Hendricks: Naturverträgliche Energiewende möglich

Strenge Massstäbe bei der Szenarienbildung, um Reserve vorzuhalten

Bei der Szenarienentwicklung wurden, wie oben aufgezeigt, strenge Maßstäbe angelegt und realistische weitere Optionen der Energieerzeugung oder Einsparung noch nicht einbezogen, um den Handlungsbedarf klar herausarbeiten zu können und um eine Reserve vorzuhalten, die eine flexible Entwicklung ermöglicht und auch den Bedarf für stromgenerierte Brennstoffe decken kann. Nicht berücksichtigt wurden deshalb bislang u. a.: die voraussichtlich stärkere Nutzung von Windenergie in der Nordsee, der Einsatz von Freiflächenphotovoltaik z. B. auf einem Teil von derzeit durch Energiepflanzen eingenommenen Flächen oder der Import von Strom aus Überschussgebieten im Ausland, wo er ggf. nachhaltiger erzeugt werden kann. Zur Reserve wird auch die Nut-zung solcher Flächen gerechnet, die aus Naturschutzsicht nur eine mittlere Empfindlichkeit aufweisen und die bei entsprechenden lokalen Vorkehrungen und Kompensation mit angepasster Technik erschlossen werden können.

Die teilweise sehr anspruchsvollen Annahmen eines solchen nachhaltigen Energiewende-Szenarios bieten eine Orientierung für die anzustrebenden Umsetzungspfade und sind eine Grundlage für deren gesellschaftliche Einbettung. Wir empfehlen, auf Bundesebene die Voraussetzungen für eine natur- und landschaftsverträgliche Umsetzung der Energiewende auf Landes-, Regions- und Gemeindeebene zu schaffen. Das bedeutet z. B., dass quantitative Zielvorgaben für die Energieproduktion von Ländern- und Regionen bzw. Gemeinden angestrebt und mit einer Planungspflicht verbunden werden. Die Zielmarken sind Voraussetzung dafür, dass bei der konkreten Ausgestaltung der Energiewende vor Ort ausreichend Spielraum bezüglich des Energiemix und der Platzierung besteht, ohne dass die Ziele der Energiewende insgesamt verfehlt würden. Auch würde so Raum für Bürgerbeteiligungsprozesse geschaffen. Anreize für Gemeinden, z. B. ein „ökologischer Finanzausgleich“, könnten deren Motivation, die Energiewende umzusetzen, stärken. Schließlich sollte die Forschung in den Bereichen Energieeinsparung, Speicher und Netze so-wie mensch- und naturverträgliche EE-Technologien mit Nachdruck wei-ter vorangetrieben werden, um die Voraussetzungen bezüglich eines energieverbrauchsarmen Gesamtsystems zu erfüllen und weitere „Reserven“ für die Energieerzeugung zu schaffen.

Damit ist ein Handlungsprogramm skizziert, das viele Umsetzungshürden bewältigen muss. Es zeigt aber auf, dass die Ziele der Energiewende erreicht und gleichzeitig die Bevölkerung und die empfindlichen Natur- und Landschaftsressourcen geschützt werden können. Reserven für die Energiewende müssten dabei verantwortungsbewusst eingesetzt und die politischen Instanzen auf Landes-, Region- und Gemeindeebene sowie die Bevölkerung angemessen beteiligt werden.

Der Klimaschutz ist eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – in Deutschland und weltweit. Eine erfolgreiche „Energie-wende“ bis 2050 ist entscheidend dafür, ob diese Herausforderung gemeistert werden kann. Nur so können die internationalen Klimaschutzvereinbarungen eingehalten und gleichermaßen die Energieversorgung nachhaltig und ohne Einsatz fossiler Brennstoffe sichergestellt werden. Um die Klimaziele zu errei-chen, muss die Geschwindigkeit des Ausbaus an erneuerbaren Energien sowie der Netze deutlich zunehmen.

Die Energiewende ist notwendig und ebenso konsequent sind die Ziele zum Erhalt der biologischen Vielfalt umzusetzen. Beide Zielsetzungen greifen nur gemeinsam und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

So bleiben höhere Anstrengungen zum Schutz der Biodiversität ebenso unerlässlich, denn der Biodiversitätsverlust in Deutschland und weltweit ist alarmierend. In keinem an-deren Problemfeld werden die globalen Grenzen deutlicher überschritten. Hinzu kommt, dass die Notwendigkeit der Energiewende zwar unbestritten ist, die konkreten Wege aber intensiv diskutiert werden, vor allem, weil die räumlichen Auswirkungen erheblich und für jeden sichtbar sind: So wehren sich Bürgerinnen und Bürger gegen den Bau von Leitungstrassen und Windenergieanlagen in ihrer Wohnumgebung und in Erholungslandschaften, weil sie Lärmbelastungen und eine grundlegende Veränderung des Landschaftsbildes befürchten. Andererseits gründen sich Bürgerenergiegesellschaften, die den Windenergieausbau aktiv mitgestalten wollen. Ein nachhaltiger Umbau des Energieversorgungssystems sollte also aus-gewogen und natur und landschaftsverträglich gestaltet werden.

Das Vorhaben wurde als F+E durch das Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln de BMUB gefördert. Laufzeit: 1.12.2015 – 30.06.2017.

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