BY: Weitere Kläger gegen Windkraftbeschränkung

„Jetzt geht es um den Erhalt des Atomausstiegs“

Der Widerstand gegen die Einschränkung der Windkraft in Bayern verstärkt sich. Jetzt ist auch der Bundesverband WindEnergie (BWE) der Popularklage der Initiative pro Windkraft beigetreten. Vor einigen Tagen hatte bereits die Landtagsopposition ebenfalls verfassungsrechtliche Schritte gegen die so genannte 10H-Regelung angekündigt.

[note Nach Art. 82 der Bayerischen Bauordnung „Windenergie und Nutzungsänderung ehemaliger landwirtschaftlicher Gebäude“ (neu) müssen Windgeneratoren „einen Mindestabstand vom 10-fachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen, innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile … einhalten.“ Als „Höhe“ wird die „Nabenhöhe zuzüglich Radius des Rotors“ verstanden. Der Abstand bemisst sich von der Mitte des Mastfußes bis zum nächstgelegenen Wohngebäude, das im jeweiligen Gebiet im Sinn des Abs. 1 zulässigerweise errichtet wurde bzw. errichtet werden kann.“]

In der Zeit schreibt Michael Sterner zum Thema: „Netzausbau ist die mit Abstand günstigste Option – ohne mindestens eine neue Stromautobahn durch Bayern ist die Energiewende nicht zu schaffen. Der Bau neuer Gaskraftwerke ist auch nicht günstiger.“ Sein Fazit: „Seehofer riskiert die Versorgungssicherheit Bayerns.“

Der enttäuschend verlaufene „Energiedialog“ müsse nun eben „vor Gericht fortgesetzt“ werden, sagte BWE-Landesvorstand Raimund Kamm am 06.02.1015 in München. Unter der Regie von Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sei „viel Unfug erzählt“ worden. Bayern habe mit einem Atomstromanteil von 47 Prozent immer noch „die dreckigste Stromversorgung“ aller Bundesländer, aber trotzdem gebe die Politik im Freistaat den erneuerbaren Energien immer wieder „einen Tritt“.

Hans-Josef Fell, Ex-Grünen-MdB, Energy-Watch-Präsident und Sprecher der Initiative „Pro Windkraft“: Weil die CSU den Ausbau der Windkraft mit der 10H-Regelung praktisch zum Erliegen bringe und auch sonst alles verhindere, was Atomstrom ersetzen könne, werde die Klage gegen das 10H-Gesetz zu einer „Klage für den Erhalt des Atomausstiegs“.

Kamm ergänzte: „Wir sind enttäuscht, dass der Energiedialog nicht zu einer Wiederbelebung der Energiewende in Bayern geführt hat“. Stattdessen drohten „nach dem unseligen 10H-Gesetz weitere Rückschritte durch Blockaden beim Netzumbau und Subventionen für fossile Kraftwerke“. Statt den 2011 mit „Energie innovativ“ eingeschlagenen Weg in die erneuerbare Energiewelt fortzusetzen, plane die Staatsregierung ein Zurück in die fossile und nukleare Stromwelt. „Dies schadet der Umwelt, der Wirtschaft und somit den Menschen. Dabei könnte die Windbranche für weniger als 9 ct/kWh vor Ort ein Drittel des in Bayern benötigten Stroms liefern“, so Kamm.

Wind auch in Bayern konkurrenzfähig – trotzdem „jähes Ende“ ab 2016

Wie der BWE erläuterte, sei der gute Zubau in Bayern im Jahr 2014 mit 154 Windkraftanlagen und einer Leistung von 410 MW der sichtbare Beweis, dass die preiswerte Windenergie dank effizienter Binnenlandanlagen sich auch im Freistaat rechne. Aufgrund der vor der 10H-Gesetzgebung erteilten Genehmigungen geht der BWE auch für 2015 von einem Zubau von ca. 300 MW aus. Ab 2016 drohe aber ein jähes Ende des Ausbaus. Spätestens dann würde sich Bayern ohne einen weiteren nennenswerten Zubau von erneuerbarer Kraftwerksleistung gänzlich aus der Energiewende verabschieden. Schon jetzt sei der Zubau bei PV und Biomasse zum Erliegen gekommen und nennenswerte Ausbaupotenziale bei Wasserkraft oder Geothermie seien kaum vorhanden.

Bayern gefährdet Energiewende und Versorgungssicherheit

„Die sture Haltung der Staatsregierung gefährdet die Energiewende in Deutschland und die Stromversorgung in Bayern“, warnte Fell. „Das 10H-Gesetz ist dafür nur ein exemplarisches Beispiel. Deshalb haben wir uns sehr früh entschlossen, gegen dieses Gesetz zu klagen. Es hebelt die Ziele Bayerns und der Bundesregierung für die Energiewende aus. Wer wie die bayerische Staatsregierung den Ausbau der Erneuerbaren Energien so massiv drosselt und gleichzeitig keine neuen Leitungen will, kann nur eine erneute Laufzeitverlängerung der Atomenergie im Hinterkopf haben, denn dann ließe sich der Atomstrom bis 2022 nicht ersetzen.“

Klagevertreter Helmut Loibl, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, sieht „gute Chancen, dass unsere Klage vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof erfolgreich ist“. Eine vorausschauende Landespolitik müsse dies erkennen, statt auf ein Urteil zu warten. „Stattdessen wird in Kauf genommen, dass seit Geltung der 10H-Regelung keine neuen Windenergieanlagen mehr beantragt oder genehmigt werden und damit ein faktischer Ausbaustopp vorliegt.“ Deshalb hofft Loibl, dass der Verfassungsgerichtshofes möglichst noch 2015 entscheidet, da „jeder Tag ein verlorener Tag für die Windenergienutzung in Bayern“ sei.

[note Solarify meint: Auch nach dem bayerischen Energiedialog am 02.02.2015 (Feigenblatt oder Alibiveranstaltung?) ist nicht klar, wie die Staatsregierung die Stromversorgung Bayerns sichern will: mit neuen Stromtrassen oder Gaskraftwerken, oder sonstwie. Ministerpräsident Seehofer will in Berlin darüber verhandeln und damit der Bundesregierung den Schwarzen Peter zuschieben. Er will durchsetzen, dass der Bund neue Gaskraftwerke in Bayern subventioniert. Auch seine Wirtschaftsministerin Aigner hofft auf Zuschüsse für neue Gaskraftwerke, wenn sie sagt: „Wir brauchen vom Bund noch in diesem Jahr klare Zusagen“. Die Staatsregierung muss auf die sprichwörtliche göttliche Eingebung hoffen, denn sie ist in der Zwickmühle: 2013 hat die CSU im Netzausbauplan des Bundes zwei HGÜ-Leitungen auch durch Bayern mit beschlossen. Davon will Seehofer jetzt aber wegen der Bürgerproteste nichts mehr wissen (Populismus?). Aigner fürchtet aber gleichzeitig öffentlich, dass ohne die Überlandleitungen der Strom viel teurer würde – was die Staatsregierung natürlich ebenfalls vermeiden will. Vielleicht schauen Aigner und Seehofer mal im Hofbräuhaus nach, ob Alois Hingerl da sitzt…]

->Quellen: