Après Marrakesch – was nun?

Analyse von Klaus Oberzig

Die UN-Klimakonferenz COP22 von Marrakesch ist mit wenig greifbaren Ergebnissen zu Ende gegangen. Auch wenn die Einschätzungen divergieren, den von vielen erhofften Durchbruch hat es nicht gegeben. Ein greifbares und beschlussfähiges Regelwerk liegt noch nicht vor. Auch für die finanzielle Unterstützung der ärmsten Staaten, die sogenannte Klimafinanzierung, ist wenig herausgekommen.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks übt sich derweil auch nach der Konferenz in „ihrer klimapolitischen Schönwetter-Strategie“, wie es das Onlineportal klimaretter.info so schön formulierte. Auch wenn im deutschen Klimaschutzplan kein definierter Ausstieg aus der Kohleverstromung enthalten ist, bleibt sie optimistisch, dass bis 2030 die Hälfte der Kohleverstromung im Vergleich zu 2014 beendet sein werde. Denn implizit stehe der Kohleausstieg ja im Klimaschutzplan. So unterschiedlich kann man Gedrucktes interpretieren.

So bleibt denn von Marrakesch die Erkenntnis, dass die Staaten nach wie vor recht unterschiedliche Positionen vertreten, wie sie ihre jeweiligen Klimaziele zu realisieren gedenken oder eben auch nicht. Und dass noch viel Arbeit zu leisten sein wird. Wie unterschiedlich die Lage ist, zeigen zwei Ereignisse, die nach Abschluss der COP22 stattfanden. Der neugewählte US-Präsident Donald Trump kündigte an, alle Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen seines Vorgänger rückgängig zu machen, um die Energiewirtschaft von solchen Hemmnissen, wie er es ausdrückte, wieder zu befreien. Freie Fahrt für Kohleverstromung und Fracking in den USA. Der kanadische Premierminister Trudeau hingegen verkündete, dass sein Land ab 2030, also in 13 Jahren, keine Kohle mehr verstromen wolle. Vom Ausstieg aus der Förderung von Ölsänden sprach er allerdings nicht. Immerhin ist deutlich geworden, dass die Bewegung, die durch COP21 in Paris entstanden war, nicht eingeschlafen ist. Das Rad der Entwicklung dreht sich nicht mehr rückwärts. Vieles wird eben jenseits der großen Beschlüsse geschehen, durchaus auch im Geiste von Paris. Und vieles wird durch Aktivitäten von unten eintreten. Bliebe die jetzige Bundesregierung auch die nächste, würde sie sich im Jahr 2018 mit dem Kohleausstieg befassen, wiederholte die Ministerin nochmals die Festlegung im deutschen Klimaschutzplan.

Aber jenseits der Statements von Regierungen und Politikern darf man nicht die Augen davor verschließen, dass der globale Energiebedarf weiterhin ansteigt. In ihrem aktuellen World Energy Outlook (siehe: solarify.eu/iea-world-energy-outlook-erneuerbare-weiter-im-vormarsch) geht die Internationale Energieagentur (IEA) davon aus, dass Photovoltaik und Windkraft davon profitieren werden. Sie seien die Gewinner, formuliert die IEA fast schon euphorisch. Der Hauptgrund dafür liege, neben klimapolitischen Festlegungen vieler Länder vor allem in der Kostenreduktion bei den Erneuerbaren Energien und bei Verbesserungen in der Energieeffizienz. Aber gerade deswegen ist es das als Effizienztechnologie geltende Erdgas, das eine zunehmend wichtige Rolle spielen wird, während die Bedeutung von Kohle und Öl künftig weiter zurückgeht. Auch wenn die IEA konstatiert, dass der globale Energiemix sich zugunsten der Erneuerbaren verändert wird, ist das nur eine relative Betrachtungsweise. Denn, und das räumt die IEA auch ein, der Kohleverbrauch werde in den nächsten 25 Jahren in absoluten Zahlen weiter wachsen.

Wie schwierig die Situation nach Marrakesch bleibt, verschweigt auch die IEA nicht. Selbst wenn alle bisherigen Zusagen in etwa eingehalten würden, die Klimaziele von Paris ließen sich so nicht erfüllen, hat die Organisation errechnet. Die energiebedingten CO2-Emissionen von jährlich rund 650 Millionen Tonnen würden nur auf 150 Millionen Tonnen jährlich sinken, was die Temperatur um 2,7° C bis zur Jahrhundertwende ansteigen ließe. Um das 2° C-Limit von Paris einzuhalten, so die IEA, sei ein ganz anderes Tempo bei der Dekarbonisierung und der Energieeffizienz erforderlich. Und die IEA, die nicht unbedingt als Freund der Erneuerbaren anzusehen ist, hat noch eine bittere Pille parat: Die Fortschritte der Erneuerbaren drohten auf den Strombereich beschränkt zu bleiben. Auch wenn sich hinter der Sektorkopplung ein „enormes Wachstumspotenzial“ verberge, sei dies die „nächste Grenze für die Erneuerbaren-Story“.

Klaus Oberzig, Autor und Journalist seit 1980, lebt und arbeitet in Berlin. 1949 in Mannheim geboren, studierte er an der Uni Mannheim und der FU Berlin Politikwissenschaften. Nach Tätigkeiten bei Printmedien, im Hörfunk und in Pressestellen gründete er 2002 das Medienbüro Scienzz Communication, das sich mit Wissenschaftsthemen, vornehmlich Schlüsseltechnologien und Energiefragen befasst. Seither schreibt er über Erneuerbare Energien, Energiewende und den Klimawandel. Der Beitrag erschien zuerst auf SONNENENERGIE 6|16: Digitalausgabe online.

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