Atomballett in Zeitlupe

Femtochemie: Mithilfe kurzer Elektronenpulse lässt sich Strukturänderung in komplexem Molekül wie im Film verfolgen

Chemie ist nun filmreif: Mithilfe einer Art Molekülkamera hat ein internationales Team, an dem auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg beteiligt waren, das rasend schnelle „Ballett“ verfolgt, das Atome bei Strukturänderungen in Molekülen vollführen. Mit einer vergleichsweise kompakten, effizienten und kostengünstigen Technik beobachten die Forscher detailliert und in Zeitlupe, wie sich die winzigen Atome bei einem molekularen Übergang in einem komplexen Material bewegen. Eine Mitteilung der Max-Planck-Gesellschaft.

Solche Umwandlungen der Struktur laufen wie alle chemischen Reaktionen, bei denen Atome ihre Position ändern, in einigen 100 Femtosekunden oder sogar schneller ab – . Die Femtochemie kennt zwar heute schon Aufnahmetechniken für chemische Prozesse, dafür sind bislang aber große und teure Anlagen notwendig, in denen nur ausgewählte Projekte erforscht werden können.

Eine Femtosekunde (1 fs = 1·10-15) ist der millionste Teil einer milliardstel Sekunde, also der billiardstel Teil einer Sekunde. In einer Femtosekunde legt das Licht eine Strecke von 0,3 µm zurück. Eine Femtosekunde verhält sich zu einer Sekunde wie eine Stunde zu 114·109 Jahren (8mal mehr als das Alter des Universums) – Quelle: science-at-home.de

Ein Molekülfilm: Die Einzelbilder zeigen auf’s Atom genau, wie sich Pt(dmit)2-Moleküle innerhalb von einigen 100 Femtosekunden (fs) bewegen, während Me4P[Pt(dmit)2]2 mit Laserlicht vom isolierenden in den metallisch leitenden Zustand umgeschaltet wird. In der Illustration links ist die anfängliche Struktur dargestellt: grau – Platin, schwarz – Kohlenstoff, gelb – Schwefel. Bild © Science 2015/MPI für Struktur und Dynamik der Materie.

„Stellen Sie sich vor, Sie können beobachten, wie Atome sich während eines chemischen Prozesses bewegen!“, schwärmt der Chemieprofessor Dwayne Miller. Genau daran arbeiten der aus Kanada stammende Direktor und seine Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie seit vielen Jahren. Mit ihrer neuesten Forschungsarbeit, sind die Hamburger Forscher ihrem Ziel einen wichtigen Schritt näher gekommen.

Die Chemie arbeitet heute immer noch weitgehend unbewegten Bildern. Zwar kann sie mit immer feineren Methoden sehr genaue Strukturbilder von Molekülen ermitteln. Doch es sind nur starre Rekonstruktionen der Atompositionen, die den Zustand zum Beispiel vor und nach einem chemischen Prozess zeigen. Mit theoretischen Modellen ließen sich zwar zumindest die Bewegungen kleiner Moleküle während einer chemischen Umwandlung beschreiben. Mit wachsender Zahl der beteiligten Atome explodiert aber auch die Zahl der Freiheitsgrade, mit denen sich die Teilchen in Reaktionen bewegen können. „Diese vielen Freiheitsgrade der Chemie können Physiker in den Wahnsinn treiben“, sagt Miller scherzend, der beide naturwissenschaftliche Denkweisen beherrscht. Eine genaue theoretische Berechnung vieler chemischer Systeme überfordert daher jeden Supercomputer.

Folgt: So erhellend wie ein Zeitlupenvideo vom Trick eines Magiers