Mikroplastik ist inzwischen fast überall nachweisbar: im Wasser, in Böden und sogar im menschlichen Körper. Welche Folgen das langfristig für Umwelt und Gesundheit hat, ist bislang kaum abzusehen. Forschende der Leibniz Universität Hannover haben nun ein intelligentes Hydrogel entwickelt, das diese Partikel selbstständig aufspürt, an die Oberfläche befördert und dort zersetzt. Ganz ohne äußere Energiezufuhr.

Dr. Dennis Kollofrath hat am Institut für Anorganische Chemie ein Hydrogel entwickelt, das Mikroplastik in Gewässern bekämpft. Foto: © Stephan Siroky / Leibniz Universität Hannover
Ein neuartiges Hydrogel aus Hannover soll künftig dabei helfen, Mikroplastik vollständig und ohne externe Steuerung aus Gewässern zu entfernen. Das Material wurde von einem Forschungsteam um Prof. Dr. Sebastian Polarz am Institut für Anorganische Chemie der Leibniz Universität Hannover entwickelt. Die Ergebnisse wurden Mitte August im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht. Nach Angaben der Forschenden bindet das Material das Mikroplastik, transportiert es zur Wasseroberfläche und zersetzt es mithilfe von Sonnenlicht, in einem autonomen, wiederholbaren Zyklus. Der Ansatz verspricht eine technologische Alternative zu bisherigen Filtersystemen, die oft stationär, energieintensiv und aufwendig im Betrieb sind. Gerade in offenen Gewässern wie Seen oder Flüssen stoßen klassische Verfahren an physikalische und wirtschaftliche Grenzen. Mikroplastik gilt als eine der herausforderndsten Umweltbelastungen unserer Zeit, nicht nur wegen der Menge, sondern auch wegen seiner gesundheitlichen Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Studien zufolge können Mikroplastikpartikel Entzündungen, oxidativen Stress und Zellveränderungen verursachen. Sie reichern sich in Gewässern, Organismen und zunehmend auch im menschlichen Körper an.
Der von Dr. Dennis Kollofrath entwickelte Prototyp basiert auf einer Kombination aus einem thermoresponsiven Polymer, porösen Organosilikatpartikeln und einem Photokatalysator. Das Prinzip ist folgendes: Das Hydrogel wird ins Wasser eingebracht, sinkt ab und beginnt, Mikroplastikpartikel sowie Glukose aus dem Wasser aufzunehmen. Ein eingebettetes Enzym wandelt die Glukose in Sauerstoff um, der in den Poren gespeichert wird. Sobald genug Sauerstoff entstanden ist, steigt das Gel mitsamt dem Mikro-Plasik-Partikeln auf. An der Oberfläche sorgt Sonnenlicht dafür, dass das Mikroplastik zersetzt wird. Gleichzeitig schrumpft das Gel durch die Erwärmung, gibt die Gase wieder ab und sinkt erneut. Der Zyklus beginnt von vorn. Laut Studie war das System im Labormaßstab in der Lage, Mikroplastikpartikel zu 98,7 Prozent zu zersetzen Auch nach mehreren Reinigungszyklen blieb die Funktion des Gels erhalten. Mikroplastikfragmente oder Nanoplastik wurden im Wasser nicht nachgewiesen. Was bedeutet, dass das Plastik tatsächlich zerstört wurde und nicht nur weiter zerkleinert wird. Die Forschenden betonen, dass sich das Material prinzipiell anpassen lässt: Durch Variation der Nanopartikel können auch andere Kunststoffarten wie Polyethylen oder PET adressiert werden. Damit eröffnet sich ein breiteres Einsatzspektrugen: Der Weg zu intelligenten, autarken Umwelthelfern aus der Chemie ist möglich.
Bislang ist das Hydrogel ein Prototyp aus dem Forschungslabor. Doch das Konzept zeigt, was möglich ist: ein Material, das Schadstoffe nicht nur erkennt, sondern aktiv abbaut, und zwar ohne energieintensive Technik. Solche autonomen Systeme könnten künftig helfen, Mikroplastik dort zu bekämpfen, wo bisher kaum ein Verfahren hinkommt.
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