Netzausbauplan übertrieben: Akzeptanz der Energiewende bedroht

Infrastrukturbedarf niedriger als angenommen

Clemens Gerbaulet, TU Berlin, stütze diese Hypothese: Der Infrastrukturbedarf sei deshalb niedriger als allgemein angenommen und weniger beschränkend, denn der Netzausbaubedarf in Europa sei nicht so groß wie ursprünglich erwartet. Gerbaulet begründete seine Behauptung mit der Feststellung, dasss „wir mehr wissen als vor fünf Jahren, dass einige Lösungen sich als irrelevant herausgestellt haben (z.B. europaweite CO2-Netze), dass Infrastruktur nur teilweise ‚grüne‘ Infrastruktur ersetzen kann- und, dass zentral europaweit koordinierte Lösungen eventuell weniger anstrebenswert als regionale (oder bi-Itrilaterale) Ansätze sind.

„Überdimesnioniert“

Jarass hält ebenso den geplanten Netzausbau für „überdimensioniert. So hat man sich vorgenommen, wirklich jede erzeugte Kilowattstunde gesichert ins Netz einspeisen zu können. Es ist aber unsinnig, einmalige Windspitzen in Norddeutschland nach Süddeutschland übertragen zu wollen. Im Extremfall würden Sie für diese einmalige Windspitze eine extra Leitung bauen müssen.“

Die meisten Windgeneratoren stehen nämlich im Norden, die meisten Kernkraftwerke im Süden. Weil letztere aber bald stillgelegt werden, sollen in den kommenden zehn Jahren nach dem Netzentwicklungsplan 2012 fast 3000 Kilometer Überlandleitungen neu gebaut werden. Jarass hält die ganze Diskussion für kafkaesk: „Die Zeche für den überambitionierten Netzausbau zahlt am Ende der Stromverbraucher. Und noch schlimmer: Durch den übertriebenen Netzausbau wird die Energiewende in ihr Gegenteil verkehrt.“

Kohlestrom ersetzt Atomstrom – Kohlestrom exportiert

Denn der Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien kommt laut Jarass umso weniger zum Tragen, je stärker die Stromnetze ausgebaut werden, sagt Jarass. Da aber nur an ganz wenigen Tagen Starkwind blase, könne der Braunkohlestrom praktisch immer ungehindert mittransportiert werden. So entstehe die paradoxe Situation, dass der Atomstrom im Süden auch durch Kohlestrom aus dem Ruhrgebiet ersetzt werde. „Es geht bei dem übertriebenen Netzausbau also eigentlich darum, dass die Kohlekraftwerke bei starkem Wind nicht vom Netz genommen und heruntergefahren werden müssen“, kritisiert Jarass (auch) in seinem gemeinsam mit Gustav Obermair veröffentlichten Buch „Welchen Netzumbau erfordert die Energiewende?“