„Der Stöpsel ist aus der Flasche“

Agora mit positiver Bilanz fünf Jahre nach Fukushima
Zahlreiche Trends weisen in richtige Richtung, einige Baustellen noch offen

Fünf Jahre nach Fukushima ist die Bilanz laut Agora Energiewende zumindest im Strombereich überwiegend positiv. „Der Anteil der Erneuerbaren Energien hat sich beinahe verdoppelt, der Ausstieg aus der Kernenergie verläuft nach Plan, die Versorgungssicherheit mit Strom hat sich noch verbessert und die großen Kostensteigerungen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien gehören der Vergangenheit an“, resümierte Agora-Direktor Patrick Graichen in einer Veranstaltung am 07.03.2016 zum fünften Jahrestag der Katastrophe in Japan. Agora Energiewende präsentierte anlässlich des fünften Jahrestages der Energiewendebeschlüsse nach Fukushima eine Chronologie der bisherigen Entwicklung seit den 80er-Jahren, die sowohl auf der Webseite als auch als gedrucktes Poster zur Verfügung steht.

„Weil die Kohleverstromung allerdings nicht in dem Maße zurückgeht, wie es die positive Entwicklung bei den Erneuerbaren erlauben würde, stockt es in Deutschland beim Klimaschutz“, sagte Graichen. „Hieran muss nun in den nächsten fünf Jahren Energiewende gearbeitet werden. Auch beim Thema Energieeffizienz und beim Netzausbau gibt es noch Nachholbedarf.“

[note Die Bundesregierung hatte in ihrem Energiekonzept 2010 beschlossen, die deutschen Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent unter das Niveau von 1990 zu verringern, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis 2050 auf mindestens 80 Prozent zu erhöhen und den Stromverbrauch bis dahin um 25 Prozent zu senken. Für 2020, 2030 und 2040 wurden jeweils Zwischenziele festgelegt. Während 2010 noch die Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre vorgesehen war, wurde nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima als weiteres Ziel der endgültige Ausstieg aus der Kernkraft bis 2022 beschlossen.]

Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromproduktion stieg von 2010 bis 2015 von 16,6 Prozent auf 30,1 Prozent. Die Erneuerbaren Energien haben damit den Rückgang der Kernenergie mehr als überkompensiert: Deren Anteil sank nach dem endgültigen Atomausstieg von 22,2 Prozent im Jahr 2010 auf 14,1 Prozent im Jahr 2015.

„Wind und Photovoltaik sind in den vergangenen fünf Jahren zu den Arbeitspferden der Energiewende geworden“, so Graichen. „Weil sie den günstigsten Strom liefern, werden wir auch in Zukunft unser Energiesystem um sie herum bauen. Allerdings sind Wind- und Solarstrom wetterabhängig – daher wird die Flexibilisierung des übrigen Kraftwerksparks und der Nachfrage immer wichtiger. Hierfür werden Bundestag und Bundesrat in diesem Jahr mit dem Strommarktgesetz die Weichen in die richtige Richtung stellen.“ Der zusätzliche Windstrom erfordert jedoch nicht nur zusätzliche Flexibilität, sondern auch neue Stromleitungen, da der Windkraft-Zubau vor allem an der Küste geschieht, der Windstrom aber in die Verbrauchszentren in Bayern und Baden-Württemberg transportiert werden muss. Von den 2009 beschlossenen 1.816 zusätzlichen Leitungskilometern wurde bis 2015 mit 614 Kilometer ein gutes Drittel realisiert.

„Es gibt noch einige Baustellen in der Energiewende, allerdings hat Deutschland auch schon viel erreicht“, sagte der Agora-Direktor. „Nach fünf Jahren ist sicherlich ein Moment gekommen, um innezuhalten und sich zu fragen: Was sind die nächsten großen Aufgaben? Aus meiner Sicht ist das ganz klar: Dranbleiben bei Erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Netzausbau. Mit Blick auf die Klimaschutzziele von Paris muss aber noch mehr geschehen: Wir brauchen zur Dekarbonisierung des Stromsektors einen Kohlekonsens und müssen jetzt mit Nachdruck die Energiewende im Verkehrs- und Wärmesektor angehen. Die Erfahrungen mit der Energiewende im Stromsektor werden uns dabei sicherlich helfen.“

Folgt: Die zehn zentralen Energiewendetrends im Stromsektor in den vergangenen fünf Jahren