Umweltrat gibt Impulse für integrative Umweltpolitik

Transformationen anstoßen, Zielkonflikte entschärfen

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) fordert in seinem am 10.05.2016 an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks übergebenen Umweltgutachten 2016 eine anspruchsvolle und integrative Umweltpolitik. Der Handlungsdruck beispielsweise durch Klimawandel und Biodiversitätsverlust sei so groß, dass er mit herkömmlichen Ansätzen allein nicht mehr bewältigt werden könne. Notwendig seien strukturelle Veränderungen in Bereichen wie Landwirtschaft, Energie und Wohnen, so eine Pressemitteilung des SRU.

„Deutschland hat hervorragende Voraussetzungen, um bei einem solchen nachhaltigen Umbau der Industriegesellschaft eine Vorreiterrolle einzunehmen“, betont der SRU-Vorsitzende Professor Martin Faulstich. „Dazu zählen ein starkes Innovationssystem, eine große Wirtschaftskraft und eine breite gesellschaftliche Unterstützung für aktive Umweltpolitik.“

Allerdings bringt ambitionierter Umweltschutz neben großen Chancen auch Zielkonflikte mit sich. Diese Konflikte müssen entschärft werden, damit die dringend notwendigen ökologischen Transformationen im Einklang mit sozialem Zusammenhalt und ökonomischer Entwicklung erfolgen können. Der SRU macht in seinem Gutachten anhand verschiedener Themenfelder deutlich, wie eine solche integrative Umweltpolitik gelingen kann.

[note Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zum Gutachten: „Das neue Gutachten macht deutlich, dass sich die Umweltpolitik weiter entwickeln muss, wenn sie die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, meistern will. Der Titel des Gutachtens deutet es an: Alle Politikbereiche und alle politischen Ebenen müssen viel stärker als bisher sich der gravierenden und immer komplexer werdenden Umweltprobleme annehmen – ein Ministerium allein und auch nur die Politik allein kann dies nicht leisten. Ich werde mich auch weiterhin auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene dafür einsetzen, dass Deutschland eine Vorreiterpolitik betreibt. Ebenso werde ich mich verstärkt dafür engagieren, dass umweltpolitische Maßnahmen auch in anderen Politikbereichen mitgedacht und verankert werden. Nur so können wir unsere Aufgabe erfüllen, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schonen und zu bewahren.“]

Beispiel Energiewende

Ein Beispiel ist die Energiewende, wo das Spannungsverhältnis zwischen Klimaschutz und industrieller Wettbewerbsfähigkeit weitgehend aufgelöst werden kann: Dazu müssen die großen Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz erschlossen werden. Entlastungen bei energiepolitischen Abgaben sollten nur sehr zielgerichtet gewährt und an Effizienzanforderungen geknüpft werden.

Mieterhöhungen nach energetischer Sanierung treffen einkommensschwache Haushalte besonders hart. Zukünftig sollte die Investitionsumlage auf die Mieten stärker am Ziel der Energieeinsparung ausgerichtet werden. Soziale Transferleistungen für das Wohnen und der Mietspiegel sollten den energetischen Zustand des Gebäudes stärker berücksichtigen.

Die in bestimmten Regionen hohe Nachfrage nach Wohnraum wird als Argument vorgebracht, um den Flächenverbrauch in Deutschland zu rechtfertigen. Hier liegt jedoch im Kern kein Zielkonflikt vor, denn erforderlich sind bezahlbare städtische Mietwohnungen, die im flächensparenden Geschosswohnungsbau realisiert werden können. Regional angepasste Lösungen bieten die Chance, Flächen in ländlichen Räumen zu schonen und die infrastrukturellen Folgekosten des demografischen Wandels zu senken.

Schutz der Biodiversität

Stärker ins politische Bewusstsein rücken muss der Schutz der Biodiversität. Wichtige Ursache für den anhaltenden Rückgang der Biodiversität in der Agrarlandschaft ist die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Notwendig sind Flächen, in die keine Pflanzenschutzmittel eingetragen werden. Zudem empfiehlt der SRU die Einführung einer Abgabe auf Pflanzenschutzmittel, auch um dringend benötigte Mittel für Monitoring und Beratung bereitzustellen.

Ein innovativer Ansatz des Naturschutzes sind Wildnisgebiete, in denen sich Natur ohne menschliche Eingriffe entwickeln kann. Sie kommen aber im dicht besiedelten Deutschland kaum noch vor. Diese Gebiete sind wichtige Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten und tragen zum Klima- und Hochwasserschutz bei. Außerdem sind sie von höchster Bedeutung für die Forschung, gerade weil über die ungestörte Entwicklung von Ökosystemen kaum Kenntnisse bestehen. Daher fordert der SRU Bund und Länder auf, solche Flächen im ausreichenden Maße bereitzustellen.

Mit seinem Umweltgutachten 2016 ermutigt der SRU die Bundesregierung, die Umweltpolitik ambitioniert voranzutreiben. „Lösungsstrategien müssen zunehmend ministeriumsübergreifend entwickelt werden“, sagt Professor Martin Faulstich.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) berät die Bundesregierung seit nahezu 45 Jahren in Fragen der Umweltpolitik. Die Zusammensetzung des Rates aus sieben Professorinnen und Professoren verschiedener Fachdisziplinen gewährleistet eine wissenschaftlich unabhängige und umfassende Begutachtung, sowohl aus naturwissenschaftlich-technischer als auch aus ökonomischer, rechtlicher und politikwissenschaftlicher Perspektive.
Der Rat besteht derzeit aus folgenden Mitgliedern:
Prof. Dr. Martin Faulstich (Vorsitzender), Technische Universität Clausthal
Prof. Dr. Karin Holm-Müller (stellv. Vorsitzende), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Prof. Dr. Harald Bradke, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe
Prof. Dr. Christian Calliess, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. Heidi Foth, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Prof. Dr. Manfred Niekisch, Goethe-Universität und Zoologischer Garten Frankfurt
Prof. Dr. Miranda Schreurs, Freie Universität Berlin

Mit dem Umweltgutachten 2016 legen die Ratsmitglieder die letzte Veröffentlichung des amtierenden Sachverständigenrats vor, die aktuelle Ratsperiode endet zum 30.06.2016. Bundesumweltministerin Hendricks dankte dem Sachverständigenrat für die geleistete Arbeit. Hendricks: „Ob es sich nun um den Klimaschutz, die erneuerbaren Energien, den Emissionshandel, den Kohleausstieg, die Neuausrichtungen der Sektoren Verkehr und Landwirtschaft, die nationale Stickstoffstrategie oder um ein neues Umweltprogramm dreht: Von den Empfehlungen des SRU gingen und gehen wichtige Impulse aus.“

Der 1971 von der Bundesregierung eingerichtete SRU hat den Auftrag, die Umweltsituation in Deutschland zu bewerten und Handlungsempfehlungen zu aktuellen Fragen der Umweltpolitik zu geben. Er übergibt dem Bundesumweltministerium alle vier Jahre ein umweltpolitisches Gesamtgutachten und erarbeitet darüber hinaus Sondergutachten, Kommentare und Stellungnahmen.

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