Kein Wettbewerb in der Fernwärme – Kartell-Verfahren?

Bundeskartellamt veröffentlicht Sektoruntersuchung Fernwärme: Preisunterschiede in einzelnen mehr als 100%

Im  Abschlussbericht der im September 2009 eingeleiteten Sektoruntersuchung Fernwärme weist das Bundeskartellamt (BKartA) klare wettbewerbliche Defizite auf den Fernwärmemärkten nach. Die vor Ort etablierten Versorger seien praktisch keinem Wettbewerb ausgesetzt. Für ein flächendeckend überhöhtes Preisniveau im Fernwärmesektor gebe es keine deutlichen Hinweise. Allerdings seien die Unterschiede zwischen den Preisen in den einzelnen Netzgebieten erheblich und betrügen in einigen Fällen mehr als 100%.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „In Ihrem jeweiligen regionalen Netzgebiet sind die etablierten Versorger konkurrenzlos. Die Fernwärmekunden haben keine Wechselmöglichkeiten. Durch die Sektoruntersuchung haben wir entscheidende Fragen zu den Markt- und Wettbewerbsprozessen auf den Fernwärmemärkten klären können. Wir haben damit eine wichtige Grundlage, um möglichen Missbrauch von Marktmacht aufzudecken und gegebenenfalls Verfahren gegen die besonders teuren Versorger einzuleiten.“

Das Bundeskartellamt beabsichtigt nun, zunächst diejenigen Netzgebiete mit den höchsten Erlösen in den Jahren 2007 und 2008 genauer zu untersuchen. Dazu wird es im ersten Schritt erforderlich sein, die vorhandenen Daten für die Jahre 2009 bis 2011 zu aktualisieren. In der Folge wird zu klären sein, inwieweit sich die teils erheblichen Preisunterschiede auf strukturelle Unterschiede zwischen den Versorgungsgebieten zurückführen lassen.

Bei der Fernwärmeversorgung stellen die die Anlagen- und Netzinfrastruktur sowie die Brennstoffbeschaffung den maßgeblichen Kostenfaktor dar. Bei der Untersuchung der Kostenfaktoren habet sich gezeigt, dass Kohle der günstigste Brennstoff ist, während bei der Verwendung von Gas oder Öl deutlich höhere Kosten anfielen.

Die Sektoruntersuchung habe ferner deutlich gemacht, so das BKartA, dass die Preise in Gebieten, in denen eine durch die Kommune auferlegte Verpflichtung zum Anschluss an das Fernwärmenetz besteht, tendenziell höher seiend. Das Bundeskartellamt empfiehlt daher, auf die Einräumung solcher rechtlichen Monopolstellungen zu verzichten. Außerdem stellte sich heraus, dass die Fernwärmeversorgung in Gebieten mit großen Netzen für die Kunden erheblich günstiger seien als in Gebieten mit kleineren Netzen. Auch bezogen auf die einzelnen Bundesländer unterschieden sich die Durchschnittserlöse stark.

Vor der erstmaligen Entscheidung für ein bestimmtes Heizsystem besteht für den Kunden noch die Auswahl zwischen verschiedenen Versorgungswegen wie neben der Fernwärme dem Heizen mit Öl, Gas oder anderen Brennstoffen. Zur Stärkung des Wettbewerbs zwischen den Heizsystemen sollten die Fernwärmepreise künftig im Internet veröffentlicht werden und kürzere Vertragslaufzeiten von Fernwärmeverträgen abgeschlossen werden, empfiehlt das BKartA, und es wünscht für die Aufsichtspraxis die gesetzliche Einbeziehung der Fernwärme in die für andere Energiearten geltende verschärfte Missbrauchsaufsicht.

Hintergrund: Der Fernwärmesektor spielt mit einer Beheizung von rund 14 % des Wohnungsbestands in Deutschland eine bedeutende wirtschaftliche Rolle. Der deutschlandweite Umsatz im Geschäft mit Privatkunden liegt in einer Größenordnung von rund 3,5 Mrd. Euro. Im Rahmen der Untersuchung wurden 74 Unternehmen zu ihren Fernwärmegeschäften befragt. Insgesamt wurden Daten zu Netzen, Erzeugung- und Absatzstrukturen für rund 1.200 Netzgebiete für die Jahre 2007 und 2008 erhoben.

Der Abschlussbericht ist auf der Internetseite des Bundeskartellamts veröffentlicht.