Kein Schiefergas-Wunder

In den USA wird die Industrie Opfer ihres Erfolgs

Die Vereinigten Staaten haben mit der unkonventionellen Fracking-Methode schon große Gasvorkommen erschlossen. Auf den ersten Blick sieht es dort nach Goldgräberstimmung aus: Der amerikanische Bundesstaat North Dakota an der kanadischen Grenzen, eines der stärksten Frackinggebiete, ist auf der Liste der Bundesstaaten mit den meisten Millionären je Einwohner von Platz 43 auf Platz 29 vorgerückt. Die Internationale Energieagentur IEA sah schon 2011 in einem Sonderbericht ein „goldenes Zeitalter für Gas“. Der Energiemarkt werde sich weltweit verändern, hieß es.

Allein, die Industrie wird offenbar ein Opfer ihres eigenen Erfolgs. Weil sie mehr und mehr Gas zutage förderte, fallen die Preise. 1000 Kubikfuß Gas (das sind 28,3 Kubikmeter) kosteten für die Industrie im Jahr 2008 zwischen 7 und 13 Dollar, 2013 waren es nur zwischen vier und fünf Dollar. So tief waren die Preise zuletzt 2002, also vor dem vermeintlichen Schiefergasboom.

Für Investoren und Energiefirmen zahlt sich die kostspielige Technik nicht mehr aus. Sie ziehen sich zurück.

Nach den neuesten Zahlen, die die amerikanische Unternehmensberatung IHS Herold errechnet und das Wall-Street Journal veröffentlicht hat, investierten ausländische Kapitalgeber im letzten Jahr 3,4 Milliarden Dollar in Beteiligungen an Frackinggebieten in den USA. 2012 waren es noch knapp 7. Und 2011: satte 35 Milliarden Dollar.

Die US-amerikanische Ökonomin Deborah Rogers warnte schon im Februar 2013 im Report „Shale and Wall Street“ vor einer „Investmentblase“: Energiekonzerne könnten ihre Gasvorräte um bis zu 500 Prozent hochgerechnet haben.

Wenige Monate später stellte der Finanznachrichtendienst Bloomberg fest, die Energieunternehmen kämpften mit „einer Serie von Abschreibungen auf Schieferöl- und Gasinvestitionen, verursacht von sinkenden Preisen“. Und: „Enttäuschende Förderraten“ machten ihnen ebenso zu schaffen. Der Konzern Royal Dutch Shell musste etwa zwei Milliarden Dollar abschreiben.

Quellen schnell erschöpft, Bohrungen teuer

Andreas Löschel leitet am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim die Abteilung Umwelt- und Ressourcenökonomie. Ihn wundert das alles nicht. Der Professor für Volkswirtschaft ist kein grundsätzlicher Gegner der Technik, sagt aber: „In Europa würde sich Fracking augenblicklich überhaupt nicht in größerem Stil lohnen“. Die Gaspreise müssten „erst deutlich steigen“. Dies sagten die Fachleute aus der Energiewirtschaft selbst. Das ZEW hat 200 von ihnen befragt, und zwar schon vor gut einem Jahr. Damals sei das ZEW wegen des Ergebnisses „stark angegangen worden“, erzählt Löschel. Öffentlich wollte lange Zeit keiner eingestehen, dass das Frackinggeschäft Tücken hat.

Eine Schiefergas-Quelle ist schnell erschöpft, erklärt Hans Georg Babies von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover: „Nach ein bis zwei Jahren sind 90 Prozent des Vorkommens bereits ausgefördert.“ Darum müssten ständig neue Bohrungen niedergebracht werden, im Jahr könnten das in einem Gebiet leicht mehrere hundert Bohrungen sein. Kosten pro Bohrung: „Drei bis zehn Millionen Dollar“, sagt Babies.

Bleibt eine Frage: Braucht Deutschland Fracking, um die Energiewende zu schaffen? Für den Umbau des Energiesystems werden Gaskraftwerke gebraucht und Deutschland importiert schon heute 87 Prozent des benötigten Erdgases. Babies meint, eine „Steigerung der Eigenförderung sei durchaus von Nutzen“. Löschel, der der von der Bundesregierung eingerichteten Kommission zum Monitoring der Energiewende vorsitzt, sagt indes: „Es gibt genug Vorräte, die Importe etwa aus Russland, Norwegen und den Niederlanden werden ausreichen.“
->Quelle: nachhaltigkeitsrat.de; solarify.eu/Dossier-Fracking-Segen-oder-Fluch