollständige Verlust ihres Eigenkapitals (mehr als 80 Prozent).

Konzentration von Eigentum mit Folgen für Klimapolitik

Die Eigentumsverhältnisse unterscheiden sich von Land zu Land: Während in Indien beispielsweise die Mehrheit dieser Kraftwerke im Besitz eines einzigen Eigentümers ist, sind die Anlagen in den USA gleichmäßiger auf mehrere Besitzer verteilt. Von Dulong vermutet, dass es in Ländern, in denen sich der Besitz dieser „stranded assets“ in der Hand weniger Eigentümer konzentriert, einfacher sein könnte, Widerstand gegen klimapolitische Maßnahmen der jeweiligen Regierungen zu organisieren. „Wenn Staaten selbst über Tochterfirmen sehr viele Anlagen besitzen, die aufgrund des Klimaziels vorzeitig ihren Betrieb einstellen müssen, sind die Folgen für die Klimapolitik möglicherweise noch weitreichender“, sagt Dulong. Denn bei internationalen Verhandlungen über die Klimapolitik steht für diese Muttergesellschaften viel auf dem Spiel. Zahlreiche Unternehmen besitzen auch fossile Kraftwerke im Ausland: So gehören beispielsweise 40 Prozent der „stranded assets“ in Zentral- und Südamerika ausländischen Dachgesellschaften.

Untersuchungen zu weiteren Wirtschaftssektoren notwendig

„Es ist essenziell, die Eigentumsverhältnisse von verlorenen Vermögenswerten im Energiesektor auf Ebene einzelner Anlagenbesitzer zu analysieren. Die Erkenntnisse können dazu beitragen, Widerstände gegen klimapolitische Maßnahmen, einschließlich der Lobbying-Aktivitäten, rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren“, sagt Angelika von Dulong. „Das ist entscheidend, um Klimapolitik erfolgreich umsetzen zu können.“ Weitere Studien, die in ähnlicher Weise Daten kombinieren, könnten in Zukunft Erkenntnisse zu anderen von klimapolitischen Maßnahmen betroffenen Wirtschaftssektoren wie Verkehr (Automobil, Schifffahrt und Luftfahrt) und Industrie (Stahl und Zement) liefern.

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