Nanostrukturen: Kohle nach Maß

Nickel-Kohle-Komposite als Katalysatoren für die Wasserspaltung

Erste Versuche mit den Nanostrukturen bescheinigen vielen von diesen nützliche Eigenschaften. Weil die Gruppe um Fellinger sich auch mit Energiespeicherlösungen beschäftigt, untersuchten die Forscher beispielsweise die katalytischen Effekte der Nanokohlen auf die elektrochemische Spaltung von Wasser. Dabei erwiesen sich vor allem die Nickel-Kohle-Nanokomposite den gängigen Katalysatoren als ebenbürtig. „Sie wären aber vermutlich ökonomischer in der Herstellung als die bisher verwendeten auf Iridium-Basis“, sagt Fellinger. Mit einer katalytischen Wasserspaltung ließen sich zum Beispiel kurzfristig Überschüsse an elektrischer Energie in Form von Wasserstoff speichern. „Auch eine dezentrale und bedarfsorientierte Produktion von Wasserstoff ist mit wirtschaftlichen Katalysatoren denkbar“, so Fellinger. Potenziell gefährliche Transporte des Gases wären dann überflüssig.

Beeindruckt waren die Wissenschaftler auch davon, wie porös ihre Nanostrukturen sind und wie gut die Kohlenstoffpartikel etwa Gase aufnehmen. So adsorbieren einige Produkte Gase sogar besser als kommerzielle Aktivkkohle. Tim Fellinger findet das bemerkenswert: Anders als bei der Herstellung von Aktivkohlen üblich, werden keinerlei Maßnahmen in den Verkohlungsprozess integriert, die die Adsorptionseigenschaften fördern. Für Fellinger ergeben sich daraus vielfältige Einsatzgebiete. Unter anderem könnten die neuen Partikel bei der Entwicklung von Batterien der nächsten Generation Dienste leisten, also etwa bei Lithium-Schwefel- oder Lithium-Luft-Batterien.

Ein neuartiger Syntheseweg ermöglicht die Strukturvielfalt

Ausschlaggebend für die besondere Strukturvielfalt und die nützlichen Eigenschaften waren vor allem zwei Vorgehensweisen, mit denen Fellinger und seine Mitarbeiter jeweils Neuland betraten. Zum einen wählten die Forscher ein ungewöhnliches Reaktionsmilieu: Sie verwendeten über 500 Grad heiße Salzschmelzen, zum Beispiel flüssiges Zinkchlorid. Zum anderen karbonisierten sie flüssige Ausgangsstoffe. Bisher werden in der Regel Feststoffe karbonisiert, da dafür hohe Temperaturen nötig sind, bei denen sich organische Flüssigkeiten schlicht verflüchtigen. Wie sich zeigte, ermöglichen die Salzschmelzen dagegen die Karbonisierung direkt aus dem flüssigen Medium. Die Forscher injizierten dazu kostengünstige und laborübliche Lösungsmittel einfach in das flüssige Salz.

„Offenbar werden die Flüssigkeitsmoleküle beim Kontakt mit der Schmelze gespalten, noch bevor sie verdampfen können“, erklärt Tim Fellinger. „Die Spaltprodukte wiederum setzten sich dann vermutlich binnen weniger Nanosekunden zu größeren kohlenstoffreichen Molekülen zusammen.“ Die umgebende Zinkchlorid-Schmelze scheine diese zu stabilisieren. Weil es sich bei geschmolzenen Salzen um heiße ionische Flüssigkeiten handelt, nennen Chemiker Synthesen in solch einem Milieu auch Ionothermalsynthesen. In der Anorganik haben sich diese bereits bewährt. Die Potsdamer Max-Planck-Forscher waren die Ersten, die sie nun auch als Karbonisierungsvariante nutzten.

Nach der Reaktion gaben sie einfach verdünnte Salzsäure in ihr erkaltetes Gemisch. Während sich das Salz darin löste, blieb die Nanokohle als schwarzes, luftiges Pulver zurück und ließ sich einfach herausfiltern. Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen zeigten die unterschiedlichen Nanostrukturen der jeweiligen Produkte. So führten Acetonitril, Benzonitril und Dimethylsulfoxid zu sphärischen Strukturen, wie sie auch von bereits gängigen Industrierußen bekannt sind. Tropften die Wissenschaftler aber zum Beispiel Ethylenglykol oder Glycerin in ihre Salzschmelze, so entstanden schichtartige Kohlen. Für andere Flüssigkeiten wie Ethanol, Aceton oder Pyridin ergaben sich faserige Produkte, die zudem noch verzweigt und vernetzt waren. Kugelförmige Kohlenstoffpartikel wiesen dabei einen Durchmesser von zehn Nanometern auf, die faserartigen Strukturen waren bis zu 120 Nanometer lang.

Salzschmelzen wirken wie Schmier- und Spülmittel

Obwohl die genauen Mechanismen noch Spekulation seien, findet Tim Fellinger die neue Vielfalt an Partikelstrukturen recht plausibel: „Wir vermuten, dass die Salzschmelze als eine Art Schmiermittel fungiert und so die Mobilität der organischen Fragmente erhöht.“ Diese Beweglichkeit wiederum führe zu mehr Möglichkeiten für die Bausteine, sich zu arrangieren. Wie rasch dies geschehe, könne sich von Lösungsmittel zu Lösungsmittel unterscheiden – und damit ein Grund für die unterschiedlichen Strukturen sein. Und noch etwas hält der Chemiker und Nanostrukturwissenschaftler für wichtig: „Das Salz setzt die Grenzflächenspannung herab.“ Daher würden sich die Kohlefragmente nicht mehr unbedingt zu kugelförmigen Gebilden zusammenziehen, um so ihre Oberfläche zu minimieren. Genauso, wie Wasser auf Oberflächen keine Tropfen mehr bildet, wenn man ihm Spülmittel zusetzt.

Auch die große Porosität führten die Forscher auf die Anwesenheit der Salzionen zurück: Aufgrund der geringen Grenzflächenspannung hätten Salz und Kohle während der Synthese große Kontaktflächen. „Trennt man das Salz anschließend ab, bleiben viele Hohlräume zurück“, so Fellinger.

Mit vielen Ideen befinden sich die Forscher erst am Anfang. Bedenkt man zudem die große Anzahl anorganischer Salze und organischer Lösungsmittel, die sich bei dem Ansatz kombinieren lassen, sind noch viele maßgeschneiderte Kompositvarianten mit nützlichen Anwendungen vorstellbar. Einige der Kombinationen von Salz und Lösungsmitteln wollen die Forscher nun ausprobieren. Außerdem möchten sie genauer untersuchen, ob die Kohlenstoffschichten und -fasern, die jetzt zugänglich sind, für bestimmte Verwendungen Vorteile gegenüber sphärischen Strukturen bringen. „Auf jeden Fall haben wir mit der Heißinjektion gut verfügbarer Lösungsmittel und der Ionothermalsynthese ein neues, vielseitiges Instrument für die Karbonisierung“, sagt Tim Fellinger. (KH)

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