FES-Studie räumt im Energiemarkt auf

Dritter Abschnitt der Zusammenfassung

  • Der dritte Abschnitt (Kapitel 5) widmet sich den Verteilungseffekten, die sich aus Kostenaufkommen und Privilegierungsmechanismen ergeben. Privilegierungen und Kosten werden sowohl verwenderbezogen den Verbrauchergruppen (Haushalte, Gewerbe und Industrie sowie Verkehr) als auch funktionsbezogen der Eigenerzeugung und dem Letztverbrauch zugerechnet. Darauf aufbauend stellt ein detailliertes Flussdiagramm dar, wie das nach Verbrauchergruppen differenzierte Gesamtaufkommen über das Umlagesystem den verschiedenen Verwendungszwecken zufließt.
  • Insgesamt wird deutlich, dass der im ersten Abschnitt beobachtete historische Kostenanstieg im Stromsektor besonders stark von Haushalten und Gewerbe finanziert wird, deren absolutes Kostenaufkommen in Summe von 38,8 Milliarden Euro in 2010 auf 52,6 Milliarden Euro in 2016 gestiegen ist. Für die Industrie ergibt sich lediglich eine Steigerung von 14,3 auf 19,6 Milliarden Euro. Da der Stromverbrauch von Haushalten und Gewerbe in diesem Zeitrahmen zudem um neun Prozent zurückging, ergeben sich für die spezifischen auf die Strommengen bezogenen Kosten (exklusive Mehrwertsteuer und Vertriebskosten) noch stärkere Anstiege von 44 Prozent für Haushalte und 50 Prozent für Gewerbe. Für Industrieunternehmen betrug die Zunahme 24 Prozent.
  • Die zukünftige Entwicklung der verbrauchsspezifischen Belastungen einzelner Verbrauchergruppen hängt stark von der Entwicklung des Stromverbrauchs ab. Aus diesem Grund wurden drei Szenarien definiert: Im „Referenzszenario“ bleibt der Letztverbrauch aller Verbrauchergruppen konstant und die Eigenerzeugung der Haushalte steigt moderat an. Im Szenario „Rückgang Letztverbrauch“ wird der beobachtbare Trend zurückgehender Verbräuche von Haushalten und Gewerbe fortgeschrieben. Das Szenario „Anstieg Eigenerzeugung“ unterscheidet sich durch einen starken Anstieg der Eigenerzeugung von Haushalten vom Referenzfall.
  • Im Referenzfall steigen die spezifischen Kosten der Stromversorgung, also der durchschnittliche Strompreis, für Haushalte im Vergleich zu 2016 bis 2023 noch mal um 16 Prozent, für Gewerbe um 17 Prozent und für die Industrie um drei Prozent. Im Szenario „Rückgang Letztverbrauch“ ergibt sich ein Anstieg des durchschnittlichen Strompreises für Haushalte und Gewerbe um 29 Prozent und für Industrieunternehmen um elf Prozent. Der Unterschied zum Referenzfall ergibt sich vor allem dadurch, dass unveränderte Kosten auf eine geringere Menge Strom verteilt werden. Das Szenario „Anstieg Eigenerzeugung“ führt für Haushalte zu einer Kostensteigerung von zwölf Prozent, für Gewerbe von 20 Prozent und für die Industrie von sechs Prozent. Die im Vergleich zum Referenzfall geringe Belastung für Haushalte resultiert aus der stärkeren Inanspruchnahme von Eigenerzeugungsprivilegien. Es handelt sich um eine Entlastung auf Kosten sozialschwacher Verbraucheren, die keine Möglichkeit zur Eigenerzeugung durch Investitionen in PV-Anlagen und dezentrale Speicher haben, aber die Privilegierungen und zum Teil über das EEG auch die Anlagen selbst finanzieren.
  • Schon in der Referenzentwicklung kommt es also zu einem weiteren relevanten Anstieg der Haushaltsbelastung. Diese ist nicht nur durch einen Anstieg der Gesamtkosten des Systems bedingt, sondern wird durch den „Verteilungsschlüssel“ zulasten der Haushalte verschärft.
  • Vor diesem Hintergrund sollten energiepolitische Handlungsspielräume, die sich in Bezug auf die Diskussion rund um das Thema Sektorenkopplung zu Beginn der kommenden Legislaturperiode ergeben könnten, unbedingt auch zur Entlastung von Haushalten genutzt werden. Hier ist eine integrierte Diskussion notwendig, die ggf. auch flankierende sozialpolitische Maßnahmen mit in einem Maßnahmenbündel vereint.
  • Daneben wird deutlich, dass Stromeffizienz, so wertvoll sie aus energiewirtschaftlicher Sicht auch ist, auch sozialpolitisches Risikopotenzial beinhaltet, wenn einkommensschwächere Haushalte nicht in gleichem Maße von den Effizienzanstrengungen profitieren wie andere Verbrauchergruppen. Es ist also von hoher Bedeutung, auch einkommensschwächeren Haushalten Investitionen in Stromeffizienz zu ermöglichen oder aber entstehenden Schärfen sozialpolitisch geeignet vorzubeugen.
  • Die häufig als „Entsolidarisierung“ bezeichnete Ausweitung der Eigenerzeugung kann wirkähnlich mit Stromeffizienzmaßnahmen sein. Beide Maßnahmen ermöglichen investitionsstarken Akteuren in Haushalt, Gewerbe und Industrie, ihre individuelle Kostenbelastung von der Gesamtkostenentwicklung abzukoppeln – mit dem Risiko, dass weniger kapitalstarke Akteure überproportional die verbleibenden Finanzierungslasten schultern.
  • Im vierten Abschnitt (Kapitel 6) erfolgt eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen für die Neuausrichtung des Gesamtsystems. Die politischen Handlungsempfehlungen unterliegen einer Fokussierung auf die Objektivierung und Begleitung der anstehenden energiepolitischen Diskussionen. Hierbei handelt sich insbesondere um eine Zusammenstellung von Empfehlungen auf einem Meta-Level, d. h. weniger auf die Details der verschiedenen USE fokussiert.
  • Es stehen aktuell verschiedene Optionen in der Diskussion, die die Finanzierung insbesondere des EEG auf eine andere Grundlage stellen. Das diskutierte Feld reicht hier von einer Steuer- bis zu einer Schuldenfinanzierung. Eine aus Verbrauchersicht hervorzuhebende Möglichkeit, um die Kosten der Energiewende leistungsgerechter zu verteilen, ist dabei ein staatlich finanzierter Energiewendefonds. Der Fonds finanziert Kosten des EEG aus Steuermitteln und ermöglicht auf diesem Weg eine Absenkung der EEG-Umlage. enervis-Analysen zeigen, dass durch eine zielgerichtete Finanzierung des Fonds die Leistungsgerechtigkeit der EEG-Finanzierung deutlich erhöht und einkommensschwache Haushalte gezielt entlastet werden können.

¹Vereinfachte Betrachtung

->Quelle: library.fes.de/wiso/13586.pdf