Agora: Strom klimafreundlicher

Zu viele Emissionszertifikate

Der europäische Emissionshandel hat den Wechsel von Kohle zu Gas im Jahr 2016 zumindest nicht unterstützt. Die Menge der ausgegebenen Emissionszertifikate überschritt auch 2016 die Menge der verbrauchten Zertifikate bei weitem, dadurch wuchs die Bugwelle überschüssiger Zertifikate, die das Emissionshandelssystem bereits seit einigen Jahren aufbaut, weiter an: Sie überschritt 2016 erstmals die Marke von 3 Milliarden Tonnen und misst nun 3,2 Milliarden Tonnen. Der Überschuss liegt somit nicht mehr weit entfernt vom Doppelten des Verbrauchs in 2016, der 1,8 Milliarden Tonnen CO2 beträgt.

„Die Kombination erheblicher Überschüsse und der gigantischen Bugwelle führt dazu, dass der europäische Emissionshandel ohne tiefgreifende Reformen bis Ende der 2020er-Jahre keine Signale für klimafreundliche Investitionen senden wird. Dabei wäre das seine eigentliche Aufgabe“, kritisiert Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Verlässliche Signale gibt es nur dort, wo ein Mindestpreis für klimaschädliche CO2-Emissionen eingeführt wurde – in Großbritannien. Vor allem deshalb ist dort die Verstromung von Kohle im Jahr 2016 drastisch zurückgegangen. Wenn Europa nicht will, dass die Emissionen beim leisesten Zucken der internationalen Kohlepreise wieder steigen, dann sollte es den europäischen Emissionshandel reparieren und mit nationalen Mindestpreisen für Treibhausgasemissionen sinnvoll verknüpfen“, empfiehlt Graichen.

„Die Transformation des europäischen Stromsektors hat sich 2016 leicht verlangsamt: Der EU-Stromverbrauch hat angesichts des anziehenden Wirtschaftswachstums nicht weiter abgenommen und die Investitionen in neue Solar- und Biomassekraftwerke sind rückläufig. Ermutigend ist, dass die Treibhausgas-Emissionen aufgrund des Schwenks von Kohle zu Gas deutlich zurückgegangen sind. Diese Weg lässt sich fortsetzen, dazu müssen weitere Kohlekraftwerke schließen und die Preise für CO2-Emissionen deutlich anziehen beziehungsweise die Gaspreise wieder fallen“, fasst Dave Jones, Analyst bei Sandbag und einer der Autoren der Studie, zusammen.

Schließlich stellt die Studie auch die Fortschritte der EU-Mitglieder bei der Einführung Erneuerbarer Energien und bei der Verbesserungen der Energieeffizienz dar – hier gibt es jeweils verpflichtende nationale Ziele für 2020. So ist der Stromverbrauch seit 2010 insbesondere in Schweden, Italien, Großbritannien, Dänemark, Frankreich und Portugal spürbar zurückgegangen. In Polen und Bulgarien wurde 2016 hingegen etwas mehr Strom verbraucht als 2010.

Der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung wuchs EU-weit seit 2010 um 10 Prozentpunkte auf 29,6 Prozent. „Das ist ein großer Erfolg der EU-Energiepolitik im vergangenen Jahrzehnt“, sagt Graichen. „Für die Zeit nach 2020 sollte die EU daran anknüpfen und jetzt Rahmenbedingungen schaffen, die weiterhin ein solches Wachstum ermöglichen. Das ist bei den jüngsten Kommissions-Vorschlägen für das ,Clean Energy for All Europeans‘-Gesetzespaket noch nicht der Fall.“

Am europäischen Erneuerbaren-Wachstum hatten Dänemark, Litauen, Großbritannien, Italien und Deutschland größere Anteile. Die Schlusslichter heißen Lettland, Ungarn, Luxemburg, die Niederlande und Malta. Diese und weitere Zahlen sind in der Studie detailliert enthalten. Die Publikation steht kostenfrei zum Download zur Verfügung.

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