Hinrichs-Rahlwes: Energiewende nicht mehr aufhaltbar

EREC– und EREF-Präsident Rainer Hinrichs-Rahlwes hält im Solarify-Selbst-Gespräch die Energiewende für nicht mehr aufhaltbar. Denn weltweit würden immer mehr „Ziele und Politiken für Erneuerbare entwickelt“.

Das BEE-Vorstandsmitglied bestreitet, dass sich überall Widerstand rege, längst sei es „nicht mehr ernsthaft bestreitbar, dass eine vollständig auf Erneuerbaren Energien basierende nachhaltige und sichere Energieversorgung möglich“ sei – die Integration erneuerbarer Energien mache „große Fortschritte“. Allerdings gebe es in der EU dringenden Handlungsbedarf. Das Ziel von 45% Erneuerbaren bis 2030 in Europa sei längst überfällig – der neuen Bundesregierung komme hier große Bedeutung zu.

Also wenn Sie mich fragen …

… führt an einer konsequenten Fortsetzung der Energiewende kein Weg vorbei, nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und überall auf der Welt. Die Energiewende wurde nicht nach Fukushima in Deutschland erfunden. Und trotz der bedeutenden Rolle, die Deutschland als (ein) Vorbild bisher gespielt hat, wird sich der Erfolg oder Misserfolg durch Entscheidungen in Deutschland beschleunigen oder verlangsamen lassen, aber sicher nicht aufhalten. Und wir sehen, dass in immer mehr Ländern, Regionen, Städten und Gemeinden auf der Welt Ziele und Politiken für Erneuerbare entwickelt werden.

Wie soll die Energiewende fortgesetzt werden, nun da sich überall Widerstand regt gegen den weiteren Ausbau der Erneuerbaren?

Das Wachstum der Erneuerbaren und die dramatischen Kostenreduzierungen in den letzten Jahren insbesondere bei Wind- und nun auch Solarenergie haben selbst engagierte Befürworter der Erneuerbaren überrascht. Und die Integration von immer mehr Energie aus erneuerbaren Quellen in das konventionell dominierte Energiesystem macht große Fortschritte. Inzwischen geht es zunehmend um den Umbau des gesamten Energiesystems in Richtung auf Wind, Sonne, Wasser, Biomasse und Erwärme. Es ist längst nicht mehr ernsthaft bestreitbar, dass eine vollständig auf Erneuerbaren Energien basierende nachhaltige und sichere Energieversorgung möglich ist, in allen Sektoren – nicht nur im Strom und Wärmebereich, sondern zunehmend auch im Verkehr. Und dass sie, wenn Märkte funktionieren und alle Kosten und Nutzen sich in Energiekosten widerspiegeln, schon sehr bald die deutlich kostengünstigste Lösung sind.

Und es ist auch nicht wahr, dass sich überall Widerstand regt. Auch wenn sich mit zunehmender Sichtbarkeit auch immer wieder Diskussionen ergeben über Standorte von Anlagen, über Stromleitungen, über optische und akustische Beeinträchtigungen, so sind diese doch überall dort, wo die Menschen vernünftig in die Planungen einbezogen sind und wo den unmittelbaren Nutzen – durchaus im eigenen Geldbeutel – erkennen können, lösbar und im Ergebnis die Erneuerbaren Energien hoch willkommen.

Ist die Zustimmung zur Energiewende nicht nach wie vor ein deutsche oder wenigstens mitteleuropäische Besonderheit?

Nein, ganz bestimmt nicht. Nicht nur hierzulande bestätigen Umfragen immer wieder, dass die Menschen Erneuerbare wollen. Auch die Mehrheit der Menschen in der Europäischen Union sieht das so. Eine Anfang 2013 durchgeführte Umfrage von Eurobarometer hat eine flächendeckende Zustimmung zu Erneuerbaren Energien ergeben. Gefragt, welche energiepolitischen Prioritäten in den kommenden 30 Jahren im jeweiligen Land und in der EU gesetzt werden sollen, haben 70% aller Antwortenden den Ausbau Erneuerbarer Energien genannt, gefolgt von 28%, die Energieeffizienz im Mittelpunkt sehen wollen. Atom (18%) und CCS (12%) oder Schiefergas (9%) spielen keine relevante Rolle. Und was wichtiger ist: Die Mehrheit für Erneuerbare gab es in jedem einzelnen der 27 EU-Länder.

Und es ist ja auch nicht so, dass nur hier die Erneuerbaren ausgebaut werden. Dänemark war wahrscheinlich das wichtigste Pionierland der Windenergie. Spanien hat lange Jahre ebenfalls hohe Zuwachsraten gehabt. Global haben wir inzwischen einen Anteil von knapp 20% Erneuerbaren an der Energieversorgung. Und wie schon seit einigen Jahren in Europa, ist inzwischen auch global die Mehrheit der neue installierten Kraftwerkskapazitäten im Bereich der Erneuerbaren zu finden, vor allem Windenergie und in den letzten Jahren zunehmend auch Solarenergie. China, aber auch andere große Entwicklungsländer haben längst begonnen, in den Erneuerbaren einen elementaren Pfeiler ihrer Energieversorgung zu sehen. Zahlen von in einem Jahr knapp 20.000 MW neu installierter Windleistung hat bisher nur China vorzuweisen, und das wird in den kommenden Jahren so weiter gehen. Und im PV-Bereich sind ähnliche Entwicklungen zu sehen. Indien, Brasilien, Mexiko sind weitere Beispiele für große Anstrengungen. Die Gründung der Internationalen Agentur für Erneuerbare (IRENA), die Zielsetzung der Vereinten Nationen, den Anteil der Erneuerbaren global bis 2030 zu verdoppeln … all das zeigt einen globalen Trend, dessen weitere Entwicklung Europa beschleunigen oder verschlafen kann. Ich bin sehr dafür, weiterhin als Motor zu wirken.
Folgt: Mehrheiten in Umfragen und weltweite Tendenzen mag es ja geben, aber was nützt uns das, solange wir nicht mehr Einigkeit haben in der Europäischen Union beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien?