Merkel-Rede zur E-Mobility

Am 27.05.2013 eröffnete Bundeskanzlerin Merkel die Internationale Konferenz „Elektromobilität bewegt weltweit“ in Berlin mit einer Grundsatzrede zum Thema E-Mobility – Solarify dokumentiert sie:

„Sehr geehrter Herr Professor Kagermann, lieber Kollege Peter Ramsauer, sehr geehrter Herr Minister Wan Gang, sehr geehrte Vertreter der Regierungen auch aus anderen Ländern, meine Damen und Herren,

ich freue mich, heute bei dieser internationalen Konferenz mit dabei zu sein. Ich bin sehr beeindruckt, dass Sie es geschafft haben, Elektromobilität zum Anfassen in und um das Kongresszentrum zu platzieren und uns damit einen realistischen Eindruck zu geben. Wenn Sie auch auf die erwähnten 2.000 Testfahrten kämen, wäre das wirklich toll. Deshalb möchte ich meinen Vortrag mit einem Dankeschön beginnen.

Als wir uns zu der Nationalen Plattform Elektromobilität zusammengefunden haben, war das für alle Beteiligten Neuland. Ich möchte mich bei all denen bedanken, die unermüdlich mitmachen und die diesem Projekt voranhelfen: natürlich bei Herrn Kagermann, beim VDA mit Matthias Wissmann, bei allen Autoherstellern, bei Herrn Huber, der vonseiten der Gewerkschaften sein Know-how einbringt, und bei vielen anderen. Es ist eine sehr, sehr gute Sache.

Hier kann man ja auch sehen, was sich auf dem Gebiet schon tut. Der kurze Film hat uns noch einmal gezeigt, dass unsere Pläne und Projekte wirklich ambitioniert sind, dass wir aber gute Chancen haben, das alles einzuhalten, obgleich in Bezug auf Elektromobilität hier durch die Moderatoren ein relativ niederschmetterndes Eingangsstatement abgegeben wurde, indem gesagt wurde, dass es Kutschenbauer noch irgendwie in das 20. Jahrhundert oder sogar noch in das 21. Jahrhundert knapp geschafft haben. Ich verstehe die Nationale Plattform Elektromobilität so, dass ich sage: Genau das soll uns nicht passieren, nämlich dass wir die Zeichen der Zeit verkennen. Im Unterschied zu damals, als ein Kaiser davon träumte, dass Pferde als wesentliche Beförderungsmittel überleben werden, ist heute eine Bundeskanzlerin am Werk, die an die Elektromobilität glaubt. Das hilft vielleicht auch den Autobauern, die Transformationen mitzugestalten.

Denn es ist natürlich klar, dass wir in einer Situation sind, in der für Deutschland unglaublich viel abhängt. Die Automobilindustrie ist eine Kernbranche in unserer gesamten Industrieproduktion. Insofern ist es wichtig, dass hier Transformationsprozesse inklusive aller sich verändernder Berufsbilder gelingen. Da sich durch Digitalisierung auch das Projekt Industrie 4.0 Schritt für Schritt durchsetzt, wird von mehreren Seiten eine tiefgreifende Veränderung der Mobilitätskonzepte angestoßen. Darauf frühzeitig zu reagieren, ist wirklich das Gebot der Stunde.

Elektromobilität ist mehr, als einfach zu sagen: Wir finden eine andere Lösung, uns von A nach B zu bewegen. Es ist natürlich auch ein Beitrag zu einem emissionsarmen Fahren, zur Emissionsminderung. Wenn wir uns anschauen, vor welchen Risiken und Herausforderungen wir vor allem in den Metropolen der Welt stehen, dann wissen wir, dass es entscheidend ist, wer an vorderster Stelle mit dabei ist. Die Europäische Union versucht, dementsprechend Rahmenbedingungen zu setzen. An dieser Stelle möchte ich den Vizepräsidenten der Kommission, Herrn Kommissar Kallas, ganz besonders begrüßen. Wir haben ambitionierte Ziele. Deutschland, lieber Herr Kommissar, ist immer bereit, diese Ziele umzusetzen. Aber sie müssen natürlich auch realistisch sein. Deshalb kommt dem Begriff Super Credits eine super Bedeutung zu, wenn ich das auch noch hinzufügen darf. Die europäische Stärke wird darin bestehen, Autos aller Typen zu bauen. Es werden kleine Autos dabei sein, es werden aber auch größere Autos dabei sein.

Ich habe mich viel mit der Frage beschäftigt, wie die Dinge zusammenhängen. Wenn man sich einmal überlegt, wo die Innovationstreiber herkommen, dann erkennt man, dass Sie zu großen Teilen eben auch aus der Entwicklung größerer Autos kommen. Die Innovationen finden dann auch Eingang in kleinere Autos. Insofern sollten wir uns diese Wertschöpfungskette in Europa nicht kaputt machen lassen. Dazu muss ich nichts weiter sagen; der Kommissar ist bestens informiert. Wir werden unsere Interessen gemeinsam vertreten.

Die weltweite Pkw-Produktion hat 2012 um rund vier Prozent zugelegt. Das bedeutete 68 Millionen neue Fahrzeuge auf den Straßen der Welt. Das Mobilitätsbedürfnis ist ein Urbedürfnis, ein Freiheitsbedürfnis der Menschen. Und deshalb werden sich die Marktchancen positiv weiterentwickeln, wenn mehr und mehr Menschen auf der Welt – es gibt inzwischen sieben Milliarden Menschen auf unserer Erde – das Bedürfnis nach Mobilität umsetzen und durchsetzen wollen.

Wir haben uns in Deutschland das Ziel gesetzt, bis 2020 rund eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben. – Herr Kagermann hat das eben schon sehr gut beschrieben. – Das ist machbar. Aber es ist bezüglich der verschiedensten Einflussfaktoren auch sehr sensitiv. Deshalb bedarf es auf der einen Seite bestmöglicher Rahmenbedingungen und auf der anderen Seite auch der ständigen Beobachtung, wo wir in diesem Prozess stehen. Wir wissen natürlich auch: Die Prognosen werden nach bestem Wissen und Gewissen gemacht, aber die Praxis ist der Härtetest. Wir haben in den vergangenen Jahren ja an vielen Stellen erlebt, dass die Prognosen nicht gestimmt haben. Eine Tatsache ist zum Beispiel, dass der Energie- und Klimafonds von Ihnen als eine unsichere Finanzierungsquelle bezeichnet wird, was auch damit zusammenhängt, dass sich alle Prognosen über Zertifikatepreise eigentlich nicht so richtig bewahrheitet haben. Aber die Bundesregierung steht zu ihren finanziellen Zusagen im Bereich Elektromobilität, weil wir wissen, was davon abhängt.

Elektromobilität steht natürlich auch in einem sehr engen Zusammenhang mit dem Thema Energiewende. Natürlich müssen wir den Anteil der erneuerbaren Energien in unserer Stromproduktion steigern. Das scheinbar so tolle Elektroauto würde letztlich auch keine emissionsarme Fahrweise bieten, wenn dahinter im großen Maße eine nicht erneuerbare Energiequelle stünde. Das heißt, im Grunde verläuft der Prozess, erneuerbare Energien wettbewerbsfähig und marktkonform zu machen, parallel zum Prozess, das Ganze auch im Verkehr nutzbar zu machen. Beide Prozesse gehören zusammen. Die Energiewende ist ein sehr ambitioniertes Projekt.