Widersprüchliches zum Klimawandel

Beim Thema „Arbeitsplätze“ scheiden sich die Geister
Linzer
Industrie: CO2-Senkung könnte Jobs kosten – Hedegaard: Klimaschutz bringt stabile Jobs

Eine Studie aus Österreich löst Diskussionen aus, spielt sie doch Klimaschutz gegen Arbeitsplätze aus. EU-Kommissarin Hedegaard hat längst in einem Zeitungsbeitrag das Gegenteil dargelegt: Kluger Klimaschutz koste keine, er schaffe Arbeitsplätze. Das gilt auch für Österreich.

Die österreichische Wirtschaft  könnte die in Brüssel diskutierte Senkung der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2030 Einiges vom BIP und zwischen 14.000 und 61.600  Arbeitsplätze kosten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Energieinstituts der Johannes Kepler Uni Linz, und das berichtet die Tageszeitung Der Standard.

Je nach Höhe des Einsparziels auf EU-Ebene – 35, 40 oder 45 Prozent – würde der zusätzliche Rückgang des heimischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Zieljahr 2030 zwischen 2,7 und 5,4 Mrd. Euro und der Beschäftigung zwischen 14.000 und 17.000 Personen liegen. Im 40-Prozent-Szenario wären es etwa 16.600 Jobs bzw. eine um 3,9 Mrd. Euro geringere Wirtschaftsleistung (oder um die 0,15 Prozentpunkte weniger BIP-Wachstum) im Jahr 2030.

Noch gravierender wären die Auswirkungen, wenn – unterstellt – ein Viertel der energieintensiven Industrie aus Österreich abwanderte: Dann gäbe es bis 2030 gar 61.600 Jobs weniger – mehr als ein Drittel. Derzeit zähle die österreichische Industrie ungefähr 150.000 bis 170.000 Beschäftigte.

Solarify hat inzwischen die Erfahrung gemacht, dass jede noch so steile These sich auf eine mehr oder weniger seriöse Studie stützen kann – was aber ihre Plausibilität nur in sehr begrenztem Ausmaß untermauert. Allerdings gilt für alle das verfassungsmäßige Recht der freien Meinungsäußerung.

Wirtschaft profitiert vom Klimaschutz 

Klimaschutz macht unabhängiger von Energieimporten und bringt stabile Jobs in starken Branchen, schrieb EU-Kommissarin Connie Hedegaard in der Wochenzeitung Die Zeit.

„Es ist ein großes Dilemma, vor dem die politisch Verantwortlichen aus aller Welt heute stehen: Wie vereinbart man wirtschaftlichen Wohlstand mit einer entschlossenen Klimapolitik? Es liegt auf der Hand, dass Klimapolitiker die wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Maßnahmen bedenken müssen. Alles andere wäre verantwortungslos. Darüber sind sich alle einig.“

Europas Wirtschaft wachse langsamer als andere; daher sei mehr Weitblick nötig, wenn es darum gehe, das europäische Wachstumspotenzial zu erhalten oder wieder herzustellen. Wenn die Europäische Kommission einen neuen klima- und energiepolitischen Rahmen für 2030 vorschlage, verstehe sich von selbst: Dieser Rahmen werde den wirtschaftlichen Interessen Europas nicht zuwider laufen.

„Seit Jahren schlagen die Einfuhren fossiler Brennstoffe in der Handelsbilanz Europas negativ zu Buche. Allein im Jahr 2012 importierte Europa Öl, Kohle und Gas im Wert von 545,9 Milliarden Euro. Das entspricht der Wirtschaftsleistung Finnlands, Ungarns, Portugals und der Slowakei zusammen, und es ist mehr als das Fünffache des gesamten Handelsdefizits der EU im selben Jahr.“

Hedegaard fragt folgerichtig, ob es – auch aus wirtschaftlicher Sicht – nicht vernünftig wäre, diese Ausgaben durch Einsparungen und Erzeugung von Energie in Europa selbst zu verringern.

Mehr als 3,5 Millionen stabile Arbeitsplätze in Europas Umweltbranche

„Angesichts von Rekordarbeitslosenzahlen braucht Europa zudem Arbeitsplätze in dynamischen, wettbewerbsstarken Branchen, Arbeitsplätze, die nicht ohne Weiteres ausgelagert werden können. Derzeit zählt die Umweltbranche in Europa über 3,5 Millionen Beschäftigte. Von 1999 bis 2008 wurden in diesem Sektor in Europa jährlich 180.000 Arbeitsplätze geschaffen. Selbst in den schlimmsten Jahren der Wirtschaftskrise sind die meisten davon erhalten geblieben und viele weitere hinzugekommen.“

Der Wettbewerbsvorteil Europas liege in Innovation, Technologie und verstärkter Energie- und Ressourceneffizienz, verstärkt durch klimapolitische Maßnahmen. Manche Unternehmer und Politiker hätten jedoch Bedenken, energieintensive Unternehmen könnten ihre Tätigkeit ins Ausland verlagern.

„Carbon Leakage“ nicht überschätzen

Das sogenannte „Carbon Leakage“ sei zwar „ein ernstzunehmendes Risiko, aber es sollte auch nicht zu hoch eingeschätzt werden. Wir haben die wichtigsten Sektoren ermittelt, bei denen tatsächlich das Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht, und im Anschluss daran gezielte Abhilfemaßnahmen ausgearbeitet. Es war das einzig Vernünftige. Aktuelle unabhängige Studien belegen, dass Europa mit den derzeitigen Sicherungsmechanismen seine Industrie wirksam gegen Carbon Leakage schützt.“

Ohne ambitionierte klimapolitische Maßnahmen werde es Europa nicht gelingen, Investitionen und hochwertige Arbeitsplätze anzuziehen. Europa führe in puncto CO2-arme Technologien; weil aber internationale Akteure rasch aufholten, müsse Europa neuen Ehrgeiz in der Klimapolitik entwickeln um den Vorsprung für solche Technologien zu halten.

Klimapolitik auch wirtschaftlich sinnvoll

Hedegaard abschließend eindeutig: „Alles beim Alten lassen ist keine Option, wenn die wirtschaftliche Erholung anhalten soll. Viele Wirtschaftsführer sehen das jetzt ein. Sie erkennen, dass wir nicht wählen müssen zwischen wirtschaftlichem Erfolg einerseits und Klimaschutz andererseits, sondern dass vielmehr Klimapolitik auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Die europäischen Entscheidungsträger müssen eine entschlossene Klimapolitik verfolgen, damit die eigene Wirtschaft Aussicht auf eine nachhaltige Erholung hat.“

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