Öffentlicher Investitionsbedarf zur Erreichung der Klimaneutralität

Fünf Billionen Euro – Klimaschäden werden teurer

Die deutsche Klimaneutralität soll zwar erst 2045 erreicht werden, erfordert aber bis dahin erhebliche Investitionen. Demgegenüber stehen allerdings Milliardenschäden, die der Klimawandel schon jetzt verursacht hat. Die Klimaneutralität wird Deutschland rund fünf Billionen Euro kosten, schätzt KfW Research in einer bei der Basler Prognos AG in Auftrag gegebenen Untersuchung. Nichts tun wäre aber auch keine Option: Die Klimaschutzziele können heute mit bekannten Technologien erreicht werden, erfordern aber langfristige Transformation klimarelevanter Systeme und Prozesse – so die KfW in einer Medienmitteilung vom 19.07.2022.

Klimawandel – Erdgasreklame – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Notwendig seien aber deutliche Umsteuerungen und beträchtliche Investitionen – insbesondere in klimafreundliche Technologien, welche die Treibhausgasemissionen im Zeitverlauf dauerhaft senken. Im Auftrag der KfW hat Prognos (zusammen mit Nextra Consulting und Institut für nachhaltige Kapitalanlagen) 2021 erstmals die gesamte Klimaschutzinvestitionen quantifiziert und nach Sektoren und Betreffnissen aufgeteilt (Prognos et al.). Auf Grundlage dieser Untersuchung wird in der aktuellen Kurzstudie der öffentliche Anteil an den Klimaschutzinvestitionen berechnet.

Knapp 500 Mrd. Euro notwendig

Die öffentlichen Investitions­bedarfe zur Erreichung der Klima­neutralität in Deutschland bis 2045 lassen sich auf knapp 500 Mrd. EUR schätzen, was jährlichen Klimaschutz­investitionen von durchschnittlich rund 20 Mrd. EUR entspricht. Die größten staatlichen Bedarfe werden in den Sektoren Energie (297 Mrd. EUR), Verkehr (137 Mrd. EUR) und bei den Gebäuden (47 Mrd. EUR) anfallen. Diese Beträge sind in den öffentlichen Haushalten durchaus finanzierbar, stellen aber immerhin eine Versechs­fachung des gegenwärtigen Investitions­niveaus dar. Ohne eine stringente Anpassung der Zuständigkeiten, Finanzströme und Kompetenzen zwischen den föderalen Ebenen Bund, Länder und Kommunen wird es kaum möglich sein, die nachhaltige Steigerung der erforderlichen Klimaschutz­investitionen in Angriff zu nehmen.

Unklar ist, wie sich die Zuständigkeiten und Finanzierungs-möglichkeiten zwischen den Ebenen im föderalen Staat darstellen. Damit erfordert die Realisierung der erforderlichen Investitionen für die Klimaneutralität nicht nur eine Priorisierung innerhalb der öffentlichen Haushalte, sondern darüber hinaus eine Klärung des Aufgabenzuschnitts und der Finanzströme zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Das Ziel der Klimaneutralität erfordert einen tiefgreifen-den volkswirtschaftlichen Wandel

Deutschland hat sich verpflichtet, seinen Beitrag zum globalen Klimaschutz beizusteuern und bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen.1 Dies bedeutet, dass die deutsche Volkswirtschaft in rund zwei Jahrzehnten ihre Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null herunterfahren muss. Das erfordert eine grundlegende Anpassung der Art und Weise des Wirtschaftens und stellt eine große transformative Herausforderung dar.

Die für Klimaneutralität erforderlichen technischen Prozesse sind im Wesentlichen bekannt oder sogar bereits verfügbar.2 Voraussetzung für die Zielerreichung ist jedoch, dass nahezu alle nun anstehenden Investitionen kompatibel mit dem Ziel der Klimaneutralität sind und ein „Carbon-Lock-In“ vermieden wird. Derzeit bestehen jedoch noch keine hinreichenden An-reize, um alle Investitionen dergestalt auszurichten und eine rechtzeitige Transformation der Wirtschaft zu initiieren.3

Daher sind insbesondere die staatlichen Akteure gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen und auch die Investitionen des öffentlichen Sektors selbst klimaneutral auszurichten.

Die erforderlichen Mehrinvestitionen betragen in Deutschland insgesamt rund 2 % des BIP

Im Auftrag von KfW Research haben Prognos et al. (2021) die bisherige Forschungslage zu den mit der Transformation ver-bundenen Investitionen zusammengefasst und durch eigene Berechnungen der Investitionsbedarfe zur Erreichung von Kli-maneutralität in Deutschland ergänzt.4 Im Ergebnis sind gesamtwirtschaftliche Investitionen in Höhe von insgesamt rund 5 Bio. EUR bis zur Mitte des Jahrhunderts erforderlich, um in Deutschland Klimaneutralität zu erreichen. Hiervon sind rund 1,9 Bio. EUR sogenannte Mehrinvestitionen5, die über die Investitionsbedarfe im Referenzfall hinausgehen. Verteilt man die gesamten Klimaschutzinvestitionen auf die verbleibende Zeit bis 2045, entstehen Investitionsbedarfe von durchschnittlich rund 190 Mrd. EUR pro Jahr bzw. 5,2 % des deutschen BIP. Die Mehrinvestitionen betragen jährlich gut 70 Mrd. EUR bzw. 1,9 % des BIP.

Der Großteil dieser Klimaschutzinvestitionen entfällt mit 2,1 Bio. EUR auf den Verkehrssektor. Es folgen die Sektoren Energie mit 875 Mrd. EUR, Industrie mit 620 Mrd. EUR und Private Haushalte (PHH) mit 636 Mrd. EUR.6 Auf den Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD) entfallen 237 Mrd. EUR. Weitere rund 500 Mrd. EUR sind erforderlich, um die Differenz zwischen dem sektorspezifischen Klimaschutzplan und dem Ziel der Klimaneutralität zu überbrücken. Dies betrifft im Wesentlichen die Sektoren Industrie und Landwirtschaft – sowie zum kleineren Teil den Energiesektor.

Infobox

Die Studie „Der Beitrag von Green Finance zum Erreichen von Klimaneutralität in Deutschland“ im Auftrag der KfW beziffert die anstehenden Klimaschutzinvestitionen in Deutschland auf rund 5 Bio. EUR. Konkret wurden Mehrinvestitionen, Klimaschutzinvestitionen und Gesamtinvestitionen zunächst für ein aktuelles Szenario (Klimaschutzplan-Szenario, kurz: KSP-Szenario) beziffert, differenziert nach Sektoren und Ak-teursgruppen, in Summe rd. 4,5 Bio. EUR. Dies wurde er-gänzt um die Investitionen zur Schließung der verbleibenden Lücke zum Erreichen von Netto-Nullemissionen mit rund 0,5 Bio. EUR. Somit wurde erstmals ein umfassendes Bild der Investitionsbedarfe für alle Sektoren auf dem Weg zu Klimaneutralität dargelegt.

Auf Basis dieser Studie wurde im Rahmen einer Sonderauswertung die Kurzstudie „Öffentlicher Anteil an Klimaschutzinvestitionen“ erstellt, die den Anteil öffentlicher Investitionen abschätzt. Auf Grundlage dieser Ergebnisse werden in der vorliegenden Studie unter Berücksichtigung weitergehender Annahmen die öffentlichen Investitionsbedarfe zur Erreichung der Klimaneutralität näherungsweise beziffert.

Der Staat hat eine zentrale Rolle zur Realisierung der anstehenden Investitionen

Die öffentliche Hand ist mit Blick auf die erforderlichen Investitionen in doppelter Hinsicht gefordert. Der Staat hat zum einen eine Rahmensetzungsfunktion, um private Investitionen anzu-regen. Hierzu zählen neben der Gestaltung des CO2-Preises sowie weiterer Abgaben und Umlagen auch die gezielte Förderung grüner Technologien. Zum anderen haben Bund, Länder und Kommunen auch eigene Investitionsfelder bzw. eine Vorbildfunktion, der die staatlichen Institutionen gerecht werden können, indem sie eigene Klimaschutzinvestitionen tätigen. Zur Höhe der anfallenden Finanzbedarfe für die öffentlichen Haushalte liegen wenige und teilweise stark differgierende Angaben vor.7

Zur Abschätzung des öffentlichen Anteils an den Investitionsbedarfen wurde auf Grundlage der o. g. Studie eine Sonderauswertung in Form einer Kurzstudie vorgenommen.8 Diese betrachtet sowohl die erforderlichen Klimaschutz- als auch die darin enthaltenen Mehrinvestitionen, nicht jedoch konsumtive Transferausgaben wie Subventionen und Förderprogramme zur Anregung privater Klimaschutzinvestitionen. Zudem orientieren sich die Ergebnisse am KSP-Szenario, das noch nicht vollständige Klimaneutralität abbildet, sodass weitere Annahmen getroffen werden müssen, um diese Lücke zu schließen.

Im Resultat lassen sich somit die öffentlichen Klimaschutzinvestitionen zur annähernden Erreichung von Klimaneutralität auf 484 Mrd. EUR beziffern (Grafik 1).9 Weitere Investitionen können hinzukommen, wenn von den 471 Mrd. EUR für Negativemissionen auch noch Teile auf die öffentliche Hand entfallen. Letzteres ist derzeit noch nicht seriös abschätzbar.

Der öffentliche Anteil beträgt somit mindestens rund 10 % der gesamten Klimaschutzinvestitionen, bis zu 90 % müssen von privaten Investoren bereitgestellt werden. Dies entspricht auch ziemlich genau dem momentanen Anteil privater Investoren an den gesamten Bruttoanlageinvestitionen in Deutschland, der in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt bei rund 89 % lag.10

Der Staat muss höhere Mehrinvestitionen im Klimaschutz realisieren

Von den öffentlichen Klimaschutzinvestitionen in Höhe von 484 Mrd. EUR sind rund 212 Mrd. EUR Mehrinvestitionen. Das sind etwas weniger als die Hälfte (44 %) und somit ein höherer Anteil als bei den privaten Investitionen (29 %, Grafik 2). Bezieht man die erforderlichen Summen auf den aktuellen Zielpfad mit Erreichung von Klimaneutralität im Jahr 2045, stellen die ermittelten Werte einen durchschnittlichen Investitionsbedarf der öffentlichen Hand von ca. 19 Mrd. EUR dar, bzw. Mehrinvestitionen von rund 8 Mrd. EUR pro Jahr.11

Vom Umfang her dürften die 19 Mrd. EUR pro Jahr in den öffentlichen Haushalten generell darstellbar sein, zumal sie investiven Charakter besitzen. Zum Vergleich: Diese Größenordnung entspricht in etwa den gesamtstaatlichen Zinsausgaben, die Bund, Länder und Kommunen für die öffentlichen Schulden 2021 bezahlen mussten.12 Sie stellen jedoch eine erhebliche Steigerung der bisherigen Investitionsausgaben für den Klimaschutz dar. So erfasst die amtliche Statistik für 2018 staatliche Umweltschutzinvestitionen in Höhe von gerade einmal 3 Mrd. EUR.13 Eine Steigerung auf die in dieser Studie ermittelten Investitionserfordernisse entspräche somit ungefähr einer Versechsfachung.

Die staatlichen Investitionsfelder für Klimaschutzaktivitäten liegen vor allem bei Energie und Verkehr

Bis auf den Industriesektor lassen sich für die öffentliche Hand in allen Wirtschaftssektoren gewisse Investitionsbedarfe identifizieren. Die größten öffentlichen Klimaschutzinvestitionsbedarfe fallen mit 297 Mrd. EUR im Energiesektor an. Dies sind im Wesentlichen Erneuerbare-Energien-Anlagen (249 Mrd. EUR) und spiegelt wider, dass sich, auf Basis der erzeugten Strommenge, knapp die Hälfte der größten Stromerzeuger in Deutschland im Besitz deutscher Gebietskörperschaften befindet.14

Dahinter folgt der Verkehrssektor mit Klimaschutzinvestitionen von 137 Mrd. EUR. Infrastrukturmaßnahmen haben hier den größten Anteil, etwa im Bereich Schiene (51 Mrd. EUR), Ladeinfrastruktur (34 Mrd. EUR) und Oberleitungen auf Auto-bahnen (22 Mrd. EUR); der Rest entfällt auf Fahrzeuge.

Im Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD) erwächst der öffentlichen Hand mit rund 47 Mrd. EUR der dritthöchste Investitionsbedarf – namentlich für die energetische Ertüchtigung öffentlicher Gebäude. Im Bereich Private Haushalte (PHH) entstehen weitere 3 Mrd. EUR für Energieeffizienz im staatlichen Wohnbau. Im Industriesektor sind der öffentlichen Hand keine Investitionsbedarfe zuzuordnen.

Neben den sektoral direkt zuweisbaren Investitionen verbleiben noch Investitionsbedarfe im Umfang von 471 Mrd. EUR, um die im KSP-Szenario verbleibenden Restemissionen auszugleichen, in erster Linie durch Negativemissionstechnologien (z. B. Direct Air Capture). Restemissionen werden vor allem in den Bereichen Industrie und Landwirtschaft erwartet, es ist jedoch heute unklar, wer letztendlich für die Implementierung der Negativemissionstechnologien verantwortlich sein wird. Sollte sich die öffentliche Hand an den Negativemissionen beteiligen, würde dies ihre Investitionsbedarfe noch ein-mal erhöhen, im Extremfall sogar nahezu verdoppeln. Diese Investitionen würden jedoch ggf. erst zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Transformationspfad anfallen.

Die föderalen Ebenen haben unterschiedliche Investitionsbedarfe und Finanzierungsmöglichkeiten

Eine tiefergehende Aufteilung der Investitionserfordernisse auf die Ebenen Bund, Länder und Kommunen ist mit dem gewählten Vorgehen kaum möglich. Dieses fehlende Puzzleteil ist in-sofern misslich, weil die föderalen Ebenen sehr unterschiedli-che finanzpolitische Handlungsmöglichkeiten haben, um mit den Klimaneutralitäts-Investitionen die einhergehenden Finan-zierungsbedarfe zu decken.

Der Bund hat vergleichsweise viel Spielraum, die erforderli-chen Ausgaben im Haushalt vorzusehen. Die anfallenden Investitionen können über mehrere Wege finanziert werden. Denkbar wäre beispielsweise ein Abbau umweltschädlicher Subventionen, mit denen sich geschätzte 46 bis 57 Mrd. EUR pro Jahr gegenfinanzieren ließen.15 Die Klimaschutzinvestitionen auf das erforderliche Maß zu steigern, ließe sich auch über Verschuldung finanzieren. Bei einer Stabilisierung der Schuldenstandsquote auf 60 % werden noch fiskalische Spielräume für nachhaltige Zukunftsinvestitionen in einer Größenordnung von bis zu 40 Mrd. EUR pro Jahr gesehen.16 Ausreichende Optionen zur Finanzierung der direkten öffentlichen Klimaschutzinvestitionen im Bundeshaushalt erscheinen somit gegeben.

Für die Länder gestaltet sich die Finanzierung der Investitio-nen für die Klimaneutralität schon herausfordernder, da ihnen die Haushaltsvorgaben eine Neuverschuldung verbieten und sich eine Umstrukturierung in den Haushalten aufgrund des hohen Anteils fixer Personalausgaben schwierig gestaltet. Je-doch haben die Länder nochmals mehr Möglichkeiten, eigene Steuereinnahmen zu generieren als es wiederum die Kommu-nen haben, die in ihren Ausgaben wie Einnahmen sehr stark in bestehenden Mustern gefangen und überdies in hohem Maße von den finanzpolitischen Entscheidungen des Bundes und des eigenen Bundeslandes abhängig sind.

Klimaneutralität wird zu großen Teilen vor Ort erreicht

Gleichwohl kommt den Kommunen für die Umsetzung der Kli-maneutralität eine zentrale Rolle zu. Das lokale Engagement reicht dabei von der Flächenausweisung für erneuerbare Energien über die Sanierung öffentlicher Gebäude wie Schu-len und Rathäuser bis hin zur planerischen Umsetzung der Wärmewende oder der Verkehrswende.17 Bei den Klima-schutzmaßnahmen können überschlägig fast zwei Drittel der erforderlichen öffentlichen Investitionen auf Ebene der Städte, Gemeinden und Landkreise verortet werden.18

Berücksichtigt man zudem die Schwierigkeiten der Kommu-nen, bereits den Status Quo ihrer Daseinsvorsorge und Infra-struktur hinreichend zu finanzieren, wird deutlich, dass die fi-nanziellen Bedarfe zur Erreichung der Klimaneutralität die kommunalen Haushalte besonders fordern werden. Bereits jetzt beträgt der wahrgenommene Investitionsrückstand laut KfW-Kommunalpanel 2022 rund 159 Mrd. EUR, wobei weiter-gehende Bedarfe für den Klimaschutz zumeist noch gar nicht berücksichtigt sind.19 Die anfallenden Kosten sind daher kaum in den laufenden Haushalten zu finanzieren, einer Kreditauf-nahme steht allerdings das Haushaltsrecht entgegen.20 Somit müssen Bund und Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Kommunalfinanzen die Weichen so stellen, dass die Fi-nanzierung der Klimaneutralität auf lokaler Ebene gewährleis-tet ist.

Investitionen in den Klimaschutz lohnen sich auch in ökonomischer Hinsicht

Die Finanzierung wird also herausfordernd, selbst wenn die Beträge relativ zu den wirtschaftlichen Kennzahlen Deutsch-lands überschaubar sind. Wichtig ist zudem, dass Klima-schutzinvestitionen nicht als verlorene Kosten zu sehen sind. Vielmehr bietet sich die Chance, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand des Standorts Deutschland zu verbessern, denn grüne Märkte sind Zukunftsmärkte mit Wachstumspotenzial.

Die Modellrechnungen zeigen, dass die gesamtwirtschaftli-chen Effekte von Investitionen in den Klimaschutz zumindest im Bereich einer „schwarzen Null“ anzusiedeln sind – langfris-tig sind sogar leicht positive Effekte auf Bruttoinlandsprodukt bzw. Beschäftigung zu erwarten.21 Und die Bilanz fällt noch vorteilhafter aus, wenn die positiven Folgen des Klimaschut-zes, etwa durch reduzierte Extremwettereignisse und verrin-gerte Klimaschäden, berücksichtigt werden.22

Fazit: Mehr öffentliche Klimaschutzinvestitionen sind nö-tig – und auch möglich

Der Staat muss mehr in den Klimaschutz investieren, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Auf Grundlage bisheriger Überlegungen zu den erforderlichen transformativen Investitionen lassen sich erste finanzielle Größenordnungen abschätzen, die unmittelbar durch den Staat zu leisten sind. Berücksichtigt man weitere absehbare, aber noch nicht zu quan-tifizierende Bedarfe, so wird deutlich, dass es sich bei allen Schätzungen eher um konservative Annahmen und damit einen unteren Rand der erforderlichen Klimaschutzinvestitionen handelt. Hinzu kommen mit den Investitionen verbundene lau-fende (konsumtive) Ausgaben beispielsweise für Betrieb und Unterhalt der Anlagen, die hier nicht berücksichtigt werden konnten.

Wichtiger als die absoluten Eurobeträge ist aber, überhaupt die Weichen in Richtung eines konsequenten Klimaschutzes zu stellen. Hierbei ist eine kontinuierliche Steigerung zielgerechter öffentlicher Investitionen anzustreben, damit die Kapazitäten von Verwaltung und Wirtschaft sinnvoll ausgeweitet werden können und es nicht zu Preissteigerungen und Strohfeuereffekten kommt. Spätestens nach 2025 sind substanzielle Investitions- bzw. Finanzierungsbedarfe zu erwarten, sodass bis dahin schrittweise ein Investitionspfad eingeschlagen werden muss, der die Grundlage für die dann anstehenden Investitionen legt.

Die Herausforderung für Bund, Länder und Kommunen wird darin bestehen, nicht nur die geeigneten Maßnahmen zu identifizieren und zeitnah umzusetzen, sondern mit Blick auf die knappen Haushaltsbudgets die Finanzströme im föderalen System so zu steuern, dass sie dort ankommen, wo sie für die Transformation benötigt werden. Drängend ist beispielsweise die Frage, wie die Gelder von der Bundes- auf die Kommunalebene gelangen können.

Die Analyse zeigt zudem, dass die öffentliche Hand die insgesamt erforderlichen Investitionen nicht allein stemmen kann und rund 90 % der Klimaschutzinvestitionen von privaten In-vestoren zu leisten sind. Daher ist es essenziell, dass die öffentlichen Investitionen umfangreiche private Investitionen nach sich ziehen. Privates Kapital ist vorhanden und muss „nur“ in klimafreundliche Ziele fließen. Hierbei helfen entsprechende politischen Rahmensetzungen, insbesondere ein steigender CO2-Preis, ergänzt durch flankierende Instrumente wie Grenzsteuerabkommen, Carbon Contracts for Difference oder Förderprogramme – die ebenfalls aus den öffentlichen Haus-halten zu speisen sind.23 Der quantifizierte Umfang der anstehenden Investitionen ist als grobe Schätzung zu verstehen, passt aber von der Größenordnung zu den wenigen anderen verfügbaren Zahlen. So schätzen Krebs und Steitz (2021) beispielsweise den Bedarf an direkten öffentlichen Klimaschutzinvestitionen auf 26 Mrd. EUR pro Jahr. Dieser Wert liegt etwas oberhalb der hier identifizierten 19 Mrd. EUR, was sich durch einen anderen zeitlichen Fokus, eine etwas weiter gefasste in-haltliche Abdeckung sowie eine andere Schätzmethodik erklä-ren lässt.24

Staatliche Investitionen in dieser Größenordnung erscheinen machbar, erfordern allerdings eine konsequente Priorisierung des Klimaschutzes, selbst wenn man die zusätzlich erforderlichen Mittel zur Stimulation privater Investitionen (z. B. über Förderung privater Klimaschutzmaßnahmen) mitdenkt, für die laut ersten Schätzungen noch einmal ungefähr die gleiche Summe aufgebracht werden müsste.25 Allerding ist es – insbesondere in Zeiten der Krisen – nicht leicht, die notwendigen Spielräume in den öffentlichen Haushalten zu eröffnen.

Effektiver Klimaschutz ist eine Absicherung gegen verschi-dene Risiken der Zukunft und eröffnet auch Chancen: Er verringert die Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen und die resultierenden Klimafolgekosten insgesamt, macht das Land unabhängiger von fossilen Energieimporten aus globalen Krisenregionen und gewährleistet die Teilnahme an grünen Zukunftsmärkten.


Anmerkungen

1  Grundlage hierfür ist das am 24. Juni 2021 vom Bundestag beschlossenen Klimaschutzgesetz.
2  Vgl. Brüggemann, A. (2021): Klimaneutral bis 2050: eine große Transformationsaufgabe für die deutsche Industrie, Fokus Volkswirtschaft Nr. 322, KfW Research.
3 Insbesondere entspricht der CO2 Preis noch nicht den volkswirtschaftlichen Kosten der Emission, die das Umweltbundesamt auf 180 EUR pro Tonne CO? schätzt, vgl. Umweltbundesamt (2018): Hohe Kosten durch unterlassenen Umweltschutz. Angesichts der Kürze der verbleibenden Zeit und der Gefahr von Pfadabhängigkeiten erscheint es zudem fraglich, ob steigende CO2- Preise allein schnell genug tiefgreifende Innovationseffekte auslösen können.
4  Vgl. Brand, S., Römer, D. und M. Schwarz (2021): 5 Bio. EUR klimafreundlich investieren – eine leistbare Herausforderung, Fokus Volkswirtschaft Nr. 350, KfW Research. Vgl. hierzu auch Prognos et al. (2021): Beitrag von Green Finance zum Erreichen von Klimaneutralität in Deutschland, Studie im Auftrag der KfW.
5   Mehrinvestitionen sind Investitionen, die über die in der Referenz ohnehin getätigten Investitionen hinausgehen (z. B. Differenzkosten zwischen einer gedämmten und einer ungedämmten Fassade einer Schule). Die Referenz umfasst sowohl nicht klimaschutzbezogene „ohnehin“-Investitionen als auch bestimmte klimaschutzbezogene „ohnehin“-Investitionen (z. B. sind bestimmte Erneuerbare-Energien-Anlagen bereits in der Referenz erfasst), vgl. Prognos et al. (2021): a. a. O.
6  Im Energiesektor wurden Investitionen im Umfang von 35 Mrd. EUR mitberücksichtigt, die benötigt werden, um die im KSP-Szenario verbleibenden fossilen Gase ersetzen und die Kraftwerke stattdessen treibhausgasneutral mit grünem Wasserstoff betreiben zu können.
7  Vgl. SVR (2021): Transformation gestalten: Bildung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit – Jahresgutachten 21, Tabelle 15, Seite 166. Eine erste Schätzung beziffert die öffentlichen Investitions-bedarfe für den Klimaschutz von Bund, Ländern und Kommunen mit 460 Mrd. EUR bis 2030, wobei eine Senkung der Treibhaus-Emissionen von 65 % gegenüber 1990 erzielt werden soll. Dabei entfallen 90 Mrd. EUR auf Bundesinvestitionen, 170 Mrd. EUR auf kommunale Investitionen und 200 Mrd. EUR auf die Förderung privater Investitionen. Vgl. Krebs, T. und J. Steitz (2021): Öffentliche Finanzbedarfe für Klimainvestitionen im Zeitraum 2021–2030, Forum New Economy Working Paper No. 03 2021. Die Vergleichbarkeit der verschiedenen Studien ist stark eingeschränkt, da jede Analyse eine abweichende Methodik wählt. Unterschiede liegen demnach in der Berücksichtigung konkreter Maßnahmen, der Finanzierungs- und Ausführungszuständigkeiten sowie definitorischen Abgrenzungen zentraler Begriffe und Zeiträume, sodass die geschätzten Beträge allenfalls in ihrer groben Größenordnung und Wirkungsrichtung nebeneinander betrachtet werden sollten.
8 Vgl. Prognos (2022): Beitrag von Green Finance zum Erreichen von Klimaneutralität in Deutschland – Öffentlicher Anteil an Klimaschutzinvestitionen. Kurzstudie im Auftrag der KfW.
9 Diese Zahl setzt sich zusammen aus 467 Mrd. EUR aus dem KSP-Szenario sowie 17 Mrd.EUR zur Erreichung von Klimaneutralität, die im Sektor Energie anfallen und dem öffentlichen Anteil (49,5 %) der 35 Mrd. EUR für einen stärkeren Einsatz von Wasserstoff entspricht.
10 Vgl.SVR (2021): Transformation gestalten: Bildung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit – Jahresgutachten 21, Ziffer 209.
11 Wir unterstellen hier einfachheitshalber einen linearen Investitionsbedarf über den Zeitverlauf hinweg. In der Realität werden die Investitions- und Finanzierungsbedarfe zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich hoch ausfallen, wobei von tendenziell wachsenden Bedarfen im weiteren Zeitverlauf ausgegangen werden kann.
12 Vgl. Statistisches Bundesamt (2022): Vierteljährliche Kassenergebnisse des Öffentlichen Gesamthaushalts, FS. 14 R. 2, 1.-4. Vierteljahr 2021, Tab. 1.1.
13 Vgl.Statistisches Bundesamt (2021): Umweltökonomische Gesamtrechnung. Neben den Investitionen werden zudem laufende Umweltschutzausgaben von 6,9 Mrd. EUR erfasst. Das staatliche Engagement für den Klimaschutz geht aber darüber hinaus, z.B. in Form von 2,4 Mrd. EUR zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in der Entwicklungshilfe. Dem gegenüber werden für die Industrieunternehmen (Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe) Klimaschutzinvestitionen in Höhe von 3,5 Mrd. EUR (2019) ausgewiesen.
14 Der Wert für den Energiesektor setzt sich zusammen aus 280 Mrd. EUR aus dem KSP-Szenario sowie 17Mrd.EUR zur Erreichung von Klimaneutralität, die im Sektor Energie anfallen und dem öffentlichen Anteil (49,5 %) der 35 Mrd. EUR für einen stärkeren Einsatz von Wasserstoff entspricht.
15 Das Umweltbundesamt fasst in einem Bericht Subventionen im Jahr 2012 in Höhe von rund 57 Mrd. EUR zusammen, die sie als umweltschädlich einstufen, vgl. hierzu Köder, L. und A. Burger (2016): Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Eine Berechnung des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft aus dem Jahr 2020 im Auftrag von Greenpeace geht davon aus, dass die Bundesregierung mit dem schrittweisen Abbau von zehn besonders klimaschädlichen Subventionen in den Sektoren Energie, Verkehr und Agrar jährlich bis zu 46 Mrd. EUR Einnahmen erzielen könnte, vgl. hierzu Beermann A. et al. (2020): Zehn klimaschädliche Subventionen im Fokus.
16 Der finanzielle Spielraum entsteht durch den Verzicht auf aktuelle Vorgaben zum Budgetsaldo, die zu einer Reduktion der Schuldenstandsquote unter 60 % führen würden. Vgl. Prognos (2021): Schulden-Check Corona. Wie stark belastet die Corona-Krise die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen?, Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
17 Vgl. bspw.Difu (2018): Klimaschutz in Kommunen – Praxisleitfaden oder Umweltbundesamt (2022): Klimaschutzpotenziale in Kommunen – Quantitative und qualitative Erfassung von Treib-hausgasminderungspotenzialen in Kommunen.
18 Vgl. Krebs, T. und J. Steitz (2021): a.a.O.
19 Vgl. Raffer, C. und H. Scheller (2022): KfW-Kommunalpanel 2022, KfW Research.
20 Vgl. Brand, S. und J. Salzgeber (2021): Finanzierung öffentlicher Investitionen: Kredite allein helfen den Kommunen nicht, Fokus Volkswirtschaft Nr. 360, KfW Research.
21 Vgl. Brand, S., Römer, D.und M.Schwarz (2021), a.a.O. Für eine ausführlichere Darstellung von Methodik und Ergebnissen vgl. Prognos et al.(2021): a. a.O.
22 Vgl. hierzu u. a. Kikstra, J. et al. (2021): The social cost of carbon dioxide under climate-economy feedbacks and temperature variability.Environmental Research Letters, 16(9) sowie für Deutschland Kempfert, C. (2007): Klimawandel kostet die deutsche Volkswirtschaft Milliarden, DIW Wochenbericht 11 / 2007, S. 165–169.
23 Vgl. Römer, D. und M. Schwarz (2022): Wie können CO?-Differenzkontrakte zum Ziel der Klimaneutralität beitragen? Fokus Volkswirtschaft Nr.389, KfW Research.
24 Krebs und Steitz (2021) betrachten nur die Jahre bis 2030, berücksichtigen weitere Maßnahmen mit indirektem Klimabezug, u. a. eine Stärkung von Weiterbildung und Bauämtern (20Mrd.EUR), Digitalisierung der Schiene (50 Mrd. EUR inkl. Neubau), umfangreiche Förderung für den sozialen Wohnbau (50 Mrd. EUR) und nutzen verschiedene Einzelquellen als Grundlage anstelle einer zentralen Modellierung, vgl. Krebs, T. und J. Steitz (2021): a.a.O.
25 Vgl. Krebs und Steitz (2021): a.a.O.

->Quellen: