DIW: Keine neuen Braunkohletagebaue nötig

Claudia Kemfert im Interview: „Rolle der Braunkohle für die Energieversorgung wird abnehmen – Ausstieg jetzt erarbeiten“

  1. Frau Kemfert, welche Rolle spielt die Braunkohle zukünftig für die Energieversorgung Deutschlands? Zukünftig wird die Rolle der Braunkohle für die Energieversorgung in Deutschland abnehmen, weil wir in Deutschland die Klimaziele erfüllen wollen und eine Energiewende anstreben, die einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 80 Prozent bis 2050 zum Ziel hat. Deshalb wird der Anteil von Braunkohlestrom in Zukunft deutlich abnehmen.
  2. Das heißt, die vereinbarten nationalen und internationalen Klimaschutzziele sind mit der Braunkohle nicht zu erreichen? Mit der Braunkohle wären die nationalen und internationalen Klimaziele nicht erreichbar. Die Verbrennung von Braunkohle verursacht von allen Arten der Stromerzeugung den höchsten Ausstoß von Treibhausgasen, aber auch andere umweltschädliche Emissionen. Deshalb muss man sich in Deutschland Schritt für Schritt von der Braunkohle verabschieden.
  3. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Energiestrategie 2030 Brandenburgs, die jetzt neu erarbeitet wurde? Die Landesregierung Brandenburg hat jetzt mit der Erarbeitung der Energiestrategie 2030 eine hervorragende Chance, einen strukturverträglichen Kohleausstieg zu erarbeiten. Brandenburg hat ja schon einen hohen Anteil von erneuerbaren Energien und hat ebenso zum Ziel, die nachhaltige Energiewende umzusetzen. Die wesentlichen Eckpfeiler einer solchen Energiestrategie 2030 wären, dass man den Anteil der erneuerbaren Energien weiter ausbaut und gleichzeitig für die nächsten Jahrzehnte einen Kohleausstieg erarbeitet, der auch den Beschäftigten in dieser Region eine Perspektive gibt.
  4. Teilweise gibt es auch in Deutschland Pläne, bestimmte Tagebaue weiter auszubauen. Das wiederspricht doch der Ausstiegsstrategie, oder? Ja, das widerspricht der Ausstiegsstrategie, und es ist auch eindeutig belegt, dass wir keine weiteren neuen Tagebaue benötigen. Die jetzigen Tagebaufelder reichen aus, um die Kohleverstromung bis zum Jahr 2030 zu gewährleisten. Aus dem Grund sollte man jetzt auch einen Plan verabschieden, dass man wirklich keine neuen Tagebaue mehr erschließt.
  5. Die Vattenfall GmbH hat ihre deutsche Braunkohle – sparte an ein tschechisches Käuferkonsortium veräußert (EPH). Welche Folgen hat dieser Betreiberwechsel für die Braunkohlewirtschaft in Brandenburg? Die wesentlichen Auswirkungen sind die, dass die finanziellen Risiken höher werden, weil die Transparenz fehlt, vor allem in Bezug auf die Frage, ob die Rückstellungen dieses Firmenkonsortiums ausreichen, um die Kosten des Kohleausstiegs zu tragen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass man unabhängig ermittelt, wie hoch die Rückstellungen tatsächlich sein müssten und ob sie gegen Insolvenzen gesichert sind. Wenn nicht, muss man entsprechende Vorsorge treffen. Wir schlagen vor, dass man verschiedene Optionen prüft, beispielsweise im Rahmen der Kohlekommission. Dabei geht es darum, dass man einen Rechtsrahmen für Transparenz mit einer regelmäßigen Überprüfung der Rückstellungen einrichtet, dass man zum Beispiel auch einen Fonds oder eine privatrechtliche Stiftung einrichten kann oder anderweitig die Sicherheiten erhöht, zum Beispiel durch eine Patronatserklärung oder ein Nachhaftungsgesetz.
  6. An der Braunkohle hängen Tausende von Arbeitsplätzen. Wie könnte ein sozialverträglicher Ausstieg aus der Braunkohlewirtschaft gestaltet werden? Ein struktur- und sozialverträglicher Kohleausstieg kann erreicht werden, indem man auch die Landesregierung und die Bundesregierung auffordert, im Rahmen der Erarbeitung einer solchen Kohleausstiegsstrategie den Beschäftigten eine Perspektive zu geben.
  7. In welchem Zeitraum wird sich das abspielen? Wir sprechen hier von einem möglichen Zeitraum von maximal 30 Jahren. Insofern ist es so wichtig, dass man jetzt diesen strukturverträglichen Ausstieg erarbeitet, den Beschäftigten eine Perspektive ermöglicht und auch die Qualifizierung mit berücksichtigt.
    (Das Gespräch führte Erich Wittenberg.)

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