Auftragsvergabe künftig ökologisch und sozial – „Bundesregierung verpasst Chance“

Neues Gesetz regelt Vergabekriterien öffentlicher Stellen – Kritik

Baustelle in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Künftig sollen sich Entscheidungen über Einkäufe und Aufträge der öffentlichen Hand auch am Umweltschutz und an sozialen Standards ausrichten. Das steht in einem Gesetzentwurf, der eine EU-Richtlinie umsetzt; diese – mit dem Kürzel 2014/23 – 25/EU – erklärt die Einhaltung umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlicher Standards zum allgemein gültigen Grundsatz der Auftragsvergabe. Als Produkteigenschaften sollen auch nicht-stoffliche Merkmale und der Produktionsprozess selbst gelten. Das Gesetz (VergRModG – Bundestagsdrucksache 18/6281)  ging am 14.08.2015 an den Bundesrat (dieser hat 17 Änderungsvorschläge gemacht), soll im Dezember vom Bundestag beschlossen werden und am 18.04.2016 in Kraft treten. Eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss verlief aufgrund der Einladungspraxis einseitig. Stellungnahme von WEED: „Bundesregierung verpasst Chance“.

Die EU hat die Richtlinie im März 2014 beschlossen. Öffentliche Stellen müssen danach bei ihren Entscheidungen Kinderarbeit, Ausbeutung und Lohndumping, Umweltzerstörung oder Gesundheitsgefährdung der Arbeiter brücksichtigen – auch im Ausland. Diese und ähnliche Verstöße – können den Ausschluss eines Herstellers von einer Ausschreibung zur Folge haben.

Eckpunktepapier des BMWi: Soziale, ökologische und innovative Aspekte

Das Bundeskabinett beschloss am 07.01.2015 ein Eckpunktepapier des BMWi, das die Richtung vorgab: „Unter Beachtung des Ziels der wirtschaftlichen Beschaffung sollen, wo möglich, soziale, ökologische und innovative Aspekte bei der öffentlichen Beschaffung stärker Berücksichtigung finden.“

Das Modernisierungspaket der EU umfasst drei Richtlinien:

  • die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe,
  • die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Sektoren) und
  • die neue Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen.

Die EU-Vergaberechts-Modernisierung zielt darauf ab, das Regelwerk für die Vergaben weiter zu entwickeln und stärker zu vereinheitlichen. Die Vergabeverfahren sollen effizienter, einfacher und flexibler gestaltet und die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen an öffentlichen Vergabeverfahren erleichtert werden. Gleichzeitig ermöglicht es der neue Rechtsrahmen den Vergabestellen, die öffentliche Auftragsvergabe stärker zur Unterstützung strategischer Ziele zu nutzen: Dazu gehören vor allem soziale, ökologische und innovative Aspekte. Weiterhin regeln die neuen EU-Richtlinien grundlegende Ausnahmen vom Vergaberecht. Dies bietet gerade Kommunen mehr Rechtssicherheit bei der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge.

Es soll ein anwenderfreundliches, modernes, rechtssicheres und die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel ermöglichendes Vergaberecht geschaffen werden. Das Eckpunktepapier nennt ausgehend vom Koalitionsvertrag als Leitlinien:

  • Struktur und Inhalt des deutschen Vergaberechts müssen einfach und anwenderfreundlich sein.
  • Eine wirtschaftliche Beschaffung wird durch Wettbewerb, Transparenz und Nichtdiskriminierung sichergestellt.
  • Soziale, ökologische und innovative Aspekte sollen im Einklang mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gestärkt werden.
  • Kommunale Handlungsspielräume sollen erhalten bleiben.
  • Der bürokratische Aufwand für Auftraggeber und Auftragnehmer soll so gering wie möglich gehalten werden.
  • Öffentliche Aufträge im Inland und im EU-Ausland sollen für deutsche Unternehmen gleichermaßen attraktiver werden. Europa- und bundesweit soll das Vergabeverfahren daher möglichst einheitlich sein.
  • Kleine und mittlere Unternehmen dürfen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge nicht benachteiligt werden.
  • Ein weitgehend digitalisierter Beschaffungsprozess wird angestrebt.
  • Wirtschaftsdelikten muss wirksam entgegengewirkt werden.
  • Die EU-Richtlinien werden „eins zu eins“ in das deutsche Recht umgesetzt.

Neue Struktur des Vergaberechts

Die Struktur des deutschen Vergaberechts soll vereinfacht und anwenderfreundlich gestaltet werden. Die wesentlichen gesetzlichen Vorgaben bleiben im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verankert. Dort sollen die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts, den Anwendungsbereich, die Vergabearten, die neuen Vorgaben der Richtlinien für die Kündigung und die Änderungen von Aufträgen und Konzessionen während der Laufzeit, die Gründe für den Ausschluss von einem Vergabeverfahren und die grundsätzlichen Anforderungen an Eignung und Zuschlag im GWB neu geregelt werden.

  • Die Vergabeverordnung (VgV), die Sektorenverordnung (SektVO), die Verordnung über die Vergabe in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) regeln die Einzelheiten des Vergabeverfahrens.
  • Das Vergabeverfahren für Liefer- und Dienstleistungen sowie für freiberufliche Leistungen werden wir in der VgV zusammenführen.
  • Die spezifischen Vergabevorschriften zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen (bislang Kapitel 3 der VOF) und die Vorschriften zu Wettbewerben (Auslobungsverfahren) im Bereich der Raumplanung, des Städtebausund des Bauwesens (bislang Kapitel 2 der VOF) werden künftig als neuer Abschnitt in der VgV hervorgehoben.Dieser Abschnitt wird vom BMUB erarbeitet und steht abweichend von der sonstigen Federführung des BMWi unter gemeinsamer Federführung von BMWi und BMUB.
  • Bauspezifische Vergabeverfahren werden weiterhin in der VOB/A durch den Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen geregelt. Damit tragen wir den Besonderheiten der Bauleistungen bei öffentlichen Aufträgen Rechnung.
  • Die Konzessions-Richtlinie werden wir in einer eigenständigen Rechtsverordnung über die Konzessionsvergabe umsetzen. Dabei werden die spezifischen Belange der Baukonzession berücksichtigt.
  • Wir werden die Expertise der Wirtschaftsverbände und öffentlichen Auftraggeber in diesem Prozess intensiv nutzen. Dabei kommt den Vergabe- und Vertragsausschüssen eine wichtige Rolle zu.
  • Nach Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien wird zeitnah der Anpassungsbedarf für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte geprüft.

Folgt:Inhaltliche Schwerpunkte der Vergaberechtsmodernisierung