AKW Mülheim-Kärlich: Kühlturm vor dem Abriss

Recycling eines Atomkraftwerks – teilweise

Der Rückbau des rheinland-pfälzischen Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich geht in die letzte Phase. Ab Mai wird der 162 Meter hohe Kühlturm abgerissen. „MK“ war wegen Unregelmäßigkeiten im Genehmigungsverfahren – u.a. wegen unzureichend berücksichtigter Erdbebengefährdung – im September 1988 nach genau 100 Tagen aufgrund richterlicher Entscheidung abgeschaltet werden. Inzwischen hat RWE auch den Antrag auf ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle am Standort zurückgezogen.

Lange war das gefloppte Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich in Journalistenkreisen als „Mülheim-Kläglich“ verspottet worden. Die letzten Teile der Atomanlage wurden im September 2014 aus der atomrechtlichen Aufsicht entlassen. Der Mülheim-Kärlicher Stadtrat beschloss daraufhin, auf dem Gelände den Industriepark “Am alten Mann” einzurichten. Die letzten Gebäude des Kernkraftwerks sollen bis 2016 abgerissen werden. Auf dem Gelände des Kühlturms wird sich ein Recyclingbetrieb ansiedeln.

Eine Recycling-Firma aus Lahnstein hat das etwa 35 Hektar große Kraftwerksgelände dem Energieversorger RWE abgekauft. Die Arbeiten sind laut RWE so weit fortgeschritten, dass RWE Power für den jetzt noch anstehenden Rückbau nur eine Fläche von etwa 6 Hektar benötigt. Die Recyclingfirma übernimmt laut RWE den Abriss des Kühlturms und hat dafür ein Jahr Zeit. Die könnte knapp werden, denn die Höhe des Turms von 162 Metern gestaltet die Abrissarbeiten schwierig. Teile des Betonturms sollen dabei wiederverwertet werden, beispielsweise als Betonplatten.

Mit dem Kühlturm fällt das größte und sichtbarste Gebäude des Atomkraftwerks. Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke kündigte bereits einen weiteren Meilenstein im Abriss des AKW an: „Noch in diesem Jahr soll der Abbau des Reaktordruckbehälters genehmigt werden. Ich freue mich, dass es in Mülheim-Kärlich vorangeht und der Weg für eine neue, zukunftsträchtige wirtschaftliche Entwicklung des Standorts frei ist.“

[note Das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich wurde von 1975 bis 1986 gebaut. Schon während der Bauzeit kam es wegen Klagen zu Verzögerungen. Das Bundesverfassungsgericht wies am 06.02. 1980 eine Verfassungsbeschwerde ab und erklärte  die friedliche Nutzung der Kernenergie für mit dem Grundgesetz vereinbar. Das AKW war aber auch deswegen stark umstritten, weil es trotz entsprechender Warnungen im erdbebengefährdeten Neuwieder Becken gebaut worden war. Wegen dieser Gefährdung war das Reaktorgebäude – ohne das eigentlich erforderliche neue atomrechtliche Verfahren – im Plan um 70 Meter vom ursprünglichen Standort verschoben worden.

Die Mainzer Landesregierung unter Helmut Kohl hatte aus Prestigegründen, ein eigenes Atomkraftwerk zu haben, der RWE durch zu geringe Auflagen, und damit Verstöße gegen das Atomgesetz den Bau des Kraftwerks ermöglicht. Sie erteilte 1990 zwar eine veränderte Baugenehmigung; diese wurde aber 1995 vom Oberverwaltungsgericht Koblenz aufgehoben. Diese Entscheidung bestätigte 1998 das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz. Die Erkenntnisse über die Erdbebengefährdung hätten ein vollständig neues Genehmigungsverfahren erfordert, so das Gericht.

2001 wurde MK von RWE endgültig stillgelegt – 2002 der Kernbrennstoff entfernt. Der Abriss begann. Die Turbine, der Generator und weitere Bauteile des Maschinenhauses wurden an einen ägyptischen Energieversorger verkauft.

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