Streit um Kapazitätsmärkte

Gabriel: „Gegenteil von vernünftiger Energiepolitik“ – 50 Anträge auf Stilllegungen

Bundesregierung, Energiewirtschaft, kommunale Unternehmer und ein Teil der Gewerkschaften sind auf Kollissionskurs – der Grund: Kapazitätsmärkte, also Zahlungen für die Bereithaltung fossiler Kraftwerke zur Stabilisierung des Stromangebots. Kanzlerin Merkel (CDU) und ihr Energieminister Gabriel (SPD) wollen keine Kapazitätszahlungen, die Energieversorger dagegen fordern Hilfen für ihre Kohle- und Gaskraftwerke.

So forderte E.ON-Chef Johannes Teyssen bei der Handelsblatt-Jahrestagung Energiewirtschaft 2015 in Berlin erneut die schnelle Einführung eines Kapazitätsmarktes: „Wir müssen global denken, anstatt auf nationale Alleingänge wie jüngst bei der Kohle zu setzen“. Und: „Konventionelle und sichere Kraftwerke bleiben noch lange unersetzlich“. Sie seien angesichts des Ausbaus des schwankenden Ökostroms für eine sichere Versorgung notwendig und bräuchten einen fairen Preis. Unterstützung erhielt Teyssen von Stadtwerken und der Stromlobby. „Auch unsinkbare schiffe brauchen ein Rettungsboot. Ein Kapazitätsmarkt ist nichts anderes“, sagte der Chef des Stadtwerke-Bündnisses Trianel, Sven Becker.

Nicht „aus Feigheit“ auf Kapazitätsmärkte einlassen

Gabriel sagte dagegen im Handelsblatt, die meisten EVU wollten lediglich „existierende Überkapazitäten auf Kosten der Stromverbraucher konservieren“. Statt auf Kapazitätszahlungen setzt der Minister auf den Markt: „Zu einem funktionierenden Strommarkt gehören echte Knappheitspreise. Sie setzen die erforderlichen Investitionssignale.“ Die Politik dürfe sich nicht „aus Feigheit“ auf Kapazitätsmärkte einlassen und damit ein neues Umlagesystem in Gang setzen, warnte der Vizekanzler. Davor habe gerade die energieintensive Industrie „große Angst“.

Merkel hatte sich beim BEE-Jahresempfang skeptisch zu Kapazitätsmärkten geäußert (Solarify berichtete und kommentierte – s.a.rechts): Bei diesem Modell erhalten Kraftwerksbetreiber für die sichere ständige Bereitstellung einer Strommenge eine Zusatzprämie – und können durch diese neue Einnahmequelle auch eigentlich nicht mehr rentable Kraftwerke weiter betreiben.

BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller reagierte mit harscher Kritik: Gabriel verweigere die von ihm selbst angekündigte ergebnisoffene Debatte. „Es geht hier darum, das hohe Niveau der Versorgungssicherheit der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt zu sichern“, erklärte Müller. Gabriel konterkariere damit den von ihm selbst angestoßenen Diskussionsprozess zum Strommarkt der Zukunft. „Das ist mehr als erstaunlich. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem dringlichsten Problem des Energiemarktes sieht anders aus.“

Rolf Martin Schmitz, stellvertretender RWE-Vorstands-Vorsitzender hieb in die gleiche Kerbe: „Wir bauen kein Kraftwerk in zwei Jahren.“ Deswegen müssten jetzt die entsprechenden Weichen gestellt werden, um bis zum vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten.
Folgt: Baake: Kapazitätsmärkte nicht einführen für Kraftwerke, die wir nicht brauchen