Gabriel eckt mit Eckpunkten an

Koalitionskrach um CO2-Abgabe

CDU und CSU haben das geplante Krisengespräch zwischen SPD und Union erneut abgesagt. Grundlage für die Energieklausur sollte Gabriels Eckpunkte-Papier sein, das dieser am 27.02.2015 im Bundestag erläuterte. Darin geht es um eine Grundsatzentscheidung zum Strommarkt – eine Abgabe für ältere Kohlenmeiler. Die stößt nicht nur in der Union auf Kritik. Die Grünen beantragten eine Aktuelle Stunde im Bundestag zur Kohle-Politik des Energieministers. Gabriel traf unterdessen die für die Energiepolitik zuständigen Landesminister.

Gabriel mit Greenpeace-Transparent ‚Kohleausstieg‘ – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Er verteidigte dort seine Pläne: Die Kohleindustrie müsse nur einen bescheidenen Beitrag leisten. Da könne man „nicht wirklich sagen, dass das der Ausstieg aus der Kohle ist“. Auch ihm seien die Jobs in den Kohle-Revieren wichtig. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wies Kritik aus Union und Industrie zurück. Kanzlerin Merkel stehe hinter dem gemeinsamen Klimaschutzpaket. Niemand wolle die Unternehmen „kujonieren“, sagte Hendricks im SWR.

Um den deutschen [[CO2]]-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 doch noch zu senken, will Gabriel nach den Berechnungen seines Wirtschaftsministeriums mit der neuen Abgabe die Emissionen der rund 500 fossilen Kraftwerke bis 2020 um insgesamt 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid drosseln. Betroffen von einer Strafzahlung wären  vor allem mehr als 20 Jahre alte Braunkohle-Meiler, die über einen Freibetrag hinaus [[CO2]]emittieren – um etwas weniger als 7 Prozent des Gesamt-Jahresausstoßes von ca. 300 Millionen Tonnen. Nach Angaben der Bundesregierung droht aber keine Doppelbelastung für die Betreiber, wie die Länder sie fürchten. Denn die deutsche [[CO2]]-Abgabe werde mit dem europäischen Emissionshandel verrechnet.

Scharfe Ost-Kritik

Die Länderschefs von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg kritisierten derweil im Bundesrat Gabriels Konzept scharf. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) nannte die Abgabe eine „Strafabgabe für Kraftwerke“, von denen viele dann keine Zukunft mehr hätten. Das Papier sei „gut gemeint, aber schlecht gemacht“.  Tillich warnte vor höheren Strompreisen bei einem nationalen Alleingang und wies auf die rund 10.000 Arbeitsplätze hin, die in der Lausitz direkt von der Braunkohle abhingen. Ebenso Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD): Er Zehntausende Arbeitsplätze bedroht. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) schließlich lehnt Gabriels Vorstoß „ohne Wenn und Aber“ ab und ging weit zurück: Ostdeutschland habe bereits einen erheblichen Beitrag zum Rückgang der Treibhausgase geleistet – nämlich durch den Wegfall der Industrie nach der Wende – so tagesschau.de.

Seit die Dreckschleuder-Abgabe bekannt wurde, „herrscht in den Braunkohlerevieren im Rheinland und in der Lausitz Panik“, wie der Tagesspiegel schreibt. Das Bundeswirtschaftsministerium werde mit Protesten überschwemmt. Gabriel hatte der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) Anfang der Woche zwar zugesagt, das von seinem Haus vorgeschlagene Klimaschutzinstrument zu überdenken, doch  offenbar beließ er alles beim alten.

DUH: Kohleländer dürfen Klimaschutzziel nicht blockieren

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner begrüßte Gabriels [[CO2]]-Pfennig; das nationale Klimaschutzziel müsse aber vor den Partikularinteressen der Länder rangieren: „Der Abbau von Überkapazitäten bei der Kohleverstromung ist lange überfällig. Spät hat das jetzt auch Sigmar Gabriel erkannt. Mit seinem Vorschlag liefert er aus Sicht des Klimaschutzes zwar nicht mehr als die absolute Minimallösung, um das deutsche Klimaziel zu erreichen. Sie eignet sich aber grundsätzlich dafür, mit klug gesetzten wirtschaftlichen Anreizen dafür zu sorgen, dass die schmutzigsten Kohlekraftwerke teilweise oder ganz vom Netz gehen.“

Braunkohlebefürworter mit ihrer rückwärtsgewandten Position sollten aufhören, weiterhin die Energiewende zu bekämpfen. Vielmehr sollte für die betroffenen Regionen die zentrale Frage sein, wie der notwendige Strukturwandel sozial und energiepolitisch zu bewerkstelligen sei. Bei dieser Diskussion dürften sich die großen Stromkonzerne, die in den vergangenen Jahrzehnten mit der Kohleverstromung satte Gewinne eingefahren und dabei die Erfordernisse des Klimaschutzes ignoriert hätten, „nicht aus ihrer Verantwortung stehlen“.

„Kohlelobby will nicht den kleinsten Beitrag zum Klimaschutz leisten“

Und Greepeace-Energieexpertin Susanne Neubronner sekundierte während einer – der wohl ersten – Pro-Gabriel-Demosntraiton vordem BMWi: „Gabriels Vorschlag ist das Minimum dessen, was der Klimaschutz erfordert. Erleben wir jetzt einen entscheidungsstarken Minister, der zu seinen Zielen steht – oder wieder den alten sprunghaften Gabriel, der heute dies sagt und morgen vor der Kohlelobby einknickt? Nur ein Kohleausstieg spart genügend [[CO2]] ein, um das Klimaschutzziel zu erreichen.“ Die Verlässlichkeit Deutschlands auf internationalem Parkett stehe auf dem Spiel, wenn das Klimaschutzziel der Kohlelobby geopfert werde, so Neubronner: „Auch die Kohlelobby hat eine Verantwortung den kommenden Generationen gegenüber. Sie will aber nicht den kleinsten Beitrag zum Klimaschutz leisten.“

[note Ob das 2020er Ziel „Minus 40 %“ mit der Klimaschutzabgabe überhaupt möglich ist, ist fraglich. Zunächst erweitert Gabriel den für den Stromsektor erlaubten [[CO2]]-Ausstoß von rund 250 Millionen Tonnen auf 290 Millionen Tonnen. Für jede Tonne [[CO2]], welchedie Energieversorger darüber hinaus ausstoßen wollen, sollen sie nun eine Klimaschutzgebühr bezahlen. Ob diese jedoch die erhoffte Wirkung entfaltet, hängt entscheidend von ihrer Höhe ab.]

Aufgrund der Billig-Importkohle und den Spottpreisen für [[CO2]] lohnen sich umweltfreundliche Gaskraftwerke im Vergleich zu Kohlekraftwerken nicht – E.ON hat gar kürzlich die Stillegung seines hochmodernen Gaskraftwerks Irsching angekündigt.

Harsche Kritik auch aus dem Mund des Wirtschaftsausschuss-Vorsitzenden Peter Ramsauer (CSU): „Was ich unmöglich finde, ist, dass man aus Kernkraft und aus Kohlekraft gleichzeitig aussteigt, als alles schön nacheinander. Wir dürfen energiewirtschaftlich die deutsche Wirtschaft nicht zu Grunde richten.“ Im Wirtschaftsministerium werde keine SPD-Energiepolitik gemacht sondern grüne; die Grünen säßen sozusagen mit am Regierungstisch“, meinte der Ex-Verkehsminister mit Blick auf auf Gabriels grünen Staatssekretär Rainer Baake. Unter dessen Regie ist das Eckpunkte-Papier verfasst worden, das jetzt nicht nur die die Union, sondern auch die SPD-Ministerpräsidenten in Kohle-Ländern aufbringt.

Grüne Kritik an Gabriel

Dem Grünen-Energiepolitiker Oliver Krischer gehen Baakes/Gabriels Pläne nämlich nicht weit genug. Daher ist ihm der Streit im Regierungslager nun auch unklar: „Verstehen kann ich es nicht, denn das was Gabriel vorschlägt, ist eher mehr ein Maßnähmchen als eine Maßnahme. Dadurch wird kaum ein einziges Kohlekraftwerk ernsthaft belastet. Aber die Aufgeregtheit, mit der die Debatte geführt wird, zeigt eigentlich, dass da welche die Klimaschutzziele nicht ernstnehmen.Und die grüne Sprecherin für Klimapolitik Annalena Baerbock, für die Brandenburger Grünen im Bundestag, nennt den lauten Protest von Unternehmen und Landesregierung verlogen: „Aus meiner Sicht ist es fatal, dass man in Brandenburg vor dem Strukturwandel, der ohnehin in der Lausitz stattfindet, der in dem ganzen fossilen Kraftwerkspark stattfindet, jetzt die Augen verschließt. Vattenfall hat auch ganz unabhängig von den Plänen der Bundesregierung ja bereits angekündigt, dass in den nächsten Jahren mindestens ein Drittel der Arbeitsplätze abgebaut wird. Und das könnte man jetzt gut mit Klimaschutzzielen kombinieren.“ Aber den Mut zu dieser Entscheidung hat die Landesregierung nicht, kritisiert die Grüne.

Hans-Josef Fell empfiehlt Umdenken, statt Festhalten an der Kohle: „Wenn es den Politikern der Kohleregionen und der IGBCE wirklich ernst ist um die Jobs in ihren Regionen, dann sollten sie endlich ihren Druck gegen Erneuerbaren Energien aufgeben… Ein Ausbau der Energieversorgung mit 100% Erneuerbaren Energien würde auch in den Kohleregionen wesentlich mehr Jobs kreieren, als in der Kohlebranche noch wegfallen können“, meint Hans-Josef Fell in seinem Kommentar vom 31.03.2015.

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