Global Gardening – Risiken und Chancen der Bioökonomie

Christiane Grefes neues Buch

Autoreifen aus Löwenzahn, Plastik aus Kartoffeln, Sprit aus Zucker oder Flugkerosin aus Algen: von einer „wissensbasierten Bioökonomie“ erhoffen sich ihre Förderer Lösungen für die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts: Wie können in Zeiten des Klimawandels immer mehr Menschen von immer weniger Ressourcen mit Nahrung, Energie und Materialien zugleich versorgt werden?

Dabei konkurrieren Getreide und Futtermittel, Energiepflanzen, Fasern und Naturlandschaften für den Erhalt der Biodiversität schon jetzt um Flächen, Wasser und Boden. Wer – wie Buchautorin Christiane Grefe („Der globale Countdown“, „Ende der Spielzeit“, „Klimawechsel“, attac) – in Ministerien, Konzernlaboren und Biotechnologie-Startups nachfragt, stößt auch auf andere Interessen: An neuen Forschungsgeldern, Produktideen, Märkten und der Sicherung der Ressourcen in Entwicklungsländern.

In Zukunft soll die synthetische Biologie Lebensformen neu konstruieren. Ist Bioökonomie also ein „totalitärer Ansatz“, wie Kritiker warnen oder sind neue Technologien sinnvoll? Wie müssen sich Handelsregeln, Forschungspolitik und Agrarsubventionen ändern, damit globale Vielfalt erhalten bleibt? Und wer entscheidet darüber? Die Journalistin Christiane Grefe ist diesen Fragen nachgegangen, hat mit Politikern gesprochen, mit Ökologen, Naturschützern und Bauern. In spannenden Reportagen, Streitgesprächen und Analysen zeigt sie die Risiken wie die Chancen der Bioökonomie – und wie nötig eine Debatte darüber ist, welche Natur wir in Zukunft wollen.

Leseprobe (S. 12ff. – book2look.com/vBook):

Heute gilt die Bioökonomie, kurz gefasst, als jener Teil der „GreenEconomy“, der biogene Ressourcen nutzt. Der Begriff schließt die gesamte Ernährungspolitik und -wirtschaft ein und entscheidet über nicht weniger als den Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen. So wird die Bioökonomie als Dach über sämtlichen Wirtschaftsbrachen und -sektoren beschrieben, die aus Tieren, Wald- und Ackerfrüchten, Fischen, Mikroorganismen und Algen Produkte herstellen.

Eine große Effizienzrevolution soll sie in Gang setzen, und das zugleich bei allen „Sechs F“: Food, Feed, Fuel, Fiber, Flowers & Fun – so schön knapp wie im Englischen kriegt man es auf Deutsch kaum hin. Alle Dinge, die uns ernähren, kleiden, fortbewegen und pflegen, aus denen wir Häuser bauen und Alltagsgegenstände herstellen, sollen zunehmend aus biologischen Quellen hergestellt und mit biologischem Wissen optimiert werden. Dabei wird nach Antworten auf komplexe Fragen gesucht: Wie lassen sich Pflanzen und Flächen für Lebensmittel, Futtermittel, Treibstoffe, Papier und Fasern, Blumen und Erholungsgebiete am zielstrebigsten und mit möglichst großer Ausbeute nutzen? Kann „Biomasse“, der Stoff der Bioökonomie, wundersam vermehrt werden, indem alles technologisch (vor allem biotechnologisch) ergiebiger gemacht und vielfältiger verwendet wird; und das, so die jüngste Ausweitung der Definition, in möglichst geschlossenen Kreisläufen? Die Überschrift für all dies lautet, wie könnte es anders sein: Nachhaltigkeit.

Doch mehr noch betonen Regierungen und Industrien die Chancen für Innovationen, neue Produkte und Wirtschaftswachstum. Bioökonomie: Das klingt nicht nur metaphorisch, sondern ganz konkret nach der Hoffnung, jetzt aus Stroh Gold zu machen. Mit der Wachstumskritik der Bioökonomie aus den 1980ern haben diese weiterhin ausgreifenden Konzepte wenig gemein. So bleibt nicht nur der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker einigermaßen erstaunt über die „Usurpierung eines sexy Begriffs“. Doch er macht weiter Karriere, und das stachelte meine Neugierde an.

Immerhin planen die Regierungen mit einiger Kühnheit etwas Richtiges: Sie wollten, so begründen sie ihre Vorstöße, die Forschungs-, Agrar-, Wirtschafts-, Verbraucher- und Entwicklungspolitik beim Thema (Bio-)Ressourcen nicht mehr neben- oder gegeneinander agieren lassen, sondern miteinander im Einklang auf Nachhaltigkeit trimmen. Das ist umso wichtiger nach dem politisch bedeutsamen Jahr 2015, indem sich die Weltgesellschaft auf Klimaschutz-Verpflichtungen und universelle nachhaltige Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals) geeinigt hat. Denn nun gewinnt die Diskussion an Fahrt: Und wie, bitte, machen wir das? Wie setzen wir diese Ziele um?

Christiane Grefe, geboren 1957 in Lüdenscheid, besuchte die Deutsche Journalistenschule und studierte Politikwissenschaft in München. Sie war freie Journalistin bei Natur, Geo Wissen und beim Magazin der Süddeutschen Zeitung und arbeitet seit 1999 als Reporterin für die ZEIT. Zuletzt erschien gemeinsam mit Harald Schumann Der globale Countdown.

Christiane Grefe: Global Gardening – Bioökonomie – Neuer Raubbau oder Wirtschaftsform der Zukunft? Verlag Antje Kunstmann, 320 Seiten, ISBN 978-3-95614-060-0, lieferbar ab 24.02.2016

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