Merkel-Rede vor Petersberger Klimadialog IV „Shaping the Future“

Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auf dem Petersberger Klimadialog IV „Shaping the Future“

Sehr geehrter Herr Minister Korolec,
sehr geehrter Herr Minister Altmaier,
vor allen Dingen liebe Teilnehmer an diesem Petersberger Dialog, der ganz offensichtlich nicht auf dem Petersberg stattfindet, sondern im flachen Berlin, in der Hauptstadt – aber Sie sind ja gestern Abend immerhin auf das Dach des „ewerks“ gegangen, um ein bisschen bergigen Horizont zu genießen – ich begrüße Sie im Namen der Bundesregierung sehr herzlich hier in Berlin. Ich denke, dass dies wieder eine wichtige Sitzung wird, auf der wir darauf hinarbeiten, dass wir auf der Konferenz am Jahresende in unserem Nachbarland, bei unseren Freunden in Polen, zu guten Ergebnissen gelangen. Wenn man jetzt analysiert, wo wir im Frühling des Jahres 2013 stehen, dann muss man ganz ehrlich sagen, dass sich der Pfad zur Eindämmung des Klimawandels als ein komplizierter Weg herausstellt.

Nun, wenn ich mich an meine Zeit als Umweltministerin von 1994 bis 1998 erinnere, dann verwundert mich das nicht wirklich. Denn auch damals war dieser Prozess sehr schwierig. Wir haben das Kyoto-Abkommen abgeschlossen; vorbereitet wurde es damals durch ein Berliner Mandat. Wir haben in der Folge gesehen – wenn ich an die Europäische Union denke –, dass einige Fortschritte erzielt wurden. Unsere Verpflichtungen haben wir eingehalten, insbesondere die Bundesrepublik Deutschland. Aber die Enttäuschung war eben auch, dass der Kongress in den Vereinigten Staaten das Abkommen nicht ratifiziert hat. Insofern haben wir sozusagen Licht und Schatten erlebt.

Dann war am Ende des Jahres 2009, als es um die Frage ging, wie es nach Kyoto weitergehen soll, die Kopenhagener Konferenz mit einer Vielzahl von Erwartungen befrachtet. Wie sich dann herausgestellt hat, war sie letztlich überfrachtet. Für mich gehört die Kopenhagener Konferenz zu den
frustrierenden Erfahrungen, wenngleich damals doch noch etwas gelungen ist, das sich im Nachhinein als gar nicht so schlecht herausgestellt hat. Wir haben uns nämlich – das wurde ein Jahr später in Cancún noch einmal bestätigt – auf das Zwei-Grad-Ziel verständigt. Wir haben aber erkannt, dass die mit dem sogenannten „Copenhagen Accord“ eingegangenen freiwilligen Verpflichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten in der Summe mitnichten schon eine Erfüllung des Zwei-Grad-Ziels sicherstellen. Ich habe in Kopenhagen noch gelernt, dass die Verpflichtung auf das Zwei-Grad-Ziel einfach ist, dass aber die scheinbar einfache Umrechnung, was denn das nun wirklich in CO2-Konzentrationen bedeutet, viel komplizierter ist, als man denkt. Warum ist es das? Es ist so kompliziert, weil man bei dem Zwei-Grad-Ziel kein richtiges Basisjahr angeben muss. Mit Beginn der Industrialisierung bleibt manches im Vagen. Das heißt, um sagen zu können, was die Begrenzung der Erwärmung auf zwei Grad wirklich bedeutet, haben wir noch eine Aufgabe zu erledigen. Wie viel Reduktion von CO2-Emissionen bedeutet denn das wirklich?

Dieser Tisch scheint ja recht unscheinbar zu sein. Aber um ihn herum sitzen Repräsentanten von Ländern, die rund 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen auf sich vereinen. Das heißt, Sie und Ihre Regierungen, wir alle, haben es in der Hand, wie wir weiterkommen. Wir wissen spätestens seit Kopenhagen – das hätte man auch schon vorher sehen können –, dass wir, wenn sich alle Industrieländer dazu verpflichten würden, ab morgen kein CO2 mehr auszustoßen, selbst dann das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen könnten. Auch das ist inzwischen allgemein akzeptiert. Deshalb war es aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Schritt, dass es in Durban, in Südafrika, gelungen ist, uns darauf zu verständigen – das konnte ja dann letztes Jahr in Katar noch weiter bearbeitet werden –, dass wir bis 2020 ein für alle verbindliches Abkommen abschließen wollen. Man wollte das Ganze nicht wieder auf die letzte Minute machen. Also hat man gesagt: 2015 soll dieses Abkommen stehen. Unsere französischen Freunde haben dann die Ehre, die Klimakonferenz in Paris zu veranstalten. Wir werden sie unterstützen – genauso, wie wir dieses Jahr unsere polnischen Nachbarn unterstützen werden. Denn wir müssen uns jetzt sehr wohl überlegen, was wir denn Ende 2013, Ende 2014 und Ende 2015 noch alles zu erledigen haben, damit wir das Ziel wirklich erreichen können.

Dabei stellt sich auch die Frage, für die wir eine überzeugende Antwort brauchen: Was ist denn Gerechtigkeit in der Bekämpfung des Klimawandels? Eines ist sicher: Wir, die Vertreter der Industrieländer, haben zwei Verpflichtungen. Auf der einen Seite müssen wir eine substanzielle
Reduktion der CO2-Emissionen erreichen. – Wir sind hier in Deutschland, gemessen am Bezugsjahr 1990, auf einem recht guten Weg. – Auf der anderen Seite geht es um einen technologischen Beitrag der Länder, die nicht schon an den Vorteilen der Industrialisierung partizipieren konnten. Wir haben also Technologieentwicklung zu betreiben, damit für diese Länder der Zuwachs an Wohlstand, die Bekämpfung des Klimawandels und soziale Belange keine Gegensätze sind.

Deshalb ist es auch folgerichtig, dass die Europäische Union gesagt hat: Wir bleiben weiterhin Vertragspartner im Rahmen des Kyoto-Protokolls. Aber es ist durchaus ein bisschen frustrierend, wenn wir sehen, dass das jetzt neben der Europäischen Union nur noch einige wenige Länder sind.
Eigentlich hatte ich mir gedacht, dass nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls die Zahl der Länder, die verbindliche Verpflichtungen eingehen, wächst und nicht sinkt. Wenn man nicht darum herum redet, bleibt festzuhalten: Es ist wichtig, dass Europa sich dazu bekannt hat, weiter Kyoto-Vertragspartner zu bleiben, aber allein werden wir die Veränderung des Klimas auf der Welt sicher nicht aufhalten können.