Klimaforschung: Analyse von Wahrscheinlichkeiten

Abrupte Veränderungen entdecken – ob bei Ozeanwärme oder Finanzmärkten

Ein verlässlicher Nachweis abrupter Veränderungen wie eine Talfahrt von Aktienwerten oder die Erwärmung des Pazifiks während eines El Niño ist zwar wertvoll, aber die meisten Analysen berücksichtigen die Unsicherheiten in den Daten nicht. Plötzliche Veränderungen zu identifizieren und die zugrundeliegenden Unsicherheiten dabei zu erkennen, ist die Herausforderung. Auch wenn es eine Reihe von Methoden zur Erkennung von Wechselpunkten gibt, stellen Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) nun zum ersten Mal einen Ansatz vor, der die Unsicherheiten in Zeitreihen akkurat wiedergibt und somit eine robustere Analyse bietet.

Temperaturen der Meeresoberfläche, Analyse der Wahrscheinlichkeiten – Abb. 1 aus Goswami et al, 2018 (Ausschnitt), PIK-Potsdam, Nature Communications

„Wir betrachten Zeitreihen nicht als eine Abfolge von Messungen, sondern eher als Abfolge von Wahrscheinlichkeiten im Laufe der Zeit“, sagt  Bedartha Goswami vom PIK, Leitautor der Studie, die jetzt in Nature Communications erschienen ist. „Es geht nicht mehr darum, den Wert einer Beobachtung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu kennen, sondern wie wahrscheinlich ein bestimmter Wert der Beobachtung zu diesem Zeitpunkt war.“

Das Team von Wissenschaftlern wandte diese mathematische Methode auf Probleme der realen Welt an. „Unsere Analyse zeigte, dass die Veränderungen, die in den Daten von Aktienindizes im Zeitraum 2004-2016 identifiziert wurden, zusammenhingen mit der US-Hypothekenkrise, der Krise der Eurozone und dem Brexit, also Großbritanniens Entscheidung für den EU-Austritt,“ sagt Goswami. „Das ist natürlich nicht besonders überraschend, aber es hat gezeigt, dass unser Konzept gut funktioniert. Neue Erkenntnisse gab es bei der Anwendung unserer Methode auf die Temperaturen der Meeresoberfläche im Pazifik. Wir haben entdeckt, dass die Veränderungen während eines El Niño wahrscheinlicher sind, wenn zwei Arten von Temperaturschwankungen in einer ähnlichen Phase sind. Das eröffnet einen neuen Aspekt für unser Verständnis von El Niño – ein Phänomen, welches das Wetter rund um den Globus beeinflusst.“

“Das ist ein wichtiger Schritt vorwärts für die Analyse dynamischer Systeme im Allgemeinen – nicht nur das Klima, sondern zum Beispiel in der Wirtschaft”, sagt Ko-Autor Jürgen Kurths, Leiter des PIK-Forschungsbereichs Transdisziplinäre Konzepte und Methoden. Die Wissenschaftler erweitern damit den Rahmen der so genannten Rekurrenz-Analyse. Der neue Ansatz ist besonders wichtig, um abrupte Veränderungen im Erdklima der Vergangenheit zu identifizieren, etwa Verringerungen des asiatischen Sommermonsuns in den letzten 10.000 Jahren.

[note Jürgen Kurths ist einer der meistzitierten Forscher in seinem Feld. Seine Studien zählen zum obersten einen Prozent der Literatur, die 2017 in den Ingenieurwissenschaften weltweit am häufigsten zitiert wurde. Der Ko-Leiter des Forschungsbereichs Transdisziplinäre Konzepte und Methoden am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Leiter Dynamik großskaliger natürlicher Systeme-Analyse und Vorhersagbarkeit an der Humboldt-Universität zu Berlin veröffentlicht jedes Jahr viele wissenschaftliche Beiträge in renommierten Fachzeitschriften. Das Ranking von Clarivate Analytics gibt den Einfluss der wissenschaftlichen Arbeit wieder und zeigt, wie sehr andere Forschungsarbeiten dadurch inspiriert oder hinterfragt wurden. Für das Ranking werden Daten aus dem Web of Science, einer Literatur- und Zitierdatenbank, für einen Zeitraum von 11 Jahren analysiert. Dabei wurden die Studien jeweils nur dem Forschungsgebiet zugeordnet, in dem sie am häufigsten zitiert wurden. Mit einer enormen Zahl an Zitationsstatistiken ist das Web of Science das maßgebende Kompendium für Einfluss und Relevanz weltweiter Forschung. Von den 3.300 Forschern, die im Ranking 2017 gelistet sind, wurden zusammen über 130.000 vielzitierte Arbeiten veröffentlicht. Siehe: pik-potsdam.de/piks-juergen-kurths-unter-den-meistzitierten-wissenschaftlern]

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