Saudi-Arabien sucht Investoren für Solar und Nuklear

Große Pläne – Viele Fragen noch offen
von Robert Espey (Germany Trade & Invest)

Die Bestrebungen Saudi-Arabiens, zunehmend nicht-fossile Energien zu nutzen, sind vor allem eine Reaktion auf den rasant steigenden Strombedarf, der mittelfristig die für den Export verfügbaren Ölmengen stark reduzieren würde. Bisher ist wenig in alternative Energien investiert worden, aber die Planungen werden immer ambitionierter. Der größte Teil des starken Ausbaus des Energiesektors ist für Solarkraft vorgesehen, aber es sollen auch bis zu 16 Atomkraftwerke entstehen. Ausländische Unternehmen zeigen sich sehr interessiert.

Im Ölstaat Saudi-Arabien ist die Nutzung von Solarenergie noch sehr gering. Landesweit dürfte die Photovoltaik (PV) mit weniger als 10 MW zur Energieversorgung beitragen. Hinzu kommen einige solarthermische Anlagen. Der nun für 2030 angestrebte Energiemix sieht für Öl- und Gaskraftwerke eine Verminderung des Anteils an der installierten Kraftwerksleistung von derzeit fast 100 auf etwa 50% vor. Für Solarenergie wird rund ein Drittel anvisiert. Hinsichtlich des restlichen Sechstels besteht offensichtlich noch Uneinigkeit, welchen Stellenwert hier neben der Atomkraft andere erneuerbare Energien (EE; Wind, Geothermie) und Waste-to-Energy-Projekte haben sollen. Das bis 2030 im saudi-arabischen Stromsektor geplante Investitionsvolumen könnte bei etwa 300 Mrd. US$ liegen. Diese Summe umfasst auch die ebenfalls geplanten weiteren Öl- und Gaskraftwerke und den notwendigen Netzausbau.

Erste Solarprojekte realisiert

Mit Stolz verweist Saudi-Arabien auf die weltgrößte solarthermische Heizanlage, die auf den Dächern der Princess Noura Bint Abdulrahman University in Riad, der neuen Frauen-Hochschule des wahhabitischen Königreichs, montiert ist. Die 25-MWth-Anlage (im Winter 17 MWth) versorgt die 40.000-Studentinnen-Universität mit Warmwasser und dient zur Heizungsunterstützung des 8 qkm großen Campusgeländes. Rund 12 Mrd. US$ soll die gesamte Universität gekostet haben, etwa 14 Mio. US$ das Solarprojekt.

Hersteller der Solarkollektoren ist die Firma GREENoneTEC mit Sitz im österreichischen St. Veit. Geplant und durchgeführt wurde das Vorhaben von Millennium Energy, einem Spezialisten für Solarlösungen im mittleren Osten und nordafrikanischen Raum. GREENoneTEC-Geschäftsführer Robert Kanduth beziffert das Auftragsvolumen für seine Firma mit 3,6 Mio. Euro. Die Kollektoren erstreckten sich auf 36.000 qm, was fünf Fußballfeldern entspreche.

Ein PV-Solarprojekt mit 500 kW haben 2011 die Ölgesellschaft Saudi Aramco und das japanische Unternehmen Showa Shell Sekiyu KK abgeschlossen. Das Projekt gehört zu einem Drittel Shell und zu 15% Aramco und liegt auf der saudi-arabischen Farasan Island im Roten Meer. Kooperationspartner ist die Saudi Electricity Company (SEC). Ali al Barrak, der CEO der staatlichen Stromgesellschaft, erklärt, es handele sich um ein Pilotprojekt, eine 10- bis 15-MW-Anlage mit gleicher Technologie werde folgen. Showa Shell stellt die verwendeten CIS (Copper Indium Selenide) Dünnfilm-Solarzellen her und denkt über den Aufbau einer Produktionsstätte in Saudi-Arabien nach.

Eine Tochter der Phoenix Solar AG (Sulzemoos bei München) hat 2011 in der Nähe von Riad für Saudi Aramco eine 3,5-MW-PV-Anlage errichtet, als lokaler Projektpartner war Naizak Global Engineering Systems beteiligt. Der Solarpark steht auf dem Gelände des King Abdullah Petroleum Studies and Research Center (KAPSARC). „Der Solarmarkt steht noch am Anfang“, so Klaus Friedl von Phoenix Solar anlässlich der Vertragserteilung. „Aber Saudi-Arabien bietet ein großes Potential für Solarkraftwerke. Wir freuen uns, die größte Freiflächenanlage im Land errichten zu können.“

Eine 2-MW-Dachinstallation hat 2010 die King Abdullah University of Science and Technology in Thuwal erhalten. Durchgeführt wurde das Projekt von der Hamburger Conergy AG gemeinsam mit dem saudi-arabischen Systemintegrator National Solar Systems. Anfang 2012 wurde von Conergy eine 200-kW-Aufdachanlage im neuen Finanzzentrum der Hauptstadt, dem King Abdullah Financial District (KAFD), fertiggestellt; diesmal in Zusammenarbeit mit der lokalen Firma Modern Times Technical Systems.

Alexander Lenz, Conergy-Chef für Südostasien und Mittelost, erklärt: „Das KAFD ist zweifelsohne ein ökologischer Vorreiter (…). Das Unternehmen zeigt mit seiner umweltfreundlichen Architektur, wie der saudi-arabische Finanzsektor die Abhängigkeit von fossilen Energiequellen reduzieren kann. Mit der ersten solaren Aufdachanlage in Riad setzt das KAFD ein Zeichen.“

Der neue Mega-Plan für 2030

Nach den Vorstellungen der Regierungsplaner in Riad sollen auf die bisher relativ bescheidenen Solarprojekte jetzt Investitionen zur Entwicklung alternativer Energien in dreistelliger Milliardenhöhe folgen. Ein älteres Konzept der 2010 gegründeten King Abdallah City for Atomic and Renewable Energy (KACARE), eine Art Ministerium für nicht-fossile Energien, hatte für 2050 einen 49%-Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix vorgesehen, für 2030 wurde eine Quote von etwa 30% genannt. Schon 2011 sollte ein 5-GW-Solarprogramm in Angriff genommen werden.

Diesen bisherigen KACARE-Plänen zufolge wäre bis 2050 der Öl- und Gasanteil an der Energieerzeugung von aktuell fast 100% auf nur noch 15% gefallen. Die für erneuerbare Energien vorgesehenen 49% sollten sich auf 20 Prozentpunkte Photovoltaik, 19 Punkte CSP-Anlagen (Concentrated Solar Power) und zehn Punkte sonstige erneuerbare Energien (Wind etc.) verteilen. Der Anteil des Atomstroms sollte 2050 etwa 36% erreichen.

Jetzt hat KACARE einen überarbeiteten Master Plan zur Zukunft der Energiewirtschaft bis 2030 vorgelegt, über die Perspektiven bis 2050 werden keine neuen Angaben gemacht. Saudi-Arabien will nicht nur zum größten Produzenten von Solarenergie aufsteigen, sondern auch zum international führenden Technologiezentrum und Produzenten von Ausrüstungen für erneuerbare Energien werden. Den aktuellen Plänen zufolge sollen bis 2030 (es wird teilweise auch 2032 genannt) Solaranlagen eine Leistung von 41 GW bereitstellen. Davon sind 25 GW für CSP- und 16 GW für PV-Kraftwerke vorgesehen, deren Investitionskosten mit insgesamt 109 Mrd. US$ veranschlagt werden.

Gemäß der KACARE-Kalkulation benötigt Saudi-Arabien 2030 Kraftwerkskapazitäten von insgesamt 122,5 GW, derzeit sind maximal 55 GW verfügbar. Öl- und Gaskraftwerke werden weiterhin gebaut und sollen 2030 eine Leistung von 60,5 GW bereitstellen, somit einen Anteil am Energiemix von 49%. Neben den 41 GW beziehungsweise 33% aus Solarenergie sollen die restlichen 21 GW auf Atomkraft sowie Wind, Biomasse, Waste-to-Energy, Geothermie etc. entfallen.

Den Plänen zufolge gehen innerhalb der nächste fünf Jahre Solarkraftwerke mit einer Gesamtleistung von etwa 3 GW ans Netz. In zehn Jahren sollen es 17 GW sein, davon 10 GW CSP-Anlagen und 7 GW PV-Installationen. Insgesamt 28 GW (17 GW CSP und 11 GW PV) sind in 15 Jahren anvisiert.

Mit dem Schwergewicht des Solarprogramms auf CSP setzt Saudi-Arabien einen im internationalen Vergleich besonderen Akzent. Ohne Berücksichtigung der saudi-arabischen 25-GW-Ankündigung weist eine von Greentechmedia veröffentliche Übersicht den derzeitigen Gesamtbestand an CSP-Projekten, die weltweit im Bau oder in der Planung sind, mit 19,8 GW aus. Führend sind die USA mit 11,0 GW, gefolgt von Spanien (4,5 GW) und Marokko (0,5 GW). Installiert waren Ende 2011 weltweit 1,6 GW.

Ehrgeiziges Atomprogramm

Die Katastrophe von Fukushima hat in Saudi Arabien nicht zur Abkehr vom ehrgeizigen Atomprogramm geführt. Noch 2012 soll ein erstes Kernkraftwerk ausgeschrieben werden. Weiterhin ist von Regierungsvertretern zu hören, bis 2030 werde man für 100 Mrd. US$ insgesamt 16 Kernkraftwerke bauen. Im Januar 2011 unterzeichnete Frankreichs Areva mit dem saudi-arabischen Bauriesen, der Bin Laden Group, ein Kooperationsabkommen zum Bau von Nuklear- und Solaranlagen. Weitere Nuklearkooperationen wurden 2011 mit Korea (Rep.) und Argentinien vereinbart, Anfang 2012 folgte die VR China.

In den jüngsten KACARE-Verlautbarungen wird allerdings der Bau von 16 Kernkraftwerken mit einer Leistung von etwa 22 GW bis 2030 als Maximaloption (Aggressive Scenario) eingestuft. Als Alternativen werden drei weitere Szenarien aufgeführt. Das „Balanced Scenario“ sieht zehn Kernkraftwerke mit 14,0 GW vor, das „Value Maximization Scenario“ sechs Anlagen mit 10,0 GW. Die Regierungsplaner dürften das „Optimized Scenario“ zugrunde legen, das elf Reaktoren mit 17,6 GW ausweist. Allerdings kollidieren alle Optionen mit den im aktuellen KACARE-Konzept für 2030 angestrebten Kapazitäten für Wind (9 GW), Biomassen (3 GW) und Geothermie (1 GW). Für Atomkraft blieben dann von den insgesamt im alternativen Nicht-Solar-Bereich geplanten 21 GW nur 8 GW übrig. Ein stärkerer Ausbau der Atomkraft würde Kapazitäten für den Stromexport schaffen.

Die vier Nuklearszenarien enthalten neben Zielvorgaben für 2030 eine noch längerfristige „End of Program“-Perspektive. Bei Realisierung des „Aggressive Scenario“ und des „Optimized Scenario“ wären die jeweiligen Endziele bereits 2030 erreicht. Das „Balanced Scenario“ ist hinsichtlich des bei Programmende (hier für 2036 geplant) angestrebten Niveaus das ambitionierteste (16 Kraftwerke mit 23,0 GW). Beim „Value Maximization Scenario“ sind letztlich (2045) 14 Kraftwerke mit 22,4 GW vorgesehen.

Erste Ausschreibungsrunden für Erneuerbare

Alle neuen Kraftwerksvorhaben sollen durch private Investoren als „Independent Power Projects“ (IPP) realisiert werden, wobei die staatliche SEC mit den Betreibern Stromabnahmeverträge mit 20jähriger Laufzeit abschließen möchte. In Kürze will KACARE interessierte Firmen zur Kommentierung des Erneuerbare-Energien-Programms auffordern und im 3. Quartal 2012 soll der Entwurf für einen „Request for Proposals“ (RFP) folgen, dessen endgültige Version dann für das 1. Quartal 2013 geplant ist.

In einer ersten Ausschreibungsrunde ist die Vergabe von EE-Projekten mit einer Gesamtleistung von 2,85 GW anvisiert, davon sollen auf Photovoltaik 1,1 GW entfallen, auf CSP 0,9 GW, auf Wind 0,65 GW sowie 0,2 GW auf sonstige alternative Energien (Geothermie, Waste-to-Energy etc.). Eine zweite Runde ist für Ende 2013/Anfang2014 vorgesehen. Hier werden Investoren für insgesamt 3,8 GW gesucht (PV: 1,3 GW, CSP: 1,2 GW, Wind: 1,05 GW, Sonstige: 0,25 GW). Nach den beiden Ausschreibungsrunden soll der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien möglichst durch die Einführung eines „Feed-in-Tariff“ (Einspeisevergütung) gesteuert werden, so KACARE.

Das Interesse lokaler und ausländischer Investoren an den alternativen Energieprojekten ist groß. Neben finanziellen Fragen sind aber auch viele technische Aspekte noch ungeklärt. So arbeiten PV-Anlage unter den in Saudi-Arabien extremen klimatischen Bedingungen weniger effizient, dies dürfte aber durch die lange Dauer der Sonneneinstrahlung (mehr als) ausgeglichen werden. Bei CSP-Anlage sind unterschiedliche technologische Lösungen zu prüfen.

Eine Herausforderung für alle Investoren dürfte die saudi-arabische Forderung nach möglichst hoher lokaler Wertschöpfung sein. Wer in Saudi-Arabien Solarprojekte durchführen möchte, wird den Aufbau einer lokalen Fertigung sowie von Forschungs- und Ausbildungskapazitäten zusagen müssen, so Branchenvertreter.

Für ein separat von der Stadt Mekka ausgeschriebenes 100-MW-Solarprojekt haben sich insgesamt 20 Unternehmen präqualifiziert, darunter auch deutsche Hersteller. Allerdings scheinen viele Firmen noch keine verbindlichen Angebote eingereicht zu haben. Ursprünglich war der 23.6.12 Abgabetermin, jetzt wurde bis zum 22.9. verlängert.

Auch Meerwasserentsalzung durch Solartechnologie

Solarenergie soll auch zur Meerwasserentsalzung eingesetzt werden. Die 2010 von der „King Abdulaziz City for Science and Technology“ (KACST) ins Leben gerufene „National Initiative for Water Desalination by Using Solar Energy“ spricht von drei Phasen. Zunächst soll eine Solaranlage für eine Tagesleistung von 30.000 cbm gebaut werden, dann eine für 300.000 cbm, schließlich ist die Anwendung von Solartechnik in allen saudi-arabischen Meerwasser-Entsalzungsanlagen vorgesehen. Die 30.000-cbm-Anlage wird derzeit in Al-Khafji am Golf nahe der kuwaitischen Grenze errichtet. 21.06.2012
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