Elektron braucht Zeit zum Tunneln

Experiment bestätigt Vorhersage der Dauer von Tunneleffekt quantenmechanischer Teilchen

Zu den merkwürdigsten Vorgängen in der Quantenwelt gehört der Tunneleffekt: Quantenmechanische Teilchen fliegen bisweilen einfach durch eine Barriere hindurch – sie „durchtunneln“ sie gleichsam. Physiker des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg (MPIK) haben nun die ersten experimentellen Hinweise darauf, dass während dieses Transits Zeit vergeht. Das haben sie theoretisch und experimentell am Beispiel der Ionisation von Atomen in starken Laserfeldern nachgewiesen.

Die „Tunnelzeit“ eines Elektrons wird hierzu mit der sogenannten „Wigner-Methode“ berechnet und die Anfangsbedingungen für die weitere Bewegung im Laserfeld bestimmt. Zum Test dieses Modells wurden die Edelgase Argon und Krypton zugleich unter identischen Bedingungen mit ultrakurzen Laserpulsen ionisiert. Im Vergleich mit dem etablierten „Simple-man model“, wo das Tunneln keine Zeit braucht, konnte die Vorhersage der Wigner-Methode bestätigt und soeben in den Physical Review Letters vom 14.07.2017 veröffentlicht werden.

Tunnelsituationen treten bei Ionisation von Atomen in sehr starken elektrischen Feldern (z. B. in hochintensiven Laserpulsen) auf: Das Elektron befindet sich durch die Anziehungskraft des Atomkerns in einem Potenzialtopf, der in Richtung des elektrischen Feldes verbogen wird. Die so gebildete Barriere kann das Elektron dann durchtunneln und auf diese Weise freigesetzt werden (Abb. 1).

Abb. 1: Tunnel-Feldionisation in einem elliptisch polarisierten Laserfeld. Der Tunneleffekt ist ganz links dargestellt: Das Elektron tunnelt aus seinem anfänglichen Energieniveau im überlagerten Atom- und Feldpotential durch die Barriere. Rechts ist die Beschleunigung im Laserfeld für die beiden Fälle „Simple man“ und „Wigner“ skizziert, die sich in ihren Anfangsbedingungen unterscheiden. – Grafik © mpi-hd.mpg.de

Die Tunnelwahrscheinlichkeit ist dabei umso größer, je kürzer die Tunnelstrecke bzw. je stärker das elektrische Feld ist. Demzufolge tritt diese Feldionisation am ehesten im Maximum des eingestrahlten Laserpulses auf. Das freie Elektron wird dann im allmählich abklingenden Laserfeld beschleunigt und der am Ende aufgenommene Impuls (bzw. die Geschwindigkeit des Elektrons) kann experimentell gemessen werden. Die Bewegung im Laserfeld wird in guter Näherung als klassische Bahn beschrieben, was aber die Kenntnis der Anfangsbedingungen unmittelbar nach dem Tunneln voraussetzt. Die einfachste Betrachtung („Simple-man model“) nimmt an, dass das Tunneln keine Zeit benötigt, das Elektron also im selben Augenblick am Tunnelausgang erscheint – und zwar mit der Geschwindigkeit Null.

„Klassisch verbotener Vorgang“

Dieses Modell wurde in den letzten Jahren intensiv debattiert. Erste Experimente ergaben – im Rahmen der Messgenauigkeit – keinen Hinweis auf eine endliche Tunnelzeit. Ganz so einfach ist die Interpretation aber nicht, da auch eine möglicherweise von Null verschiedene Anfangsgeschwindigkeit eine Rolle spielt. Offen war zudem die Frage, wie die klassische Bewegung korrekt mit dem quantenmechanischen Tunnelprozess verknüpft werden kann und ob daraus die Zeitdauer für das Tunneln berechnet werden kann. Eigentlich auf den ersten Blick ein Ding der Unmöglichkeit, handelt es sich doch um einen klassisch verbotenen Vorgang.  …weiterlesen

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