Hinrichs-Rahlwes: Energiewende nicht mehr aufhaltbar

Mehrheiten in Umfragen und weltweite Tendenzen mag es ja geben, aber was nützt uns das, solange wir nicht mehr Einigkeit haben in der Europäischen Union beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien?

Das ist richtig. Stimmungen sind das eine. Konkrete Maßnahmen und Politiken sind das andere. Und das ist einiges voranzubringen in der nächsten Zeit. Je mehr die Erneuerbaren wachsen, desto sinnvoller wird es natürlich, sich in der EU (und darüber hinaus) auf Ziele und Instrumente zu verständigen. Und es ist sicher notwendig und sinnvoll, Netzausbau und Verstärkung ebenso zu koordinieren wie gegenseitige Nutzung von Ausgleichsmöglichkeiten bei wechselndem Angebot von Wind und Sonne in verschiedenen Regionen. Ebenso sinnvoll ist es, in der EU weiterhin gemeinsame Ziele und Politiken für den Ausbau der Erneuerbaren, aber auch für Energie-Effizienz und für Treibhausgas-Reduzierung zu erarbeiten und zu verabreden. Insbesondere die EU-Richtlinie zur Förderung Erneuerbarer Energien, mit ihrem 20%-Ziel für den Anteil am gesamten Energieverbrauch der Union und den jeweiligen verbindlichen nationalen Zielen und Aktionsplänen hat eine wichtige Dynamik erzeugt, die die Erneuerbaren Energien in den Mittelpunkt nicht nur der Diskussion, sondern auch der neugebauten Erzeugungskapazitäten und der Projektionen für eine künftige sichere und nachhaltige Versorgung gebracht haben. Die Energy Roadmap 2050 der EU-Kommission sieht – trotz aller Mängel der Szenarien im Detail – die Erneuerbaren im Mittelbpunkt einer zukunftsfähigen Energieversorgung.

Es kommt nun darauf an, die Vision, für 2050 auf Erneuerbare zu setzen, in konkrete Schritte und geeignete zielführende Maßnahmen zu fassen. Die 2020-Ziele der EU waren und sind ein wichtiger Schritt. Doch 2020 ist angesichts von Planungszeiten im Energiebereich schon sehr nah, und Entscheidungen über künftige Investitionen werden wesentlich davon abhängen, ob es auch für das folgende Jahrzehnt eine klare Zielsetzung für deutliches Wachstum der Erneuerbaren gibt. Das wird durch mehr politische Klarheit zu mehr Investitionssicherheit führen, nicht zuletzt, weil damit klar würde, dass es nach 2020 in ganz Europa mit dem Ausbau der Erneuerbaren weiter gehen soll … und schließlich auch, dass es klare Entscheidungen zu treffen gilt für Erneuerbare und gegen weitere Subventionen für fossile und nukleare Energieerzeugung.

Es ist daher dringend erforderlich, dass im kommenden Jahr die wesentlichen Weichen gestellt werden, für neue ambitionierte Ziele und Politiken mit Perspektive 2030: Von herausragender Bedeutung dabei sind erneut verbindliche Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren, in einem integrierten Paket mit Zielen für Energieeffizienz und Reduzierung von Treibhausgasen. Die europäische Erneuerbaren-Branche hat schon im Jahr 2011 vorgeschlagen, ein Ziel von 45% Erneuerbaren im Jahr 2030 anzustreben. Es wäre wichtig, dass die EU-Kommission bald entsprechende Vorschläge erarbeitet und zur Diskussion stellt. Die deutsche Bundesregierung hat hier durchaus eine wichtige Rolle: sie kann Fortschritte weiter blockieren, wie es die bisherige Bundesregierung getan hat, oder sie kann durch konstruktives und offensives Vorantreiben einer Entscheidung für einen ambitionierten 2030-Rahmen erheblich zum Gelingen beitragen.

Rainer Hinrichs-Rahlwes ist seit Sommer 2012 Präsident des Europäischen Dachverbandes der Erneuerbaren Energien (EREC – European Renewable Energy Council). Seit fast vier Jahren ist er Präsident von EREC’s Mitgliedsverband EREF (European Renewable Energies Federation), der die Interessen der unabhängigen Erzeuger erneuerbarer Energien vertritt. Und er ist Vorstandsmitglied und Sprecher der Arbeitsgruppe Europa und Internationales im deutschen Dachverband der Erneuerbaren, dem BEE (Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.). Von 1998 bis 2005 war er als Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium zuständig u.a. für Klimaschutz und Erneuerbare Energien. In seinem Buch Sustainable Energie Policies for Europe – Towards 100% Renewable Energy (September 2013) analysierte er die Entwicklung der Klima- und Energiepolitik der EU von den Anfängen bis zum heutigen Tage und bot einen Ausblick auf Notwendigkeiten und Möglichkeiten für eine nachhaltige Klima- und Energiepolitik der EU in den kommenden Jahren.