IZT veröffentlicht Jahresbericht 2011

Kreibich: „2011 ereignisreich und erfolgreich“

„Das Jahr 2011 war für das IZT (Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin) mit dem 30jährigen Bestehen verbunden und aus der Sicht der Forschungsarbeit sowie den Bemühungen um Beiträge zu einer nachhaltigen Zukunftsgestaltung ereignisreich und erfolgreich“, resümiert IZT-Direktor Rolf Kreibich.

Der Jahresbericht bietet Einblick in die Ziele, Projekte und Ergebnisse sowie die vielfältige Arbeit zur Information und Orientierung von Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit. Langfristiges Zukunftswissen und weitreichende Perspektiven, erarbeitet auf wissenschaftlicher Grundlage, seien heute für alle Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft in der immer komplexer werdenden Welt und zunehmender „muddle-through-Strategien“ von größter Bedeutung, so Kreibich. In einer Umfrage hätten 94% der deutschen Unternehmen erklärt, dass Auseinandersetzungen mit längerfristigen Zukunftsproblemen bei strategischen Fragen zunehmen und die Zukunftsforschung einen sinnvollen Beitrag für Lösungsstrategien und Maßnahmen leisten könne.

Ausschnitte aus dem Bericht:

Die positiven Ergebnisse der Forschungsarbeiten in allen Forschungsbereichen des IZT lassen sich am besten an der fachspezifischen Resonanz sowie  an Publikationen und Veranstaltungen und an der erfolgreichen Einwerbung von Forschungsmitteln ablesen. Wir können feststellen, dass die überwiegende Zahl der Vorhaben auf zufriedenstellende Akzeptanz und Umsetzungsmotivation bei den Auftrag- bzw. Zuwendungsgebern sowie den beteiligten Stakeholdern, insbesondere vor allem auch den kooperierenden Unternehmen gestoßen ist. Das resultiert sicher nicht nur aus unserer eigenen Arbeit, sondern auch aus den veränderten Rahmenbedingungen, die sich mit der intensiven öffentlichen Energie-, Klima- und Ressourcendiskussion im Hinblick auf Chancen einer nachhaltigeren Entwicklung positiv verändert haben. Auch wenn wir am IZT keinesfalls einer „Katastrophenphilosophie“ das Wort reden, so ist doch unübersehbar, dass gravierende Störereignisse (in der Zukunftsforschung auch ‚Wild Cards’ genannt) häufig mehr und manches auch viel schneller in eine zukunftsfähige Entwicklungsperspektive verändern als jahrelange Information und Aufklärung. In diesem Sinn ist sehr zu hoffen, dass sowohl die immer sichtbarer werdenden ökologischen Krisen, insbesondere die Folgen des Klimawandels, aber auch die Reaktor-Katastrophe von Fukushima neue Schubkräfte für Forschung, Innovation und Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit auslösen, um die selbstzerstörerischen Prozesse aufzuhalten und in zukunftsfähige Bahnen zu lenken.

Auch wenn sich die Zukunftsforschung sehr sicher ist, dass eine Perspektive der Nachhaltigen Entwicklung für Wirtschaft und Gesellschaft möglich und machbar ist, so stellen sich sowohl für die Forschung als auch die Politik und die Wirtschaft neue Fragen und Aufgaben: Ist der welthistorische Beschluss „Ausstieg aus der Kernenergie“ ohne grundlegende Eruption unseres demokratischen Gemeinwesens umzusetzen? Wie kann, wie soll das gehen? Vieles hängt vom Gelingen dieses Weges ab: die Überwindung der massiven Widerstände und gegenläufigen Energiestrategien in anderen Ländern, die Beherrschung des Klimawandels, der Schutz der Biosphäre vor radioaktiver Verstrahlung, die Erhaltung der lebenswichtigen tropischen Regenwälder. An der   Überwindung dieser grundlegenden Herausforderungen versucht das IZT einen Beitrag durch Forschung, Entwicklung und nachhaltige Zukunftsgestaltung gemäß unseren Möglichkeiten und Kräften zu erbringen.

Hektisch wird an vielen Stellen der Erde und der Meere nach neuen und teilweise höchst gefährlichen Öl- und Gasquellen und Alternativen gesucht. Aber ist die Öl- und Gasförderung in immer tieferliegenden Gesteinsschichten der Ozeane nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko und den Risiken der vielen Gasbohrinseln noch zu verantworten? Ist das Aufbrechen von meist tiefliegendem Gestein mit Erdgaseinschlüssen und des Herauspressen des Gases (Fracking) unter den enormen ökologischen und sozialen Folgen ein vertretbarer Weg?

Weitere kolossale Probleme tun sich weltweit allein in der Energiepolitik auf. Trotz Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima haben bereits einige Länder eine Atomkraft-Renaissance angekündigt. Dass dieser Weg aus Sicherheits- und Gesundheitsgründen in den Abgrund führt, sollte hinlänglich bekannt sein. Weniger ist wohl bis heute das Zukunftswissen verbreitet, dass die Atomenergie auch aus wirtschaftlicher und ökologischer Perspektive die am negativsten zu bewertende Energieform ist. Nicht nur, dass zusätzlich Schutzmäntel und Sicherheitstechniken für Erzeugungsanlagen gigantische Zusatzkosten verursachen. Heute wissen wir, dass der Rückbau von 800 Megawatt-Kraftwerken etwa 7 bis 9 Milliarden Euro verschlingen und die Sanierung des hochgefährlichen Zwischenlagers Asse für leicht- und mittelradioaktive Abfälle mindestens Kosten von 7 Milliarden Euro nach sich ziehen wird. Auch der Bau neuer Kohlekraftwerke ist in Zukunft nicht nur aus Gründen horrender Umweltbelastungen und Umweltzerstörungen (Klimawandel, Gesundheitsgefahren, Luft-, Boden- und Wasserverseuchung) unverantwortbar, sondern auch die wirtschaftlichen Kosten sind, bezieht man die notwendigen Reparaturaufwendungen und Reinigungskosten ein, untragbar hoch.

So erfordert die Energiewende in allen Bereichen  und möglichst weltweit konsequente Energieeffizienzsteigerungen, den Einsatz aller Erneuerbaren Energien, neue Energiespeichertechniken, neue Energiesysteme und -strukturen sowie ein nachhaltiges Konsumverhalten in allen Verbraucherbereichen.

Ein anderes Aufgabenfeld für die Zukunftswissenschaft ist die Herausarbeitung völlig neuer Strukturen für das globale Finanzsystem. Die desaströsen Folgen des derzeit herrschenden Systems zerstören nicht nur jeden Fortschritt auf dem Gebiet des Nachhaltigen Wirtschaftens, sondern noch weitergehend jede zukunftsfähige Entwicklung der Realwirtschaft, die Grundlagen der Demokratie und das soziale Zusammenleben.

Auch wenn die Zukunftsforschung zu all diesen und zahlreichen anderen großen Herausforderungen schon seit Jahren als Frühwarnsystem die katastrophischen Entwicklungen aufgezeigt und Lösungsperspektiven erarbeitet hat, so stellen sich im Zuge der realen Entwicklung auch viele neue Aufgaben der Analyse, der Vorausschau, des Aufzeigens von zukunftsfähigen Alternativen und Optionen, der Bewertung sowie der Erarbeitung von Handlungsstrategien und Maßnahmen zur Gestaltung und Umsetzung.

Das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung ist eine 1981 gegründete gemeinnützige Forschungseinrichtung. Hauptaufgaben sind die Durchführung von Forschungsprojekten, die Erstellung von Gutachten und die Beratung von Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Schwerpunkte der Arbeit sind Zukunftsstudien und die Analyse der Entwicklung und Einführung neuer Technologien sowie die Abschätzung und Bewertung ihrer wirtschaftlichen, politischen, ökologischen und soziokulturellen Folgen. Das IZT entwickelt Strategien und Instrumente zur Politik- und Technikgestaltung sowie zum ökologischen und sozialen Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft.

Wichtige Zielorientierungen der Arbeit bilden die Leitperspektiven der Nachhaltigen Entwicklung und die Verbesserung der Lebensqualität. Diesen Zielen sind auch die Publikationen sowie die wissenschaftlichen und öffentlichen Veranstaltungen verpflichtet.
->Quelle IZT Jahresbericht 2011 des IZT