Atomkraft ohne Zukunft

Kemfert: EU-Kommission unterschätzt Kosten der Atomkraft massiv – Anteil des Atomstroms an weltweiter Stromerzeugung sinkt

In Europa bestehen sehr unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Atomkraft. Während sich neben Deutschland auch Belgien und die Schweiz zum Atomausstieg entschlossen haben, wollen Länder wie Frankreich, Großbritannien und Polen auch künftig auf Kernenergie setzen. „Die Kosten der Atomkraft unterschätzt die Europäische Kommission in ihren Szenarioanalysen allerdings massiv“, kritisiert Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin. „Die Vorschläge aus den Referenzszenarien, die einen massiven Ausbau der Atomkraft nahelegen, darunter den Bau von allein sieben Atomkraftwerken in Polen, sind mehr als unrealistisch.“

Die erheblichen Subventionen für einen Neubau in England zeigten exemplarisch, dass die Atomenergie weder kostengünstig sei, noch ohne finanzielle Unterstützung auskommen könne, so Kemfert. Beim derzeitigen Bau neuer Reaktoren in Finnland und Frankreich seien die Kosten explodiert; die Meiler würden die teuersten jemals gebauten Kernkraftwerkskapazitäten sein.

Auch weltweit kann nach Ansicht der DIW-Forscher von einer Renaissance der Atomkraft keine Rede sein: Laufende Ausbauprojekte konzentrierten sich auf wenige Länder, insbesondere China. Der jährliche globale Ausbau der Atomkraft habe seinen Höhepunkt bereits Mitte der 80er Jahre erreicht und sei seitdem fast zum Erliegen gekommen. In vier der vergangenen sechs Jahre sei eine Nettoreduktion der weltweiten Kapazität zu beobachten gewesen. Angesichts des hohen Alters vieler Reaktoren – mehr als 80 Prozent sind bereits älter als 20 Jahre – dürfte sich dieser Trend fortsetzen. Schon heute sei der Anteil des Atomstroms an der weltweiten Stromerzeugung rückläufig und habe 2012 bei nur noch elf Prozent gelegen.

„Generationenversagen“ bei der Endlagersuche

Äußerst dringend sei die Schaffung eines geeigneten Endlagers für hochradioaktiven Atommüll, betonen die DIW-Forscher. Diesbezüglich seien weder in Deutschland noch weltweit in den vergangenen sechs Jahrzenten konkrete Fortschritt erzielt worden. „Bei der Endlagersuche haben drei Generationen versagt“, sagte Christian von Hirschhausen. Im Bereich der Zwischenlager seien in Morsleben (Sachsen-Anhalt) sowie in der Schachtanlage Asse (Niedersachsen) sogar herbe Rückschritte zu beobachten, die Schächte würden von Wasser geflutet und drohten einzustürzen. Die Umweltpolitik müsse hinsichtlich der Endlagerfrage aktiver vorgehen, dies beinhalte auch die Entwicklung von Finanzierungsmodellen für die Endlagerung.
->Quelle(n): diw.de; diw.de-Wochenbericht