Interessen contra Energiewende

Deutschland, vor allem dessen gar nicht so „große“ Regierungskoalition,  kommt sich zwar ständig als Weltvorbild in Sachen Energiewende vor – angesichts der Umbauprobleme des Energiesystems muss der selbsternannte Klassenprimus „allerdings hoffen, dass das Ausland nicht zu genau hinschaut. Ein genauer Blick könnte nämlich ernüchternd wirken,“ schrieb Fritz Vorholz jüngst auf Zeit-Online. Michael Bauchmüller konstatierte nun in der Süddeutschen Zeitung, Deutschland zeige gerade „der Welt, wie die Energiewende nicht funktionieren wird: indem sie sich über das Ziel im Klaren ist, sich den Weg dorthin aber von allen Interessengruppen verbauen lässt“.
Mit großen Klimazielen hantierten die Deutschen schon seit 20 Jahren: 1995 prophezeite Kanzler Kohl bis 2005 ein Viertel weniger Klimagase – Geschichte. 2007 erfand Kohls „Mädchen“ Merkel ein neues Ziel: Bis 2020 40 Prozent weniger CO2 als 1990 – auch das wird nach aktuellen Zahlen Geschichte bleiben. Denn „das Ziel rückt immer weiter in die Ferne,“ so Bauchmüller. Die Kommission zur Beobachtung der Energiewende formulierte gar wenig schmeichelhaft: „Um tatsächlich bei 40 Prozent minus zu landen, müsste sich in den fünf verbleibenden Jahren Gewaltiges tun, das Tempo beim Klimaschutz sich verdreifachen.“ Die gegenwärtige Diskussion um die Energiewende führe aber der Welt vor Augen, wie der Energie-Umbau kein Erfolg wird. „Denn den unbequemen Fragen weicht die Koalition aus“ – sei es dem Braunkohle-Streit („Wer den Deutschen diese Art Energiewende nachmachen will, braucht viel Kleingeld“), der effizienten Gebäudesanierung („Klimapolitik paradox“), den Verkehrs-Emissionen („derweil sogar wieder gestiegen“) – oder dem landwirtschaftliche Treibhausgas-Ausstoß („an die üblen Klimafolgen intensiver Landwirtschaft traut sich diese Regierung so wenig heran wie ihre Vorgänger“). Die Regierung sollte sich die Kommentare von Vorholz und Bauchmüller hinter die Ohren schreiben, sonst bekommt sie sie bald um dieselben geschlagen, und aus dem Klassenprimus wird ein verspotteter Streber – zumal angesichts der Pariser Klimakonferenz, bei der die Erwartungen weit über das realistisch zu Erwartende hinausgehen, siehe oben.
-Gerhard Hofmann-