Endlager-Kommission mit Endbericht

681 Seiten vorgestellt und übergeben – Kritik und Proteste

Michael Müller und Ursula Heinen-Esser überreichen Bundestagspräsident Norbert Lammert den Bericht - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für SolarifyNachdem die Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe (Endlager-Kommission) im Rahmen ihrer 33. Sitzung am 27.06.2016 abschließend den  Abschlussbericht beraten und den Gesamtberichtsentwurf verabschiedet hat, legte sie am 05.07.2016 den Abschlussbericht vor, und übergab das 681 Seiten starke Papier an die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat, Norbert Lammert und Stanislaw Anti-Atom-Endlager-Berichts-Demo vor BMBF - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify 20160705Tillich, sowie an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Der  Bericht (am 19.08.2016 als Bundestagsdrucksache veröffentlicht) benennt noch keine möglichen Standorte, sondern wissenschaftlich-technische, gesellschaftliche und ethische Kriterien für die Endlager-Suche. Atomgegner protestierten: „Nichts ist gelöst“.

In der Nacht zum 28.06.2016 hatte die Kommission dann den Abschlussbericht mit großer Mehrheit beschlossen. Der Abstimmung waren zeitaufwändige Diskussionen über die letzten verbliebenen Streitpunkte vorausgegangen – so der parlamentseigene Dienst heute im bundestag. Man einigte sich unter anderem über die geologischen Kriterien Temperaturverträglichkeit und Mächtigkeit des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches – ebenso in der lange strittigen Frage des Rechtsschutzes im Standortauswahlverfahren.

Vorschlag: Endlagerbergwerk – Gorleben bleibt drin

Vorstellung Endlagerbericht in BPK - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für SolarifyNicht überraschend die wichtigste Konklusion, die  die Kommission am 05.07. in der Bundespressekonferenz präsentierte: Als Entsorgungspfad schlägt der Bericht die Endlagerung des Atommülls in einem Bergwerk mindestens 300 Meter unter der Erde vor. Hohe Bedeutung soll dabei der Korrekturfreundlichkeit von Entscheidungen und der Rückholbarkeit der Abfälle zugemessen werden. Die Abfälle sollen nämlich nach dem Verschluss des Endlagers noch 500 Jahre lang wieder zurückgeholt werden können. Damit sollen nachfolgende Generationen die Möglichkeit haben, die Stoffe nach den wissenschaftlichen Möglichkeiten der Zukunft zu verwerten. Die ungeklärte Möglichkeit, radioaktive Stoffe durch „Transmutation“ von Strahlung zu befreien, wird damit offengehalten, aber auch für andere technische Verfahren, die teils noch nicht bekannt oder entwickelt sind.

Der Standort mit „bestmöglicher Sicherheit“ soll in einem dreiphasigen Verfahren ermittelt und per Bundesgesetz festgelegt werden. Umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung mit Gremien auf allen Ebenen soll  diese Standortsuche begleiten. Der Bericht schließt keines der im StandAG genannten möglichen Wirtsgesteine aus. Damit könnte ein Endlager in Salz-, Ton- oder Kristallinformationen entstehen. Der umstrittene Standort Gorleben in Niedersachsen wird entgegen anderslautender Forderungen nicht ausgeschlossen.

Bezüglich des Zeitrahmens macht der Bericht nur vage Angaben. Es sei vieles zu unwägbar und deshalb“nicht sinnvoll, heute einen Ablaufplan unter Angabe genauer Jahreszahlen festzulegen“. 2031 aber werde der Standort des neuen Atomendlagers sicher noch nicht feststehen. Diese Vorgabe des Standortauswahlgesetzes aus dem Jahre 2013 sei „letztlich unrealistisch“.

Hendricks: Bei Endlagersuche nicht auf Zeit spielen „Prinzip der weißen Landkarte gilt nicht nur für Gorleben, sondern für gesamtes Bundesgebiet“

Der Bericht - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für SolarifyBundesumweltministerin Barbara Hendricks hat gefordert, die Suche nach einem Atommüll-Endlager „zügig und beherzt“ anzugehen. „Wir sollten uns hüten, bei der Bewältigung dieser Jahrtausendaufgabe auf Zeit zu spielen, denn wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte Hendricks bei der Entgegennahme des Abschlussberichts der Endlagerkommission. „Die Empfehlungen der Kommission liegen vor, jetzt müssen sie zügig umgesetzt und die nächsten Schritte getan werden.“ Zugleich wandte sich Hendricks gegen Sonderwünsche einzelner Bundesländer, von der Standortsuche von vornherein ausgenommen zu werden: „Das Prinzip der weißen Landkarte gilt nicht nur für Gorleben, sondern für das gesamte Bundesgebiet.“

Die Zweifel am ursprünglichen Zeitplan nährte Stefan Wenzel, Niedersachsens grüner Umweltminister im Deutschlandfunk: „Wahrscheinlich dauert es länger, und ich rechne damit, dass das letzte Drittel des Jahrhunderts ein Zeitpunkt sein könnte, zu dem wir ein sicheres Lager haben.“

Solarify logo[note Solarify kann sich eines Kommentars nicht entbrechen: Im Lauf des „zähen Ringens“ (oft gehörte Beschreibung für die Diskussion um den Weg und die Kriterien der Endlagersuche und -findung) war eines der am meisten gebrauchten Worte „Transparenz“. Hätte es sich nicht gehört, um diesen Begriff wirklich mit Sinn zu erfüllen, dass die Kommission nicht schreibt: „Der Maßstab ist eine sichere Lagerung für den Zeitraum einer Million Jahre,“ sondern offen zugibt, dass ein solcher Maßstab ein Absurdum ist. Den Homo Sapiens gibt es erst seit 200.000 Jahren – und wir wollen fünf Mal so lang „sicher“ planen? Der Göttinger Paläontologe und Geobiologe Joachim Reitner (siehe solarify.eu/es-gibt-kein-sicheres-endlager) belegt seit Jahren klipp und klar, dass es kein sicheres Endlager geben kann. Das von vorneherein einzuräumen, und, dass sich die Menschheit in ein Flugzeug gesetzt hat, zu dem es (vorerst) keine Landebahn gibt, das wäre Transparenz gewesen. Es muss jetzt eine offene gesellschaftliche Auseinandersetzung um den sicheren Umgang mit Atommüll und dessen einstweilig (vor)letzten Verbleib geben. Das „geht nicht ohne entscheidungsrelevante Rechte der Bevölkerung“, sagt die Atommüllkonferenz – zu Recht.]

Die Atommüllkonferenz aus 53 NGOs, Gewerkschaften und Umweltinstituten nannte das Ergebnis ein „Scheitern auf ganzer Linie“. Die Kommission stehe nach zwei Jahren Arbeit „vor einem Scherbenhaufen“. Der BUND, einziger Umweltverband, der sich an der Kommission beteiligt habe, lehne den Bericht ab, der breite gesellschaftliche Diskurs sei aufgrund von Zeitproblemen ausgefallen und die Bundesländer Bayern und Sachsen hätten schon Widerstand gegen die Untersuchung kristalliner Gesteinsformationen angekündigt. Das Verhalten von Bayern und Sachsen spricht eine klare Sprache: Am Ende des angeblichen „Suchprozesses“ soll Gorleben stehen,“ erklärt Martin Donat, Vorsitzender der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg anlässlich einer Traktoren-Demo vor der Bundespressekonferenz, in welcher der Abschlussbericht vorgestellt wurde.

BBU: Widerspruch

Die „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Wo der vorhandene und noch anfallende Atommmüll letztlich verbleiben wird, ist weiterhin unbestimmt. Ebenso unbestimmt ist es, welche Uranmüllmengen zukünftig bei der Urananreicherung in Gronau anfallen werden. Trotz der offenen Fragen dürfen weiterhin die noch laufenden Atomkraftwerke weiter laufen und darf weiterhin Uran in Gronau sowie in Lingen (Brennelementefabrik) verarbeitet werden. Im Gegensatz zu den Atomkraftwerken haben die Uranfabriken in Gronau und in Lingen keine Laufzeitbegrenzungen. In der Anti-Atomkraft-Bewegung stößt der Abschlussbericht der Kommission auf Widerspruch. Mehr als 50 Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände haben gemeinsam eine kritische Stellungnahme verfasst, die auch vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) unterzeichnet wurde.

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