Turbulenzen mit großer Wirkung

Leibniz-Forscher leisten Beitrag zu Klima-Grundlagenforschung

Wolken - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für SolarifyUnser Klima wird durch Prozesse in der Atmosphäre und im Ozean bestimmt: Diese tauschen Energie – vor allem in Form von Wärme und Strahlung – und Materie – in Form von Gas, Wasser und Aerosolen – miteinander aus. Dabei sind lokal begrenzte physikalische Vorgänge in einer Kausalkette mit den Winden und Meeresströmungen in globalem Maßstab verbunden: Wellen und Turbulenz in Luft und Wasser, die sich zeitlich im Bereich von Sekunden bis Tagen und räumlich bei Längen von Zentimetern bis zu Hunderten von Kilometern abspielen, sind am Energie- und Materieaustausch wesentlich beteiligt und können daher in der Summe von entscheidender Bedeutung für das globale Klima sein.

Bislang sind viele grundlegende Aspekte dieser Wellen- und Wirbeldynamik noch weitgehend unerforscht. Vor allem ihre physikalisch korrekte Beschreibung in globalen Klimasimulationsmodellen, die diese Prozesse derzeit noch nicht hinreichend bis in kleinskalige Bereiche hinein auflösen, bedarf noch erheblicher Verbesserung. Dieses Wissensdefizit soll nun mit dem SFB „Energietransfer in der Atmosphäre und im Ozean“ gemeinsam durch Atmosphärenforscher, Ozeanographen und Mathematiker in Angriff genommen werden. Ziel ist, kommende Generationen von Klimamodellen zu verbessern und damit zuverlässigere Abschätzungen des zukünftigen Klimas zu gewährleisten. Für zunächst vier Jahre arbeiten Wissenschaftler an den Standorten Hamburg, Bremen und Rostock fächerübergreifend eng zusammen, um den Energieaustausch innerhalb des Klimasystems zu verstehen, stimmig zu beschreiben und sowohl physikalisch wie auch mathematisch verbesserte Ozean- und Atmosphärenmodelle zu entwickeln.

Dabei konzentriert sich das Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik (IAP), das mit rund 973.000 Euro im Rahmen des SFB gefördert wird, auf die mathematische Darstellung so genannter Makroturbulenz in Simulationsmodellen mit hoher räumlicher Auflösung. Die Makroturbulenz hat Dimensionen von etwa 100 m bis 500 km. Sie erzeugt über eine Energiekaskade immer kleinere Wirbel bis hin zu kleinräumiger Turbulenz und der damit verbundenen Reibungswärme. Dieser Prozess wird bislang in der Energiebilanz von Klimamodellen unzureichend berücksichtigt; er ist jedoch bei der Bilanzierung von Störungen des Klimagleichgewichts – beispielsweise durch den Menschen – sehr wichtig. Da die Makroturbulenz in der Mesosphäre (Höhenbereich von 50 bis 100 km) am stärksten ausgeprägt ist, kann sie dort hervorragend studiert werden. „Mit den hochgenauen Messmethoden des IAP – Radars, Lidars und Raketen – können wir die Mesosphäre gut erreichen, die damit ein ideales Teilsystem der Atmosphäre ist, um die nötigen Daten zu erheben, die wir für die Entwicklung und Validierung  der neuen Parametrisierung mit dem Ziel der Anwendung in hochaufgelösten Klimamodellen brauchen“, erläutert Erich Becker, Abteilungsleiter für Theorie und Modellierung am IAP und Mitglied im Vorstand des SFB.

Das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), das mit knapp 458.000 Euro Fördervolumen an dem Großforschungsprojekt beteiligt ist, bringt sowohl sein Fachwissen in der ozeanografischen Erfassung kleinskaliger Turbulenz als auch in der Entwicklung von numerischen Computermodellen in der Energetik von Meeresströmungen in den SFB ein. „Wir betrachten die Ostsee als natürliches Labor, mit dessen Hilfe wir Wasserwirbel, deren Dynamik und deren Einfluss auf Meeresströmungen und Vermischung ganz grundsätzlich verstehen wollen“, erläutert der Meeresphysiker Hans Burchard, der im SFB die Forschung zur Turbulenz koordiniert. „Deswegen untersuchen wir Wirbelstrukturen in der Ostsee und deren Wechselwirkung mit Strömungen, um Simulationsmodelle zu entwickeln, die über die Prozessanalyse in der Ostsee hinaus für den gesamten Weltozean verallgemeinert werden können“, so der stellvertretende Leiter der IOW-Sektion Physikalische Ozeanographie.

[note Das Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik (IAP) und das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW)  sind mit insgesamt gut 1,43 Mio. Euro Fördervolumen an einem fächer- und institutionenübergreifenden Großforschungsprojekt beteiligt, das helfen soll, kleinskalige Turbulenz-Effekte genauer zu verstehen und dadurch die Berechnung zukünftiger Klimaszenarien zu verbessern. In dem Sonderforschungsbereich (SFB) „Energietransfer in der Atmosphäre und im Ozean“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der am 01.07.2016 an den Start ging, arbeiten bis 2020 insgesamt acht Partnerinstitutionen unter Leitung der Universität Hamburg zusammen. Die Gesamtfördersumme beträgt 9 Mio. Euro.]

Beantragt wurde der SFB „Energietransfer in der Atmosphäre und im Ozean“ von den Universitäten Hamburg und Bremen. Das Vorhaben wird am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg koordiniert. Weitere Partner neben dem IAP und dem IOW sind das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, das Helmholtz-Zentrum Geesthacht – Zentrum für Material- und Küstenforschung, die Jacobs University Bremen und das Max-Planck-Institut für Meteorologie. Eine Verlängerung des vierjährigen Projekts ist um maximal acht weitere Jahre möglich.

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