Mehr Mut! Der Verkehr darf den Klimaschutz nicht länger aufhalten

Ein Artikel auf Green Wiwo – mit freundlicher Genehmigung von Weert Canzler und Felix Creutzig

In einem historischen Akt haben sich die Staaten der Welt in Paris dazu verpflichtet, den Klimawandel auf 2°C zu begrenzen. Gelingt es, das Abkommen umzusetzen, könnte Paris als der größte Erfolg kooperativen Handelns in die Menschheitsgeschichte eingehen. Modellstudien zeigen, dass dazu sehr ambitionierte Maßnahmen in allen wirtschaftlichen Bereichen vorangetrieben werden müssten.

Vor diesem Hintergrund ist die deutsche Energiewende zum international bekannten Schlagwort geworden. Tatsächlich machen die erneuerbaren Energien schon jetzt ein Drittel der Stromerzeugung aus, mit günstig aussehenden Kosten- und Lernkurven, und die Kohleverstromung erscheint als Auslaufmodell.

Doch die Erfolgsgeschichte auf dem Strommarkt darf den Blick auf eine andere, vielleicht noch größere Herausforderung nicht verstellen: Das Verkehrswesen könnte ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zur Vermeidung des gefährlichen Klimawandels sein. In diesem Sektor nahmen zwischen 2009 und 2014 die Treibhausgasemissionen um sieben Prozent zu.

Wenig ambitionierte Politik

Es wird besonders schwer werden, im Verkehrswesen das Steuer in Richtung der Dekarbonisierung herumzureißen: Einmal gefertigte Autos befahren die Straßen meist für mehr als zehn Jahre – und Siedlungsmuster, die lange Pendelstrecken nach sich ziehen, währen gar über Jahrhunderte. Doch das Bundesverkehrsministerium kümmert sich bisher kaum – selbst die EU treibt den Klimaschutz im Verkehrssektor mit wenig ambitionierteren Grenzwerten nur minimal voran.

Damit – wie es der neue Klimavertrag vorsieht – 2050 alle Menschen möglichst ohne [[CO2]]-Emissionen weltweit von A nach B gelangen können, müsste Deutschland jetzt mit gutem Beispiel vorangehen. Drei entscheidende Weichen müssten gestellt werden, um die Verkehrswende umzusetzen.

Drei klare Signale

    1. Erstens brauchen wir klare Preissignale. Ein dramatisch niedriger Ölpreis und ein mehr als zehn Jahre unveränderter Mineralölsteuersatz motivieren weder private Haushalte noch Unternehmen dazu, Sprit zu sparen oder auf alternative Antriebe umzusteigen. Wir schlagen eine mäßige, aber stetige und verbindliche Erhöhung des Steuersatzes von jährlich 4 Prozent vor. Dabei handelt es sich faktisch um eine Emissionsabgabe, die mittel- und langfristig Anreize setzt für reduzierte Treibhausgasemissionen sowie einen Umstieg auf alternative Antriebe. Der Steuersatz von Dieselfahrzeugen sollte dem von Benzinern angepasst werden.
    2. Zweitens müssen jetzt ambitionierte [[CO2]]-Emissionsstandards für die nächste Dekade gesetzt werden. Die für das Jahr 2012 beschlossenen Grenzwerte von 95 g [[CO2]]/km für den durchschnittlichen Neuwagen müssen auf unter 70 g [[CO2]]/km im Jahr 2026 verschärft werden. Diese Werte sind nur zu erreichen, wenn wesentlich mehr Hybrid- und Elektrofahrzeuge verkauft werden. Die Verbraucher können höhere Fahrzeugkosten über die Ersparnis bei den Treibstoffkosten wieder einspielen, da sie wissen, dass Benzin und Diesel ständig teurer werden. So gehen beide Politikinstrumente Hand in Hand.
      Allerdings: Ehrgeizige Grenzwerte sind lediglich die eine Seite der Medaille, die andere Seite sind realistische Mess- und Prüfverfahren. Denn die bisher im Labor gemessenen Werte stimmen nicht mit den realen Emissionen auf der Straße überein. Allein die Verbrauchswerte – und damit auch die Treibhausgasemissionen – liegen mittlerweile bis zu 40 Prozent über den Werten, die die Autohersteller angeben, wie das International Council on Clean Transportation (ICCT) schon ein Jahr vor dem VW-Abgasskandal nachgewiesen hat. Realistische Straßentests sollten deswegen die Labortests ergänzen. Das hat nicht zuletzt der „Dieselgate“-Skandal eindrücklich gezeigt.
    3. Drittens müssen attraktive neue Mobilitätsangebote her, die die Verkehrswende auch erlebbar machen. Veränderte Mobilitätsmodelle können einerseits die Flexibilität erhöhen, andererseits gerade unsere Städte lebenswerter machen und die oft gesundheitsgefährdende Feinstaubbelastung senken.

Folgt: Investitionen in Gleise und Radstrecken fehlen